Deutsche Bahn Milliardenaufträge ohne Ausschreibung
Berlin/München Die Deutsche Bahn soll nach einem Bericht der "Süddeutschen Zeitung" auf Bestreben der Bundesregierung weitgehend vor privater Konkurrenz bewahrt werden. Es sei geplant, das Wettbewerbsrecht auf Druck des Bahnvorstands noch vor der Bundestagswahl am 22. September so zu ändern, dass die Bundesländer Milliardenaufträge ohne Ausschreibung an das Staatsunternehmen vergeben könnten, schreibt die Zeitung in ihrer Dienstagausgabe. Ein Sprecher des Verkehrsministeriums nannte den Bericht "tendenziös".
Tatsächlich solle mit einer Verordnung die rechtliche Situation bei der Vergabepraxis klargestellt werden, sagte der Sprecher gegenüber der Nachrichtenagentur DPA. Darin werde festgelegt, dass die Bundesländer bei der Vergabe keine EU-weite Ausschreibung machen müssten.
Stattdessen sollten sie den landesweiten Auftrag in einem Rahmenvertrag an einen Anbieter vergeben - im Regelfall sei dies die Deutsche Bahn, die als einzige Firma in der Lage sei, einen Auftrag in dieser Größenordnung zu übernehmen. Die Rechtsunsicherheit hatte zuletzt zu einer Verzögerung bei der Auftragsvergabe und damit zu einem Investitionsstopp bei der Deutschen Bahn geführt.
Bahn: "Wir schließen private Anbieter nicht aus"
Allerdings sollen die Länder nach dem Willen des Ministeriums im Rahmenvertrag spätere Ausschreibungen für einzelne Strecken festlegen. Damit soll die Ausschreibungsquote allmählich erhöht werden.
"Wir schließen die privaten Anbieter nicht aus, im Gegenteil", sagte der Sprecher. Die Rechtsverordnung soll am 11. September ins Kabinett kommen und müsste dann noch vom Bundesrat beschlossen werden.
Damit, so die "Süddeutsche", riskiere die Koalition neuen Streit, da die Grünen die Initiative als Nacht- und Nebelaktion kritisieren und eine seriöse Diskussion im Parlament fordern würden. Ihr Verkehrssprecher Albert Schmidt sagte der Zeitung, mehr Wettbewerb nutze dem Fahrgast und führe zu mehr Qualität im Nahverkehr.
Auch der Geschäftsführer des wichtigsten Bahn-Konkurrenten Connex, Hans Leister, warf der Regierung vor, sie wolle den Wettbewerb abwürgen. Leister war früher als Manager für die Bahn tätig.
Kampf um den Hindenburgdamm
Der Kampf um den Hindenburgdamm
Ein Beispiel für den Kampf zwischen Deutscher Bahn und den privaten Anbietern ist derzeit beim Wettstreit um eine der wohl lukrativsten Bahnlinien Deutschlands zu beobachten: den Hindenburgdamm. Mit 5,5 Millionen Passagieren und rund einer Million transportierter Fahrzeuge (77 Euro für Hin- und Rückfahrt) ist die Zugverbindung auf die Insel Sylt eine höchst profitable Route.
Das haben auch die privaten Anbieter erkannt; sie wollen daher ebenfalls die Strecke mit ihren Zügen befahren. Wie die Tageszeitung "Die Welt" in ihrer Ausgabe vom Dienstag schreibt, haben die schleswig-holsteinische AKN, die Hamburger Hochbahn und die Frankfurter Connex-Gruppe bereits ein Angebot bei der Kieler Landesregierung, die die Strecke europaweit ausgeschrieben hat, vorgelegt. So plane Connex laut des Berichts, täglich fünf Zugpaare einzusetzen.
Wie die Zeitung weiter berichtet, stelle sich die Deutsche Bahn aber mit allen Mitteln gegen die Konkurrenz. "Der Wettbewerb funktioniert nur, wenn die für das Schienennetz zuständige DB Netz AG uns als Kunden und nicht als Eindringling betrachtet", zitiert "Die Welt" Connex-Deutschlandchef Leister. Nach Informationen der Zeitung habe die Deutsche Bahn zum Beispiel den Konkurrenten nur eine Verbindung am Wochenende angeboten.
Die Deutsche Bahn kann die Aufregung nicht verstehen. "Es besteht ein diskriminierungsfreier Zutritt zur Schiene, auch auf der Strecke nach Westerland" wird Bahnsprecher Egbert Meyer-Lovis zitiert. Es seien aber offensichtlich die Spielregeln nicht bekannt. Die Entscheidung über den Zuschlag für die Strecke fällt die Schleswig-Holsteiner Landesregierung aber ohnehin erst im nächsten Jahr.