Konjunktur Schon die Kriegsgefahr belastet
Berlin - Mit dem Münchner Institut für Wirtschaftsforschung (Ifo) erwägt ein weiteres führendes Konjunkturinstitut, seine Wachstumsprognose für Deutschland für das laufende Jahr abzusenken.
"Der Aufschwung ist unterbrochen", sagte Ifo-Präsident Hans-Werner Sinn der "Welt am Sonntag". "Wir überlegen, unsere Prognose zu senken, denn wir beobachten eine deutliche Verlangsamung des Wirtschaftswachstums."
Kriegsgefahr belastet deutsche Wirtschaft
Das Ifo-Institut erwartet bislang in diesem Jahr ein Wachstum von 0,7 Prozent. Zur Begründung verwies Sinn auf eine "konjunkturelle Gefahr durch einen möglichen Irak-Krieg" hin. Der steigende Erdölpreis führe demnach "zu realen Einkommensverlusten in der westlichen Welt, die Konsumenten geben weniger aus, und die Konjunktur erhält einen Dämpfer", zitiert die Zeitung den Chef des Ifo-Institutes.
Ein Sprecher des Finanzministeriums bekräftigte, man gehe weiter von einem Wirtschaftswachstum von einem Dreiviertelprozent aus. Erst im Herbst könne man sagen, ob diese Prognose verändert werden müsse. Eichel zeigte sich erneut zuversichtlich, seine Defizit-Zusagen an die EU einzuhalten.
Regierung deutete schwächeres Wachstum bereits an
Das Bundeswirtschaftsministerium hatte am Freitag bereits angedeutet, dass das Wachstum in diesem Jahr unter den Erwartungen der Regierung liegen könnte. Neben einem abgekühlten Geschäftsklima sei dies auf rückläufige Umsatz-, Produktions- und Exportdaten im Juli zurückzuführen. Weder die Daten aus Industrie und Einzelhandel noch die Entwicklung am Arbeitsmarkt deuteten derzeit daraufhin, eine Erhöhung des Wachstumstempos in dem erwarteten Ausmaß zu erreichen.
Daher würden weitere Wirtschaftsforschungsinstitute ihre Prognosen nach unten korrigieren, so dass die Schätzungen zwischen 0,5 und 0,7 Prozent Wachstum 2002 lägen. Das Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) hatte vor einigen Tagen seine Wachstumserwartungen für Deutschland auf 0,6 von zuvor 0,9 Prozent zurückgenommen. Das Institut für Weltwirtschaft schraubte für das laufende Jahr das zu erwartende Wachstum sogar von 1,2 Prozent auf 0,4 Prozent zurück.
Der Unions-Finanzexperte Friedrich Merz (CDU) warf der Regierung in der "WamS" vor, die Öffentlichkeit über die wirtschaftliche Lage zu täuschen. Ähnlich äußerte sich auchc der stellvertretende FDP-Chef Rainer Brüderle.
Eichel bekräftigt Defizit-Zusagen
Eichel bekräftigte in der "Bild am Sonntag", er werde seine Defizit-Zusagen an die EU einhalten können. "Wenn wir strikt auf Sparkurs bleiben, kommen wir ab 2006 im Bundeshaushalt ohne neue Schulden aus." Der Wochenzeitung "Euro am Sonntag" sagte er, die Bundesregierung liege mit ihrer Wachstumserwartung 2002 ungefähr in der Mitte des Prognosespektrums. Die Konjunkturindikatoren würden derzeit zwar von Sonderfaktoren überlagert. "In ganz Deutschland sind die Menschen durch die Irak-Pläne der USA verunsichert." Dies seien aber vorübergehende Effekte, die bald überwunden würden. Wenn sich die Weltkonjunktur erhole, komme auch die deutsche Wirtschaft wieder in Schwung.
Unions-Kanzlerkandidat Edmund Stoiber (CSU) forderte Finanzminister Eichel auf, die Daten zur Defizitentwicklung noch vor der Bundestagswahl vorzulegen. "Hier wird getrickst und verschleiert, damit der 'Blaue Brief' aus Brüssel erst mit Verspätung kommt", sagte Stoiber der "Passauer Neuen Presse".
Brief aus Brüssel offenbar schon unterwegs
Die Kommission der Europäischen Union (EU) hat vier Mitgliedsstaaten aufgefordert, unverzüglich die aktuellen Daten zur Entwicklung ihrer Haushaltsdefizite vorzulegen. Deutschland ist nach eigenen Angaben unter diesen Staaten. Ein Sprecher des Bundesfinanzministeriums hatte erklärt, es sei möglich, dass ein solcher Brief eingegangen sei. Die Daten stünden wegen der Hochwasserkatastrophe noch nicht fest.
Die EU benötigt die Daten der Länder, um zu überprüfen, ob sie sich an die Verpflichtung aus dem europäischen Wachstums- und Stabilitätspakt halten, ihre Haushaltsdefizite mittelfristig zu reduzieren. Nach dem Maastrichter Vertrag darf die Neuverschuldung der EU-Staaten drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts nicht übersteigen.