Rente/Gesundheit Alle sollen einzahlen
Berlin - Der CSU-Sozialexperte Horst Seehofer hat sich für eine grundlegende Reform der Altersbezüge und des Gesundheitswesens ausgesprochen. So strebt er bei der Rente unter anderem eine steuerfinanzierte Sockelrente an, in die auch Selbständige, Beamte und Landwirte einzahlen sollen. Zur Sanierung des Gesundheitssystems schwebt dem Politiker eine gesetzliche Krankenversicherung in Form einer "Bürgerversicherung" vor, in die ebenfalls jeder einzahlen soll - unabhängig vom Berufstand und Einkommen.
410 Euro Grundrente für jeden Bürger
Kern des Rentemodells von Seehofer sei eine Grundrente in Höhe von 410 Euro für alle Bürger, die ein Leben lang in Deutschland gewohnt haben, sagte der stellvertretende Unions-Fraktionsvorsitzende dem "Handelsblatt" einem Vorabbericht vom Sonntag zufolge. Um dies zu finanzieren, sollen alle Einkommensbezieher vier bis fünf Prozent ihrer steuerpflichtigen Einkünfte abführen. Gleichzeitig sollen die Beiträge zur gesetzlichen Rente sinken, aber auch die Auszahlungen der Rentenkassen.
Auch Selbständige sollen für Sockelrente zahlen
Das Konzept Seehofers sieht neben der Grundrente eine deutlich abgesenkte gesetzliche Rente vor. Während der Übergangszeit vom alten zum neuen System solle die Sockelrente auf die bisherige gesetzliche Rente angerechnet werden. Außerdem sollen auch Selbständige, Landwirte und Beamte in das System der Sockelrente einzahlen.
Als Ergebnis der Reform könne der Beitrag in die gesetzliche Rentenkasse von derzeit 19,5 Prozent auf elf bis zwölf Prozent abgesenkt werden, sagte Seehofer. Die Pläne seien bereits mit CSU-Chef Edmund Stoiber und dem Arbeitnehmerflügel der Unions-Bundestagsfraktion abgestimmt.
Seehofer sagte, er wolle bis zum Herbst das Modell bei CDU und CSU durchsetzen. Ziel der Reform sei, Altersarmut zu verhindern, die Lohnnebenkosten zu senken und den Spielraum für private und betriebliche Altersvorsorge zu erweitern, sagte Seehofer.
"Es kann nicht angehen, dass sich Besserverdienende, Selbstständige, Beamte und auch Politiker der Solidargemeinschaft entziehen"
Bürgerversicherung - Streit zwischen in der Union
Zur Reform des Gesundheitswesens hat Seehofer eine gesetzliche Krankenversicherung vorgeschlagen, in die jeder einzahlen soll, unabhängig vom Einkommen. "Forderungen nach Privatisierung von Gesundheitsleistungen stellen die Sozialversicherung im Kern in Frage. Bevor das geschieht, plädiere ich für eine Bürgerversicherung", sagte Seehofer der "Bild am Sonntag".
Das würde bedeuten, dass künftig unabhängig vom Einkommen des Einzelnen alle in die gesetzliche Krankenversicherung einzahlen. "Es kann nicht angehen, dass sich Besserverdienende, Selbstständige, Beamte und auch Politiker der Solidargemeinschaft entziehen", sagte Seehofer.
Auch Kapitaleinkünfte könnten beitragspflichtig werden
Man müsse "dann auch darüber nachdenken, Kapitaleinkünfte beitragspflichtig zu machen", sagte Seehofer. Auch sei die Bemessungsgrundlage auf das Niveau der Rentenversicherung anzuheben, sagte der CSU-Politiker der Zeitung zufolge. "So können die Kassenbeiträge um bis zu zwei Prozentpunkte gesenkt werden."
Zuspruch von Grünen-Chef Bütikofer
Der Grünen-Vorsitzende Reinhard Bütikofer befürwortete eine Bürgerversicherung sowohl bei der Altersvorsorge als auch im Gesundheitswesen. "Ich halte es für sinnvoll, dass sich alle zusammensetzen und sagen: 'Lasst es uns probieren.' Ich glaube, in der Frage der Bürgerversicherung ist eine positive Entwicklung möglich", sagte er dem Norddeutschen Rundfunk. Dafür könnten sich auch Teile der SPD und der Gewerkschaften erwärmen. Die Grünen hatten sich bereits früher für eine Bürgerversicherung ausgesprochen.
Warnende Worte an die Union
Die Union mahnte Seehofer zu einer Kurskorrektur in der Gesundheitspolitik. "Die radikalen Reformvorschläge, die vor allem von Wirtschaftsverbänden, aber auch aus Teilen der Union gemacht werden, entlasten die Besserverdienenden und belasten die sozial Schwachen", sagte Seehofer. "Das kann und darf nicht Ziel der Politik von CDU/CSU sein." Die Wirtschaft fordere "pausenlos radikale Reformen" ohne selbst betroffen zu sein, sagte er der Zeitung zufolge. "Die Union darf da nicht blind hinterherlaufen."
Streitpunkt Zahnbehandlungen
Die CSU lehnt zum Beispiel Pläne der CDU ab, Zahnbehandlungen aus dem Leistungskatalog der Kassen zu streichen und so die Beitragssätze der gesetzlichen Krankenversicherung zu senken. Nach dem Willen von CDU-Parteichefin Merkel sollen künftig unter anderem Zahnbehandlungen durch eine private Pflichtversicherung finanziert werden. Die CSU will dagegen Selbstbeteiligungen der Patienten erhöhen. "Bei einer Privatisierungsorgie mache ich nicht mit", wird Seehofer vom "Spiegel" zitiert.
Die CDU steht unter Zeitdruck
Die CSU wehrt sich auch wegen der Landtagswahlen im September in Bayern gegen allzu radikale Reformen. Dem "Spiegel" zufolge will Seehofer aus Protest gegen die CDU-Pläne nicht an der nächsten Sitzung der CDU-Kommission zur Reform der sozialen Sicherungssysteme teilnehmen.
CDU und CSU streiten schon länger darüber, wie tief die Einschnitte für die Versicherten im Zuge der geplanten Gesundheitsreform gehen sollen. Die Union steht unter Zeitdruck, weil am Mittwoch die erste Lesung des Gesundheitsreformgesetzes der Regierung im Bundestag ansteht und bis dahin ein Entschließungsantrag von CDU und CSU fertig sein soll.