Jahrelang tönten die deutschen Autohersteller bei diesem Thema unisono: Das geht nicht! Doch plötzlich bieten auch die hiesigen Marken Rußfilter für ihre von Dieselmotoren angetriebenen Fahrzeuge an. Im Gegensatz zur französischen Konkurrenz aber nicht zum Nulltarif.
Hamburg - Von Ferne wirkte die Szene herzerwärmend: Ein gutes Dutzend Nikoläuse stand vor dem Tor der DaimlerChrysler-Zentrale in Stuttgart-Möhringen und stimmte Adventsweisen an.
Wer jedoch näher kam und den Gesängen lauschte, der hörte wenig Weihnachtliches: "Über Daimler herrscht Ruh'", sangen die Rauschebärte, allesamt Aktivisten der Umweltorganisation Greenpeace, die sich für die Aktion verkleidet hatten.
Zur Melodie von "Leise rieselt der Schnee" ging es weiter: "Schrempp schaut nur lächelnd zu. Dieselruß macht Kinder kalt, hoffentlich kommt Filter bald." "Schneeflöckchen, Weißröckchen" hatten die Protestierer umgedichtet zu "Rußflöckchen, Schwarzbröckchen"; Höhepunkt ihres Programms war "Es ist ein Ruß entsprungen".
Jürgen Schrempp (58), den Chef von DaimlerChrysler, hatten sich die Regenbogenkrieger im vergangenen Dezember nur als Stellvertreter für alle deutschen Autobauer ausgesucht. Die weigerten sich damals ebenso beharrlich wie kollektiv, Rußfilter in ihre Diesel-Pkw einzubauen.
"Zu verschenken haben wir nichts"
Die Geräte befreien das Abgas von jenen winzigen Partikeln, die im dringenden Verdacht stehen, Krebs zu erregen. Erst unlängst war eine Studie im Auftrag des Umweltbundesamtes zu dem Ergebnis gekommen, dass mehr als 14.000 Deutsche jährlich sterben, weil Rußteilchen aus Autoabgasen die Luft vergiften.
Trotz der Gefahr für die Gesundheit mochte Mercedes-Vorstand Jürgen Hubbert (64) den Partikelfilter jahrelang nicht einbauen. Das bis dato einzige auf dem Markt erhältliche Säuberungssystem eines japanischen Herstellers löse zwar das Rußproblem, erhöhe aber den Spritverbrauch und den CO2-Ausstoß.
Auch Volkswagen-Chef Bernd Pischetsrieder (55) wollte noch im vergangenen Frühjahr am liebsten auf die Abgasreiniger verzichten. Bei rund zwei Millionen Diesel-Pkw, die VW und Audi pro Jahr herstellen, entstünden durch die Filter Mehrkosten von bis zu einer Milliarde Euro, rechnete der Konzernchef vor. Das Geld wollte sich das Unternehmen gerne sparen. Denn: "Zu verschenken haben wir nichts", so Pischetsrieder.
Der verordnete Sinneswandel
Der verordnete Sinneswandel
Plötzlich scheinen die Argumente gegen das Säuberungssystem nicht mehr zu gelten. Alle deutschen Hersteller von Diesel-Pkw haben in den vergangenen Wochen angekündigt, für ihre Neuwagen nach und nach Rußfilter anzubieten, zunächst für die größeren Fahrzeuge.
Und genau wie damals beruht der plötzliche Sinneswandel auch heute nicht etwa auf Einsicht. Er wurde verordnet: Ab 2005 gelten in Europa verschärfte Abgasvorschriften. Zumindest die großen Motoren der schweren Diesel-Pkw, das zeichnete sich ab, würden die dann geltenden, strengen Partikelgrenzen nicht schaffen.
Mercedes macht im Oktober den Anfang mit den Vierzylindermotoren der C- und E-Klasse; BMW, Ford, Opel und VW wollen folgen. Im Laufe des nächsten Jahres kann für fast alle deutschen Dieselmotoren ein umfassendes Abgas-Reinigungssystem bestellt werden, als zuzahlungspflichtiges Extra. 580 Euro kosten die Rußfilter bei Mercedes, für VW hat Pischetsrieder Aufpreise von 200 bis 600 Euro genannt, je nach Motorgröße.
Serienmäßiger Einbau bei Peugeot und Citroën
Das Geld können sich die Autokäufer vom Staat zurückholen. In Deutschland wird die Kfz-Steuer für neue Diesel-Pkw mit Rußfilter, die zugleich die EU-Abgasnorm 4 erfüllen, bis Ende nächsten Jahres um maximal 613 Euro ermäßigt.
Im Gegensatz zu den deutschen Herstellern überlässt der französische PSA-Konzern seinen Kunden übrigens nicht die Entscheidung, ob sie die Umwelt verschmutzen wollen oder nicht. In alle Diesel-Pkw der Marken Peugeot und Citroën werden inzwischen serienmäßig Rußfilter eingebaut.
Alles in allem gute Nachrichten für die Hersteller der Säuberungssysteme. Für den deutschen Autozulieferer Bosch allerdings vollzog sich die radikale Strategieumkehr zu rasch. Die Stuttgarter Firma, weltweit führend bei der Entwicklung abgasarmer Einspritzanlagen und geregelter Katalysatoren, kann eigene Rußfiltersysteme erst 2005 anbieten. Die arbeiten zwar mit neuer Technologie - Filter aus Sintermetall statt aus Keramik - doch dürfte der Markt bis dahin aufgeteilt sein.
"Lügensäckel" oder Technologie-Kassandra?
Was Bosch zu schnell geht, dauert den Umweltschützern viel zu lange. Ein moderner Pkw bleibt durchschnittlich elf Jahre auf der Straße. "Die Rußschleudern von heute werden also noch im Jahr 2014 unsere Atemluft vergiften", schimpft Günter Hubmann (57), Leiter der Greenpeace-Kampagne gegen Dieselruß. Die Ökos fordern deshalb eine umgehende Nachrüstung aller filterlosen Diesel.
Wie einfach das funktioniert, soll ein gebrauchter Mercedes 220 CDI beweisen, dem nachträglich eine Rußfilteranlage eingebaut wurde. "Das Auto fährt seit Monaten störungsfrei", behauptet Kampagnenchef Hubmann, "Nachrüstung ist kein Problem." Wer Gegenteiliges behauptet, den nennt Hubmann einen "Lügensäckel". Ganz gleich, ob der so Titulierte Schrempp, Hubbert oder Pischetsrieder heißen mag.
Der VW-Chef machte im Vorfeld der Internationalen Automobilausstellung IAA in Frankfurt schon einmal klar, dass in Sachen Dieselruß trotz der angekündigten Einführung von Filtern das letzte Wort noch nicht gesprochen sei. Wenn die Richtlinien weiter verschärft würden, "wären die Kosten so hoch, dass kein Kunde mehr Dieselmotoren kaufen wird", so Pischetsrieder.