Der Wirtschaftsweise Wolfgang Wiegard kritisiert den mühsam erreichten CO2-Kompromiss. Mehr Restriktionen für die Industrie hätten demnach positive Effekte für die gesamtwirtschaftliche Entwicklung gehabt.
Berlin/Chemnitz - Der Vorsitzende des Sachverständigenrates der Bundesregierung, Wolfgang Wiegard, kritisiert den Kompromiss im Emissionsstreit. Im Verhältnis zu den anderen Bereichen der Wirtschaft würde die Industrie viel zu stark entlastet.
Zwar sei es positiv, dass überhaupt eine Einigung erreicht worden sei, aber die Ziele der Abgasverminderung seien ohnehin von Brüssel vorgegeben, sagte Wiegard der Chemnitzer "Freien Presse". Die deutsche Regierung habe aber Spielraum, wie die Absenkung des Kohlendioxydausstoßes auf die unterschiedlichen Bereiche von Wirtschaft, Verkehr oder Haushalte aufgeteilt werde.
Wenn die Industrie großzügige Emissionsrechte erhalte, müssten die anderen Sektoren entsprechend restriktivere Einsparziele erfüllen. Vermutlich wäre eine stärkere Emissionsminderung für die Industrie gesamtwirtschaftlich effizienter gewesen, sagte der Chef der fünf Wirtschaftsweisen.
Die Zeche zahlt der Verkehr
Der umweltpolitische Sprecher der Grünen, Winfried Herrmann, rechnet damit, dass nach dem Kompromiss besondere Belastungen auf den Verkehrsbereich zukommen. So wäre die Einführung eines generellen Tempolimits und eine Weiterentwicklung der Ökosteuer eine Möglichkeit, einen Ausgleich für die geringe Belastung der Industrie zu erreichen, sagte er dem Blatt.
Der am Dienstag von Umwelt- und Wirtschaftsministerium ausgehandelte Kompromiss sieht vor, den Ausstoß an Kohlendioxid (CO2) für Industrie und Energiewirtschaft bis 2007 auf 503 Millionen Tonnen pro Jahr zu begrenzen und bis 2012 auf 495 Millionen Tonnen. Umweltminister Jürgen Trittin (Grüne) hatte zunächst die Begrenzung auf 488 und bis 2012 auf 480 Millionen Tonnen gefordert.
Am Mittwoch läuft die von Brüssel gesetzte Frist zur Übermittlung der Klimaschutz-Eckdaten ab. Nach Klärung weiterer Details will das Kabinett den Zuteilungsplan für die Emissionsrechte beschließen. Der Emissionshandel soll von 2005 an europaweit zu einer Verminderung der klimaschädlichen Treibhausgase führen. Der Bundestag muss den Zuteilungsplan für die Emissionsrechte später noch beschließen.