Mannesmann Großer Fall, kleines Einmaleins
mm.de:
Herr Binz, Sie waren zusammen mit Ihrem Partner Martin Sorg Initiator des Mannesmann-Prozesses. Was ist Ihr Eindruck vom Auftakt?
Binz: Es hat den Anschein, dass vor allem Herr Ackermann im Vorfeld des Prozesses nicht so gut beraten war. So ist er unmittelbar vor Prozessbeginn bewusst lächelnd lange stehen geblieben, um sich nicht erheben zu müssen, als die Strafkammer den Saal betrat. Schon das wurde ihm als Arroganz ausgelegt. Schlimmer noch war das Victory-Zeichen, das er vor den Kameras der Journalisten zeigte und das um die ganze Welt ging. Wenn man wegen eines so schwer wiegenden Deliktes vor Gericht steht, halte ich es nicht für passend, sich in Siegerpose darzustellen, auch wenn man sich für unschuldig hält. Damit wird das Gericht düpiert.
Offenbar hat das auch die PR-Abteilung der Deutschen Bank so gesehen, denn sie ließ später verbreiten, Ackermann habe lediglich mit Klaus Esser über den Prozess gegen Michael Jackson gesprochen und in diesem Zusammenhang dessen Victory-Zeichen nachgeahmt. Ich finde diese Erklärung, selbst wenn sie der Wahrheit entspricht, noch peinlicher, als wenn Herr Ackermann zu dem Victory-Zeichen stünde. Immerhin steht fest, dass Ackermann sich nicht bereichert hat und ihn von allen Beteiligten die geringste Schuld trifft, sodass eine Einstellung des Verfahrens gegen die übliche Geldbuße nahe liegt. Diese Chance sollte er jetzt nicht verspielen.
mm.de: Wie haben sich die Angeklagten in juristischer Hinsicht verhalten?
Binz: Ihre Verteidiger haben das in diesen Fällen übliche "Feuerwerk" abgeschossen und damit nach außen die Staatsanwälte zwangsläufig als "passiv" oder "blass", wie die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" schrieb, erscheinen lassen. Warten wir doch erst einmal die Beweisaufnahme ab!
mm.de: In vielen Medien findet sich die Einschätzung, die Angeklagten hätten das Gericht herabgewürdigt. Wie sehen Sie das?
Binz: Leider hatte Herr Ackermann auch insoweit keinen guten Tag, als er vor Gericht einen Satz sagte, den manche Zeitungen sogar zur Schlagzeile kürten: "Deutschland ist das einzige Land, wo diejenigen, die erfolgreich sind und Werte schaffen, deswegen vor Gericht stehen." Allein das Wort "deswegen" zeigt, dass er oder seine Berater offenbar immer noch nicht verstanden haben oder verstehen wollen, worum es in dem Verfahren eigentlich geht.
Der Satz beinhaltet im Übrigen den Vorwurf der Rechtsbeugung durch die Strafkammer sowie den Vorwurf der vorsätzlichen Verfolgung Unschuldiger durch die Staatsanwaltschaft. Eine schwere Kränkung, die bereits Roland Berger verbreitet hatte, indem er behauptete, das Verfahren habe einen "eindeutigen politischen Hintergrund". So sollte man nicht über unseren Rechtsstaat und seine unabhängige "Recht sprechende Gewalt" reden, auf die wir - nicht nur historisch betrachtet - stolz sein können.
"Um Entscheidungsfreiheit geht's nicht"
"Um die freie Prämienentscheidung geht es nicht"
mm.de: Wird denn mit einem Verfahren wie dem Mannesmann-Prozess nicht der Unternehmensführung die Möglichkeit genommen, freie Entscheidungen zu treffen? Wem sie eine Prämie zahlt, ist doch ihre Sache.
Binz: Darum geht es hier doch gar nicht. Laut Anklageschrift geht es vielmehr um die Frage, ob Millionenbeträge zum Schaden des Unternehmens pflichtwidrig, nämlich als Gegenleistung dafür geflossen sind, dass Herr Esser seinen ursprünglichen Widerstand gegen die Vodafone-Übernahme aufgab. Diese Frage muss doch ein Gericht nachprüfen dürfen! Sonst hätten wir ja einen rechtsfreien Raum. Untreue ist schließlich nur die "intelligente" Form von Diebstahl.
Im Übrigen wird es heute gerne so dargestellt, als ob es bei der Prämiengewährung und der "Versorgungsorgie", so die Formulierung der Staatsanwaltschaft, um eine Ermessensentscheidung des Aufsichtsrates gegangen wäre, in die sich die Justiz nicht einzumischen habe. Doch diese Ermessensentscheidung hat es zumindest im Fall der Anerkennungsprämien gar nicht gegeben.
So wird in allen Beschlüssen des Aufsichtsratspräsidiums als Begründung lediglich auf eine unmittelbar zwischen Chris Gent von Vodafone und Canning Fok von Hutchison Whampoa getroffene Abstimmung über Anerkennungsprämien von 20 Millionen Pfund Bezug genommen. Man hat sich in dem Gremium nicht einmal die Mühe gemacht, die Beträge in D-Mark umzurechnen, geschweige denn Erwägungen über deren Höhe oder den Grund der Zahlungen - angebliche Verdienste von Klaus Esser - angestellt. Im Klartext: Das Aufsichtsratspräsidium hat lediglich innerhalb von 48 Stunden den Wunsch von Hutchison umgesetzt, und das auch noch zu Lasten der Mannesmann-Kasse.
Interessant daran ist, dass Ackermann in einer Erklärung, die in der "FAZ" veröffentlicht wurde, diesen Vorgang indirekt sogar einräumt. Und zwar in einer Passage, in der es darum geht, dass auch Joachim Funk als ehemaliger Mannesmann-Chef und Vorgänger von Klaus Esser eine Prämie bekommen wollte und sollte und zwar in Höhe von neun Millionen Mark. Bevor nun Ackermann Herrn Zwickel anrief, um dessen Votum zu erfragen, holte er zuvor "die Erlaubnis" von Canning Fok "als Initiator der Anerkennungsprämie" ein, und zwar sowohl dem Grunde wie der Höhe nach. Sieht so eine autonome Entscheidung des Mannesmann-Aufsichtsrates aus?
"Koppenhöfer hat sehr gute Figur gemacht"
"Koppenhöfer hat eine sehr gute Figur gemacht"
mm.de: Im Vorfeld des Prozesses wurde viel über die Richterin spekuliert. Brigitte Koppenhöfer hat einen guten Ruf im Jugendstrafrecht, aber viele fragten: Wird sie sich gegenüber der Anwaltselite, die ihr gegenübersteht, behaupten können? Was ist Ihr Eindruck nach den ersten Verhandlungstagen?
Binz: Frau Koppenhöfer hat eine sehr gute Figur gemacht. Ich habe das allerdings auch gar nicht anders erwartet. Sie hat einen Ruf als selbstbewusste, energische, aber vor allem auch als hoch qualifizierte und souveräne Richterin, die sich schon seit vielen Jahren bewährt hat. Schon mit dem Eröffnungsbeschluss hat sie gezeigt, wer hier Herr des Verfahrens ist, indem sie die Anklage, wenn auch in unwesentlichen Punkten, einschränkte.
mm.de: Und fachlich?
Binz: Es gehört zum Tagesgeschäft eines Juristen, sich in neue Sachverhalte einzuarbeiten - das machen die Richter nicht anders als die Verteidiger. Denken Sie nur an den Schneider-Prozess, in dem es um diffizile Bewertungs- und Bilanzierungsfragen ging. Dort hat niemand den Sachverstand des Gerichtes oder der Staatsanwaltschaft angezweifelt.
Im vorliegenden Falle ist es auch gar nicht notwendig, über detaillierte Kenntnisse des deutschen Aktienrechtes zu verfügen. Dieser Punkt wurde doch von der Verteidigung nur hochgespielt, um Zweifel an der Qualifikation von Gericht und Staatsanwaltschaft säen zu können. Zentral sind allein die Fragen: Lag es im Unternehmensinteresse, einen Ex-Manager zusätzlich mit zehn Millionen Pfund zu belohnen, der gerade einen 430 Millionen Mark teuren Abwehrkampf verloren hatte, von sich aus gehen wollte und dem bereits ein Abfindungspaket von 28 Millionen Mark bewilligt worden war - zuzüglich Büro, Sekretärin, Auto und Fahrer auf Lebenszeit? Waren die zehn Millionen Pfund, immerhin 32 Millionen Mark, nur die Gegenleistung dafür, dass Esser seinen Widerstand aufgab, wie die Staatsanwaltschaft annimmt?
Erst wenn diese Fragen zu verneinen sein sollten, geht es um die Angemessenheit der Zahlung - und auch davon kann keine Rede sein. Wobei immer noch zu prüfen wäre, ob überhaupt von einer Ermessensentscheidung des Aufsichtsratspräsidiums angesichts der Hektik und der ungewöhnlichen Umstände gesprochen werden kann. Das alles ist das "kleine Einmaleins" jedes Strafrichters in Wirtschaftsstrafsachen und hat mit dem hochstilisierten Konflikt "Aktienrecht versus Strafrecht" überhaupt nichts zu tun.