Deutsche Bahn ICE-Kunden ausgebremst
Berlin - Ab 1. Oktober können Fernreisende von der Bahn bei erheblichen Verspätungen eine Entschädigung verlangen. Bahnchef Hartmut Mehdorn, sowie die Bundesminister Renate Künast (Grüne) und Manfred Stolpe (SPD) stellten am Dienstag in Berlin die "Kundencharta Fernverkehr" vor.
Hat ein Zug am Zielbahnhof des Reisenden mehr als eine Stunde Verspätung, werden dem Fahrgast 20 Prozent des Fahrkartenwerts zurückerstattet. Neu ist außerdem, dass die Entschädigung nicht nur für den einzelnen Zug gilt, sondern für die gesamte Reisekette der Bahn: Auch wer wegen ein paar Minuten Verspätung einen Anschlusszug verpasst und erst eine Stunde später weiterreisen kann, hat Anspruch auf Erstattung.
Für ICE-Kunden wird es eng
Die Gutscheine sollen nun anstatt eines halben ein ganzes Jahr lang gültig sein. Derzeit erhalten nur ICE-Kunden bei einer Verspätung von mehr als einer halben Stunde Geld zurück: Bei mehr als 30 Minuten Verspätung im ICE gibt es einen Zehn-Euro-Gutschein, bei mehr als 90 Minuten gibt es 25 Euro.
ICE-Kunden, die einen Fahrschein für 40 Euro kaufen, müssen bei Unpünktlichkeit ihres Zuges ab Oktober mit weniger Erstattung rechnen. Bei mehr als 60 Minuten Verspätung wären es acht statt bisher zehn Euro. Hat der ICE "nur" 50 Minuten Verspätung, besteht im Gegensatz zur aktuellen Regelung kein Anspruch auf Entschädigung.
Kosten für Taxi und Übernachtung
Eine Stunde früher als bisher soll auch die - bisher schon auf dem Kulanzwege gewährte - Entschädigungsregelung bei nächtlicher Anreise gelten: "Kann der Kunde seine Reise bis 24 Uhr nicht wie geplant fortsetzen, übernimmt die Bahn unter anderem die Kosten für Übernachtung oder Taxifahrt in Höhe von maximal 80 Euro", erklärte Mehdorn.
Besitzer der BahnCard 100, einer internationalen Fahrkarte sowie einer Zeitkarte sollen pauschal entschädigt werden. Mehdorn erklärte, Kulanz sei gut. "Aber die Lösung ist, dass wir an der Pünktlichkeit arbeiten."
ProBahn: Das reicht nicht
Der Fahrgastverband Pro Bahn sieht die neue Kundencharta dagegen kritisch. "Entschädigungen und Kundenschutz können nicht von der Bahn selbst geregelt werden. Dies muss der Gesetzgeber auf europäischer Ebene für alle Unternehmen festlegen", sagte Hartmut Buyken, stellvertretender Vorsitzender von Pro Bahn, im Gespräch mit manager magazin online. Dass sich Bahnchef Mehdorn als Verbraucherschützer geriere, sei eine "merkwürdige Vorstellung", so Buyken.Die neuen Regelungen seien noch kein Anreiz für die Bahn, pünktlicher zu werden.
Buyken kritisierte außerdem, dass im Nahverkehrsbereich kein Geld erstattet werde. Die neue Kundencharta stelle außerdem für ICE-Kunden eine Verschlechterung dar, da es in vielen Fällen weniger Geld gebe. In Nachbarländern wie in Holland werde bei einer Stunde Verspätung deutlich mehr erstattet.