Jürgen Schrempp "Ich bereue absolut nichts"
Wilmington - Erstaunlich frisch sah Jürgen Schrempp nach mehr als sechs Stunden Kreuzverhör im amerikanischen Gerichtssaal aus. Der DaimlerChrysler-Chef war mit seinem Auftritt im Milliardenprozess gegen den deutsch-amerikanischen Autokonzern sichtlich zufrieden. "Ich bereue absolut nichts", sagte Schrempp vor dem Gerichtsgebäude anschließend, auf die Fusion angesprochen. "Jetzt gehe ich zurück an die Arbeit, um DaimlerChrysler zur Nummer eins der Automobilindustrie zu machen."
Mit stoischer Ruhe hatte Schrempp den ganzen Mittwoch und am Donnerstagmorgen im fensterlosen Sitzungssaal 4B des Wilmingtoner Bezirksgerichts gesessen. Der DaimlerChrysler-Chef ließ kaum Unruhe erkennen, auch, wenn Klägeranwalt Terry Christensen zum x-ten Male die gleiche Frage stellte. "Das habe ich heute Morgen schon ausführlich beschrieben", sagte Schrempp einmal. Nur das leise Pochen mit dem Plastikbecher auf dem Tisch zur Unterstreichung jeder Silbe verriet manchmal Gemütsbewegungen.
Nur einmal wurde der 59-Jährige am Mittwoch richtig unruhig. Mit den Worten "Euer Ehren, Herr Schrempp signalisiert mir etwas, ich weiß nicht worum es geht", unterbrach DaimlerChrysler-Anwalt Tom Allingham die Befragung. Schrempp wandte sich direkt an den Richter: "Euer Ehren, könnte ich mal eben...." "Na klar", antwortete der Richter sofort verständnisvoll, unterbrach die Verhandlung und Schrempp schritt eilends aus dem Saal in Richtung Toilette.
"Sehen Sie das? Verstehen Sie das?"
Ansonsten saß Schrempp ziemlich ruhig im Zeugenstand, mit einer Thermoskanne mit kaltem Wasser auf dem Pult, einem Plastikbecher, zwei dicken Aktenordnern und einem Bildschirm, auf dem die relevanten Dokumente abgebildet wurden. Wenn Schrempp die gerade angesprochene Seite im Order nicht fand, nahm er die Brille ab und beugte sich über den Bildschirm. "Um keine Zeit zu verschwenden", meinte er.
Doch Christensen ließ sich viel, viel Zeit. Immer wieder ließ er neue Fusionsdokumente und Sitzungsprotokolle auf den Bildschirm laden. Langatmig zitierte er aus den Texten und fragte: "Sehen Sie das? Verstehen Sie das?" "Yes, Sir" und "Korrekt, Sir", antwortete Schrempp oft. Doch wenn der Anwalt ihn mit tückischen Fragen aufs Glatteis führen wollte, war Schrempp auf der Hut: Er wiederholte Standardformulierungen, zum Beispiel, dass keiner der Beteiligten je an der Fusion unter Gleichen gezweifelt habe. Christensens Versuche, einen Widerspruch zwischen Schrempps Aussage und der von anderen Zeugen rauszuarbeiten, liefen meist ins Leere. "Ich weiß nicht, in welchem Zusammenhang das gesagt wurde", sagte Schrempp darauf, oder: "Da müssen Sie die Person selbst fragen, wie sie das gemeint hat."
"Wir tanzen hier wohl auf der Spitze einer Nadel rum"
"Schrempp ist bestens vorbereitet und es ist schwer, ihn von seiner Linie abzubringen", räumte Holger Haas, Frankfurter Anwalt in Diensten der Klägerfirma Tracinda, ein. "Aber langsam ernährt sich das Eichhörnchen." Haas will gesehen haben, wie Richter Joseph Farnan immer an der Stelle eifrig mitschrieb, die für Tracindas Argumentation Bedeutung haben.
Nach drei Stunden, in denen Christensen mit der quälenden Akribie des gewieften Anwalts von einer Sitzung zur anderen, von einem Gesprächsprotokoll zum nächsten schlich, wurde es einmal laut, weil Schrempp auf seinem Stuhl nach vorne rutschte und mit dem Kopf plötzlich ganz nah ans Mikrofon kam: "Ich kann Ihnen nur sagen, dass das auf Seite 59 nicht steht!" sagte Schrempp zum wiederholten Mal. Der Anwalt wollte ihn auf kniffelige Aussagen in einem dicken juristischen Text festnageln. "Wir tanzen hier wohl auf der Spitze einer Nadel rum", sagte er ein bisschen resigniert.
"Irgendwie hat Schrempp der Klägerseite keinen Zentimeter zugestanden", sagte eine amerikanische Gerichtsreporterin.
von Christiane Oelrich, dpa