Deutsche Bank Taten statt Paragrafen
Hamburg/Frankfurt - Kaum ein Tag vergeht, an dem nicht ein Unternehmen mit Stolz verkündet, dass man sich künftig manchmal mit kleinen Ausnahmen an den Corporate-Governance-Kodex der "Cromme-Kommission" halten werde. Ziel der Veranstaltung: Mehr Transparenz und Rückgewinnung des Anlegervertrauens.
Wenn die Anleger Rolf-E. Breuer glauben dürfen, sind diese Erklärungen aber wohl wieder einmal ein Fall für die sprichwörtliche Geduld von Papier. Der Aufsichtsratschef der Deutschen Bank sieht in wesentlichen Punkten nämlich erhebliche Schwierigkeiten bei der praktischen Umsetzung der hehren Versprechungen.
So bezweifelt Breuer, dass es in Deutschland genügend Männer und Frauen gibt, die unter den neuen Anforderungen das Amt eines Aufsichtsrats antreten können oder wollen. Früher hätten acht von zehn angesprochenen Managern das Angebot eines Aufsichtsratspostens angenommen, heute lehnen sieben von zehn ab, sagte Breuer auf einer Veranstaltung des Deutschen Aktieninstituts am Dienstag.
Die Zweifel, die in die Kritik geratenen Kontrollgremien sachkundig besetzen zu können, wurden in den vergangenen Monaten immer lauter. Michael Niehues, bei der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft Deloitte & Touche Leiter der Compliance-Abteilung, hält einen so genannten hauptberuflichen "Profi-Aufsichtsrat" vor dem Hintergrund der gestiegenen Anforderungen "wohl für unumgänglich". Er warnt aber davor, auf diesem Wege die Mehrheitsaktionäre zu "entmachten".
Angst vor Sammelklagen verärgerter Anleger
Eine Professionalisierung der Gremiumsarbeit wäre nicht nur im Interesse der Unternehmen und Aktionäre, sondern auch zum Selbstschutz der Aufseher wünschenswert. Die ablehnende Haltung, ein Mandat zu übernehmen, hängt nämlich auch damit zusammen, dass sich viele Kontrolleure vor drohenden Sammelklagen verärgerter Anleger fürchten.
"Der Aufsichtsrat soll unbedingt einen genauen Katalog mit den zustimmungspflichtigen Geschäften des Vorstands aufstellen, wie es das Transparenz- und Publizitätsgesetz fordert", gibt Rechtsanwalt Dirk Dirksen einen Tipp, wie Aufsichtsräte auch ohne Amtsverweigerung eine Klage vermeiden können.
Noch mehr Gehälter offen legen
Neben der Befürchtung, dass den deutschen Konzernen die Aufsichtsräte ausgehen könnten, äußerte Breuer noch einen überraschenden Vorschlag: Seiner Meinung nach würden die Umstände die Unternehmen schon bald dazu zwingen, die individuelle Veröffentlichung der Gehälter über den Vorstand hinaus auch auf weitere Führungskräfte auszudehnen.
Genau dieses hatte manager-magazin.de erst vor wenigen Wochen im Zusammenhang mit der Veröffentlichung des Handels von Deutsche-Bank-Vorständen mit Aktien des eigenen Hauses gefordert. Den Vorsprung der Deutschen Bank in Sachen Transparenz vor vielen Dax-Konzernen unbenommen, fallen durch die künstliche Verkleinerung auf nur noch vier nominelle Vorstände maßgebliche Führungskräfte künftig nämlich durch das Raster.
"Laut Gesetz geht es nur um Organmitglieder, also Vorstände und Aufsichtsräte", hatte ein Konzernsprecher sich Anfang November gegenüber manager-magazin.de auf die Mindestanforderungen zurückgezogen. Nach den offenen Worten Breuers hat der deutsche Bankenprimus jetzt die Chance, statt Paragrafen Taten sprechen zu lassen.
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