Korruption Nachlässigkeit regiert
Hamburg / Berlin - Deutsche Unternehmen sind im Kampf gegen Korruption deutlich nachlässiger als ihre europäischen Nachbarn - obwohl Korruption auch nach Ansicht der deutschen Unternehmenslenker ein "erhebliches Problem" darstellt. Zu diesem Ergebnis kommt der Anti-Korruptionsbericht für das Jahr 2002, den der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) und die Control Risks GmbH am Dienstag in Berlin vorgestellt haben.
Jeder zweite klagt
Dabei wäre es Zeit für schärfere Kontrollen, denn das Problem weitet sich im internationalen Wettbewerb aus. Mehr als die Hälfte aller Befragten (56 Prozent) nimmt an, dass ihnen in der Vergangenheit ein Auftrag entgangen sei, weil ein Wettbewerber Bestechungsgelder gezahlt habe. Für die Studie haben BDI und Control Risks Group 250 Führungskräfte in Deutschland, Großbritannien, Niederlanden, USA, Singapur und Hongkong befragt.
Kaum Prüfungen der Geschäftsprozesse
Während in Großbritannien und USA jeweils rund 70 Prozent der Unternehmen formale Vereinbarungen treffen, keine Bestechungsgelder zu zahlen, halte in Deutschland gerade einmal jedes dritte Unternehmen derlei Vereinbarungen für notwendig, so die Studie. Im Nachbarland Holland ist es dagegen fast jedes zweite Unternehmen. Mit 24 Prozent zeigten deutsche Unternehmen auch nur eine vergleichsweise geringe Aktivität, ihre Geschäftsprozesse zu überprüfen: In Großbritannien seien es 52 Prozent, in Holland 44 Prozent.
Zwar gebe es ein Bewußtsein für die Gefahren der Korruption, jedoch gab nur eine Minderheit der in Deutschland befragten Manager (38 Prozent) an, mit den gesetzlichen Grundlagen wie der Anti-Korruptionskampagne der OECD von 1997 hinreichend vertraut zu sein. Selbst wenn Wissen über die wichtigsten Aspekte zur Bekämpfung der Korruption vorhanden sei, führe dies nicht in allen Ländern gleichmäßig zu einer Überprüfung der internationalen Geschäftsaktivitäten.
Welche Branchen besonders betroffen sind
Bau- und Energiesektor geschädigt
Branchenkenner gehen davon aus, dass rund 10 Prozent des Auftragsvolumens als "Standardkommission" gelte, wenn der Auftragsvergabe durch Schmiergeld nachgeholfen werden soll. Ein Drittel der Befragten geht sogar von noch höheren Summen aus. Besonders der Bausektor sowie die Öl- und Gasindustruie leide unter der verbreiteten Korruption, so die Studie: Bei mehr als der Hälfte der Auftragsvergaben sei Schmiergeld im Spiel.
Top-Management und Auslands-Geschäftsleiter im Visier
Am häufigsten von Korruption betroffen ist laut Studie das obere Managment (47 Prozent). Die zweithäufigsten Nennungen beziehen sich auf "Leiter Auslandsniederlassung" (41 Prozent). Auf das mittlere Management entfallen im "Anti-Korruptionsführer 2002" 25 Prozent der Nennungen.
Gekaufte Vorteile bringen Nachteile für alle
"Wettbewerb wird ausgeschaltet, Gunst gekauft und Vertrauen zerstört", kommentiert Bernd Bühner, Geschäftsführer der Control Risks Deutschland GmbH, die Ergebnisse der Studie. "Am Ende sind jedoch die Korrumpierenden genauso wie die Korrumpierten nachhaltig geschädigt". Denn die gekauften Vorteile müssten teuer bezahlt werden: durch verlorenes Vertrauen seien häufig auch gute Geschäftsbeziehungen nachhaltig verloren. Sich in ein korruptes System zu begeben, heiße immer auch Aufgabe der eigenen Souveränität, so Bühner.
Der Kampf gegen Korruption müsse verstärkt werden, um fairen Wettbewerb im In- und Ausland zu stärken, sagte der Hauptgeschäftsführer des BDI, Ludolf von Wartenberg. Der Schwerpunkt im Kampf gegen Bestechung liege bei vorbeugenden Maßnahmen: Vorbildliches Verhalten der Geschäftsführung, interne Überprüfungen, weit reichende Informationen der Beschäftigten und die Trennung von privatem und geschäftlichem Bereich seien dabei wichtige Elemente.