DaimlerChrysler Morbus Mitsubishi
Tokio/Hamburg - Von Hilmar Kopper bekam Jürgen Schrempp jüngst das wohl teuerste Geschenk überhaupt: Zeit. Ließ doch der Aufsichtsratschef der DaimlerChrysler AG zuletzt durchblicken, dass er nichts gegen eine weitere Amtszeit von Schrempp an der Spitze der Welt AG hätte. Bis 2007 soll dieser nun den Konzern führen.
Jahre, die der Vorstandsvorsitzende dringender denn je braucht. Denn an den Rändern von Schrempps globalem Konzernimperium brennt es lichterloh. Die US-Tochter Chrysler hat sich zum Dauersanierungsfall entwickelt. Und jetzt wird immer deutlicher: Auch der japanische Partner Mitsubishi Motors, bei dem die Stuttgarter mit 37 Prozent größter Anteilseigner sind, hat riesige Probleme.
Am Dienstag legte die Nummer vier unter den japanischen Autoherstellern Zahlen vor, die das ganze Ausmaß des Desasters zeigen. Mitsubishi Motors hat in den ersten sechs Monaten des laufenden Geschäftsjahres bis September operativ einen Verlust von 76,35 Milliarden Yen (rund 615 Millionen Euro) eingefahren. Das Minus übertraf die bisherigen Erwartungen damit um das Fünffache.
"Die Zahlen sind ein Desaster"
Bereits zum zweiten Mal muss Mitsubishi-Motors-Chef Rolf Eckrodt seine Erwartungen für das gesamte Geschäftsjahr 2003/04 nach unten korrigieren. Der von Schrempp eigens nach Japan entsandte Daimler-Statthalter rechnet nunmehr mit einem operativen Verlust von 45 Milliarden Yen (360 Millionen Euro). Bisher hatte Mitsubishi Motors in freudigem Optimismus noch 60 Milliarden Yen Gewinn in Aussicht gestellt.
Die Börse reagiert angesichts dieses Ergebnisses bestürzt. "Die Zahlen sind ein Desaster. Wir waren geschockt", sagte CSFB-Analyst Koji Endo. Auch bezweifeln die Marktbeobachter, dass Mitsubishi Motors die korrigierte Prognose schafft. Dazu müsste das Unternehmen in den kommenden Monaten schwarze Zahlen schreiben.
Prompt geriet auch DaimlerChrysler in den Sog. "Neben den Problemen mit Chrysler in den USA wird jetzt auch Mitsubishi zunehmend zu einem Krisenherd", hieß es bei Merrill Lynch. Die Titel der deutschen Konzernmutter gaben am Dienstagmorgen um bis zu zwei Prozent nach. Der Deutsche Aktienindex fiel im gleichen Zeitraum um knapp ein Prozent.
Die Ankündigung von DaimlerChrysler, trotz der Verluste bei Mitsubishi Motors am Ziel von einem Betriebsgewinn von fünf Milliarden Euro im laufenden Jahr festzuhalten, beruhigte hinsichtlich der sich häufenden schlechten Neuigkeiten wenig. Zu ernüchternd waren das Ergebnis der japanischen Beteiligung.
Klamme Kunden in den USA
Ähnlich wie im Falle Chrysler ist es mal wieder der malade US-Markt, der den Schwaben zu schaffen macht. Eckrodt hatte bereits im Frühjahr die Finanzierungspraxis der Japaner in den USA gestoppt und die Führung der dafür zuständigen Tochter dort ausgewechselt. Mitsubishi hatte überwiegend junge Käufer in der amerikanischen Unterschicht mit günstigen Krediten angelockt. In der Konjunkturkrise konnten viele von ihnen nicht mehr zahlen. Hinzu kam der brutale Preiskampf auf dem US-Markt, der den Umsatz schrumpfen ließ. Auch der Anstieg des Yen lastete auf den Renditen.
Probleme gibt es auch auf dem heimischen Markt. In Japan verkauften sich die zwei neuesten Modelle, der Kleinwagen Colt und der Minivan Grandis, schlechter als erwartet. Der Absatz stieg zwar um ein Drittel, Analysten hatten aber mit einer Verdoppelung gerechnet.
350.000 Autos will Eckrodt in Japan nun im laufenden Geschäftsjahr verkaufen, 14 Prozent weniger als noch im Juli geplant. Weltweit korrigierte er die Absatzprognose von 1,6 Millionen Stück auf 1,5 Millionen.
Mitsubishi - nur dritte Wahl
Mitsubishi: Nur dritte Wahl
Jetzt rächt sich Schrempps eilige Expansion. Als er Ende der 90er bei einem japanischen Konkurrenten einsteigen wollte, blitzte er sowohl bei Nissan als auch bei Honda ab. Es blieb als dritte Wahl Mitsubishi - jetzt ist auch klar, warum.
Mitsubishi Motors hat nie wirklich Geld verdient und wenig in neue Modelle investiert. Zudem ist das Unternehmen geschäftlich eng an das Mitsubishi-Konglomerat gebunden, das an dem gleichnamigen Autobauer neben DaimlerChrysler beteiligt ist. Die japanische Gesellschaft fungiert über ihre zahllosen Töchter als Zulieferer. Entsprechend gering gestalten sich die Spielräume, die Mitsubishi-Motors-Chef Eckrodt beim Sparen hat.
Nicht nur der einheimische Partner blockiert. Zu gerne würde Eckrodt in neue Modelle investieren. Doch sein Vorgesetzter Jürgen Schrempp will zunächst Sanierungserfolge sehen, bevor er das Okay für aufwändige Entwicklungsprogramme gibt. Zumindest bis die Probleme bei der US-Schwester Chrysler beseitigt sind, muss sich Mitsubishi keine Illusionen über Hilfsprogramme aus Deutschland machen.
Sanierung der Welt AG
Aber gerade die Amerikaner werden Schrempps Aufmerksamkeit wohl noch eine ganze Weile beanspruchen. Zwar hat Chrysler-Chef Dieter Zetsche jüngst verkündet, dass er bei der Kostensenkung in diesem Jahr deutlich besser als ursprünglich geplant vorankommt. Doch zuletzt musste Chrysler herbe Verluste bei den Verkäufen hinnehmen. Allein in den ersten drei Quartalen fiel ein Verlust von 649 Millionen Euro an.
Unter den zahlreichen Hiobsbotschaften leidet der viel beschworene Glanz der Schremppschen Welt AG. Statt zwei starker Partner hat sich der Konzernlenker mit Chrysler und Mitsubishi offensichtlich zwei arbeitsaufwändige Sanierungsfälle ins Boot geholt.