Lkw-Maut Stolpe(r)gefahr
Berlin - Unmittelbar vor seinem Auftritt im Verkehrsausschuss des Bundestages hat Bundesverkehrsminister Manfred Stolpe einen Rücktritt wegen der Pannenserie bei der Einführung der Lkw-Maut abgelehnt. Der Ausschussvorsitzende Eduard Oswald (CSU) warf am Montag in Berlin ebenso wie Grünen-Verkehrsexperte Albert Schmidt die Frage auf, wer für die entgangenen Einnahmen hafte.
Stolpe sagte zu, eine mögliche weitere Verschiebung gehe "mit Sicherheit nicht zu Lasten der Bundesregierung". Die Sondersitzung des Bundestag-Verkehrsausschusses in Berlin fand hinter verschlossenen Türen statt.
Oswald kündigte an, er wolle wissen, ob es wegen der entgangenen Einnahmen durch die Verschiebung "jetzt ein Jahr lang keinen Straßenbau in Deutschland" gebe. Ein Sprecher des Verkehrsministeriums (BMV) erklärte gegenüber manager-magazin.de, dass die entgangenen Einnahmen nicht zum Scheitern geplanter Projekte führen würden.
"Ein Exportschlager wurde zum Schlag ins Kontor"
Angesichts eines Investitionsrahmenplans, der für den Zeitraum 2001 bis 2015 ein Finanzvolumen von 150 Milliarden Euro vorsieht, fielen die zeitlich befristeten Mindereinnahmen nicht stark ins Gewicht. Laut BMV-Sprecher ist geplant, eventuell auftretende finanzielle Engpässe durch neue Kredite "in vertretbarem Volumen" zu begegnen.
Der FDP-Abgeordnete Horst Friedrich warf Stolpe in Sachen Maut Blauäugigkeit vor. "Ein Exportschlager ist zum Schlag ins Kontor geworden."
Kritik an Stolpe auch von den Grünen
Schmidt vertrat die Ansicht, dass Stolpe "mit Sicherheit die falsche Person" für die Rücktrittsforderungen sei. Der Vertrag mit den Industrieunternehmen sei am 20. September 2002 geschlossen worden, als Stolpe noch gar nicht im Amt gewesen sei.
Er wollte wissen, ob die dreimonatige Frist für einen Haftungsausschluss der beteiligten Unternehmen ab Vertragsabschluss oder erst ab dem Beginn der Probephase am 31. August gelte. Auch die Grünen hätten "kritische Fragen" an den SPD-Politiker Stolpe.
Die "Süddeutsche Zeitung" zitiert in ihrer heutigen Ausgabe bereits einen Ministeriumssprecher mit der Antwort zur Entschädigungsfrage. Demnach sei eine vertragliche Zusicherung des Bundes, bis Jahresende keine Schadenersatzansprüche zu stellen, abhängig gewesen vom Starttermin der Maut im August. Weil ein Gutachten ergeben habe, dass das System des Maut-Betreibers Toll Collect zum vereinbarten Zeitpunkt nicht reif für den praktischen Einsatz war, sei die "Schonfrist-Regelung" hinfällig.
"Ausdruck von Inkompetenz"
Stolpe: Es wurde Vertraulichkeit vereinbart
Stolpe weigerte sich vor der Sitzung, über Details des Vertrages zu reden, da Vertraulichkeit vereinbart sei. Mit diesem Argument rechtfertigte auch Schmidt seine fehlenden Kenntnisse über Haftungsfragen.
Stolpe erinnerte daran, dass über das "gemeinsame Projekt" aller im Bundestag vertretenen Parteien schon seit rund 20 Jahren geredet werde und man inzwischen wesentlich weiter sei auf dem Weg zu ihrer Einführung. "Die Maut wird kommen", versicherte er. Er hoffe, dass sie auch am 2. November kommen werde.
"Ich halte mich schlicht an die Gutachter"
Ein pünktlicher Starttermin sei allerdings keine Frage der Politik, so Stolpe. Über die Betriebsbereitschaft des Systems werde Mitte Oktober ein unabhängiges Gutachten entscheiden. "Ich halte mich schlicht an die Gutachter", sagte der Minister. Zugleich sei er davon überzeugt, dass bei weiteren Problemen der Maut-Erhebung dies "mit Sicherheit nicht zu Lasten der Bundesrepublik Deutschland" gehen werde.
Die Gebühr sollte eigentlich am 31. August eingeführt werden, wurde aber wegen Mängeln bei der Technik um zwei Monate verschoben. Die Opposition hat mit einem Untersuchungsausschuss für den Fall gedroht, dass ihr Stolpes Erklärungen nicht ausreichen.
"Ausdruck von Inkompetenz der Bundesregierung"
Dem Bund entgehen wegen der Verzögerung monatlich mehr als 160 Millionen Euro. Der CDU-Abgeordnete Dirk Fischer meinte, allein der Vertrag mit den Shareholdern des Mautbetreibers Toll Collect - einer Tochtergesellschaft von DaimlerChrysler, der Telekom und des französischen Cofiroute-Konzerns - sei "Ausdruck von Inkompetenz der Bundesregierung im Umgang mit Private-Public-Partnership-Projekten".
Gerade dieses Modell setze gleich starke Partner voraus. Stolpe habe "sich in allen Bereichen über den Tisch ziehen lassen".
Bahnpreis-Debakel überstanden
Stolpe hatte am Wochenende die Einführung einer Maut auch für Pkw in Deutschland kategorisch ausgeschlossen, auch wenn es entsprechende EU-Pläne gebe. Nach der Post hatten weitere Unternehmen Preiserhöhungen nach Einführung der Lkw-Maut angekündigt.
Der Verkehrsminister war im Sommer bereits für seine Haltung zum neuen Preissystem der Deutschen Bahn angegriffen worden. Stolpe hatte anfangs das von Bahn-Chef Hartmut Mehdorn propagierte Ticket-Preissystem, das Anleihen aus der Luftfahrt-Branche genommen hatte, verteidigt. Das Unternehmen im Staatsbesitz kehrte angesichts scharfer Kunden-Proteste und massiver Einnahmen-Verluste in entscheidenden Punkten wieder zum alten Preissystem zurück.