Defizit Straflos Schulden machen
Berlin - Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) rechnet trotz zweimaligen Verstoßes gegen die europäischen Defizit-Kriterien nicht mit Sanktionen der EU-Staaten. In Brüssel würden sowohl die deutschen Reform-Bemühungen für mehr Wachstum und Beschäftigung wie auch zur Konsolidierung des Haushaltes anerkannt, sagte Eichel der "Welt am Sonntag". Die Union warf dem Minister mangelndes Unrechtsbewusstsein vor.
Nach Eichels Darstellung sind die hohen Haushaltsdefizite "eindeutig Folge der weltwirtschaftlichen Konjunkturschwäche". Er forderte die Opposition auf, die "Vorschläge zur Stabilisierung der Staatsfinanzen und zur Sicherung des Wachstums" nicht zu blockieren.
Eichel musste am Freitag für 2003 eine Defizitprognose von 3,8 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) nach Brüssel melden. Damit überschreitet Deutschland zum zweiten Mal in Folge die EU-Obergrenze von 3,0 Prozent.
Eichel zeigte sich dennoch weiterhin zuversichtlich, dass Deutschlands Defizitquote im kommenden Jahr wieder unter drei Prozent liegen werde. "Die Frühindikatoren zeigen, dass sich eine Wachstumserholung abzeichnet. Vor diesem Hintergrund können wir bei gemeinsamen Anstrengungen aller staatlichen Ebenen das Staatsdefizit wieder unter die drei Prozent senken."
Auch Frankreich meldet höheres Defizit
Eichel zielte damit auf die Mitverantwortung von Ländern und Gemeinden für die Gesamtstaatsquote. Brüssel hatte sich über die deutsche Ankündigung nicht überrascht gezeigt und geht davon aus, dass Deutschland 2004 wieder die Defizit- Grenze einhalten könnte.
Nach Deutschland wird wohl auch Frankreich 2003 im zweiten Jahr in Folge ein überhöhtes Haushaltsdefizit nach Brüssel melden. Es dürfte mindestens 3,9 Prozent erreichen und damit das höchste der EU-Staaten sein, hieß es in Paris. Im Vorjahr hatte Frankreich die Obergrenze mit 3,1 Prozent knapp überschritten.
Zinsbelastung von 38 Milliarden kaum zu halten
Die grüne EU-Haushaltskommissarin Michaele Schreyer warnte die Bundesregierung in der "Bild am Sonntag" davor, die geplanten Steuersenkungen im kommenden Jahr mit neuen Schulden zu finanzieren. "Für jede Milliarde Entlastung, die durch Schulden gegenfinanziert wird, braucht Herr Eichel schon nächstes Jahr mehr Steuereinnahmen, um Zinsen und Rückzahlungen zu finanzieren."
Der Bundesfinanzminister hat in seinem Etat 2004 rund 38 Milliarden Euro für Zinsverpflichtungen eingestellt, etwa genau so viel wie für das laufende Jahr. Angesichts der geplanten Finanzierung der vorgezogenen Steuerreform über Kredite und einer bisher geplanten Neuverschuldung von 30 Milliarden Euro dürfte die Position auch wegen steigender Zinsen nicht mehr zu halten sein, schreibt das Hamburger Nachrichtenmagazin "DER SPIEGEL".
Schweden pocht auf Stabilitätspakt
Unterdessen könnten die Defizit-Probleme der Euro-Länder auch einen möglichen Beitritt Schwedens zu der Gemeinschaftswährung verzögern. Ministerpräsident Göran Persson kündigte an, selbst bei einer positiven Entscheidung der Schweden bei der in zwei Wochen anstehenden Volksabstimmung werde die Regierung den anvisierten Beitrittstermin 1. Januar 2006 nochmal prüfen. "Es muss einen funktionierenden Stabilitätspakt geben», wurde Persson von der "Financial Times" zitiert.