Volkswagen 2003 Wäre China doch überall
Hamburg - "In China ist die Autowelt noch in Ordnung", mag so mancher Manager in der Volkswagen-Zentrale denken. Zwar haben die Wolfsburger auch im Reich der Mitte verloren, dominieren aber weiter den Markt mit einem Anteil von mehr als 40 Prozent. Die Volksrepublik ist in 2002 für den Autohersteller nach Deutschland zum zweitgrößten Absatzmarkt geworden und einer der profitabelsten, wie Vorstandsmitglied Robert Büchelhofer erklärt.
Bis zum Jahresende will der Konzern rund eine halbe Million Fahrzeuge in China ausliefern. Bis 2007 soll sich der Absatz auf eine Million Autos verdoppeln. Das wäre dann immerhin rund ein Sechstel der bis dahin angestrebten gesamten Fahrzeugproduktion von Volkswagen.
Doch China ist nicht überall, und die Konkurrenz macht VW auf anderen Märkten das Leben schwer. Deshalb dürfte das kommende Jahr für den Automobilhersteller besonders problematisch werden, sagen Analysten.
"Pischetsrieder muss die Lücken besetzen"
"VW war in seiner Modellpolitik sehr konservativ", meint Robert Pottmann von M. M. Warburg. Man habe einen Großteil der Entwicklungsaufwendungen auf die Luxuslimousine "Phaeton" und den Nobel-Geländewagen "Touareg" konzentriert, um die Marke Volkswagen insgesamt zu pushen.
"Der Konzern habe es allerdings versäumt, in der Breite individuellere Fahrzeuge anzubieten und neue Nischen zu erschließen. Das war ein strategischer Fehler der Vergangenheit", kritisiert Pottmann. Dafür zahle VW bereits jetzt die Rechnung und noch mehr in 2003.
Diese Altlast sieht auch Robert Heberger von Merck Finck, glaubt allerdings, dass unter der Führung von Bernd Pischetsrieder der Konzern die ausgetretenen Pfade verlassen, die Modellpalette verbreitern und versuchen werde, Nischen konsequent zu besetzen. Darauf weise bereits der kommende Minivan "Touran" hin.
Mit Blick auf den nordamerikanischen Markt schätzt Heberger die Chancen für VW im kommenden Jahr etwas schlechter ein als für die anderen deutschen Mitbewerber. Volkswagen werde sich vermutlich in der Mitte von Massenherstellern wie Chrysler und Premiumherstellern behaupten können. "Euphorisch bin ich für VW aber nicht", sagt der Analyst der süddeutschen Bank.
"VW hat eine Durststrecke vor sich"
Das Problem mit dem Lebenszyklus
Das Hauptproblem von VW ist nach Ansicht der Analysten, dass mit dem Golf und dem Passat zwei Brot-und-Butter-Modelle das Ende ihres Lebenszyklus erreichen und so der Druck auf die Marktanteile des Konzerns in 2003 auch in Europa zunehmen werde.
Konzernlenker Pischetsrieder hat dieses unglückliche Timing unlängst in einem Interview mit "DMEuro" kritisiert. Es dürfe einfach nicht mehr passieren, dass zwei essentielle Modelle gleichzeitig ausliefen. Dies sei "unter allen Gesichtspunkten der denkbar schlechteste Rhythmus".
Der Geländewagen "Touareg" wird sich gut verkaufen, schätzt Jürgen Pieper vom Bankhaus Metzler. Das Segment SUV (Sports Utilities Vehicles) wachse in allen Autoklassen am stärksten. Deshalb liege VW trotz hoher Entwicklungsaufwendungen mit dem "Touareg" voll auf Kurs. Mit Blick auf die Konkurrenz habe sich Volkswagen sogar viel zu spät im Bereich Geländewagen engagiert, sagt der Analyst.
"VW hat eine Durststrecke vor sich"
Kritisch beurteilt Pieper dagegen die Ziele, die Volkswagen mit dem "Phaeton" verfolgt. "Der Sprung in die Luxusklasse mit diesem Wagen ist für VW zu groß gewesen." Das Projekt werde sich wohl auf lange Zeit nicht rechnen, sagt der Analyst und teilt damit die Bedenken anderer Experten.
Dass die VW-Modelle "Touareg", "Phaeton" und "Touran" im kommenden Jahr, die mit den voraussichtlich weiteren Absatzrückgängen beim Golf und Passat entstehenden Ertragsbelastungen kompensieren können, glaubt Pottmann von M. M. Warburg indes nicht.
Daran wird vermutlich auch der lang ersehnte Golf V nichts ändern. Das neue Volumenmodell kommt erst gegen Ende des Jahres 2003 auf den Markt. "VW hat im kommenden Jahr eine Durststrecke zu bewältigen", unterstreicht Heberger von Merck Finck, zeigt sich allerdings für das Jahr 2004 wieder optimistischer.
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