Korruptionsindex 2002 Deutschland rutscht weiter ab

Bestechung ist hier zu Lande laut einer globalen Studie Alltag. Dabei gibt es simple Gegenmittel.
Von Rüdiger Strauch

Berlin – Mit der Geschäftsmoral der Deutschen beim Umgang mit Behörden geht es stetig bergab. Bei der Vergabe öffentlicher Aufträge sind Filz und Korruption an der Tagesordnung. Die Folge: Im weltweiten Korruptionsindex der unabhängigen Organisation Transparency International landet Deutschland nur noch auf Rang 18.

Eine unrühmliche Position: Deutschland, das reiche Industrieland, und Botswana, der ländlich geprägte Staat im südlichen Afrika, sind in Sachen Filz mittlerweile nahezu auf einer Stufe.

Die Vermutung allerdings, die Bundesrepublik überrage Botswana auf politischem und wirtschaftlichem Gebiet um Längen, ist wohl europäischer Arroganz geschuldet. Denn der südafrikanische Staat schickt sich an, Deutschland in der Bekämpfung von Korruption zu überholen.

Korruption als Norm

"Der Abstand zwischen beiden Ländern ist nicht mehr groß", warnte Peter Eigen, Vorsitzender von Transparency International (TI), bei der diesjährigen Vorstellung des internationalen Korruptionsindex 2002 in Berlin.

Wie fast überall in der Welt so habe sich auch in der Bundesrepublik nichts zum Besseren gewandelt. "Korruption wird weiterhin als Norm angesehen." Und vor allem: Korruption sei längst nicht mehr nur die Geißel der Länder auf der Südhalbkugel.

Die Enttäuschung stand Eigen deshalb auch ins Gesicht geschrieben. "Erschreckend" nannte der TI-Chef das Ausmaß von Bestechung in vielen Ländern der Welt. Nur 32 von insgesamt 102 erfassten Staaten (siehe Grafik) können auf einer Skala von zehn (weitgehend korruptionsfrei) und eins (Bestechung an der Tagesordnung) die Scheidemarke von fünf Punkten überschreiten.

Wie in den Jahren seit 1995, als die weltweit führende Nichtregierungsorganisation im Kampf gegen Bestechung ihren Korruptionsindex erstmals veröffentlichte, nehmen die skandinavischen Staaten Finnland, Dänemark, Island und Schweden Spitzenpositionen ein. Seine Daten lässt TI durch internationale Umfrageinstitute bei Managern, Analysten und Ökonomen erheben.

Die Verwandlung zum Sündenpfuhl

Verwandlung zum Sündenpfuhl

In Skandinavien hat sich durch innovative Gesetzgebung ein System entwickelt, in dem es zunehmend riskant ist, Bestechungsgelder bereitzuhalten oder anzunehmen. Auch in so unterschiedlichen Staaten wie dem liberalen Neuseeland und dem autokratisch geführten Stadtstaat Singapur bekommen die staatlichen Behörden das ansonsten ausufernde System von Geben und Nehmen gut in den Griff.

Wesentlich effektiver als in Bangladesch, Nigeria, Paraguay oder Indonesien, die am unteren Ende der Liste rangieren. Aber auch allemal besser als in Deutschland, wo der Kölner Spendensumpf den Bürgern demonstrierte, dass sich eine vormals ehrliche Gesellschaft in einen Sündenpfuhl verwandeln kann.

Für die Bundesrepublik reichte es in diesem Jahr nur für den 18. Platz – ranggleich mit Israel. 1999 hatte Deutschland noch auf Platz 14 gelegen, war in den Folgejahren jedoch immer weiter abgestiegen und 2001 auf den 20. Platz gefallen. Von einem Aufstieg der Bundesrepublik kann dennoch nicht gesprochen werden. Zwar besserte sich Deutschland um zwei Ränge, der Korruptionswert sank gleichwohl um einen Zehntelpunkt auf 7,3 Punkte. 1996 hatten die TI-Experten für die Bundesrepublik noch einen Wert von 8,3 ermittelt.

"Es hat klick gemacht"

Dabei, so erläuterte der Geschäftsführer von Transparency Deutschland, Hansjörg Elshorst, hätten die Machenschaften des Kölner Müllentsorgers Trienekens und Teilen der dortigen SPD noch keinerlei Eingang in die diesjährige Bewertung gefunden.

Andernfalls stehe nämlich zu befürchten, dass lautstarke Versprechungen der Politiker, die sich im Nachhinein gern das Mäntelchen des Korruptionsbekämpfers umhängen, für eine allzu positive Bewertung sorgten. Eine solch kurzfristige Strohfeuer-Analyse versuche TI zu verhindern, sagte Elshorst.

Im Zusammenhang mit dem Klüngel-Skandal verwies der TI-Geschäftsführer zudem darauf, dass sich die "negative Wahrnehmung des Standorts Deutschland" bestätigt habe. Die Affären hätten das Bewusstsein der Menschen geschärft, dass Korruption in der Bundesrepublik bedauerlicherweise nicht unüblich sei. "Wir haben Indizien, dass es klick gemacht hat. Die Optik ist jetzt richtiger", sagte Elshorst mit Blick auf den weitverbreiteten Glauben, Deutschland sei noch immer eine Insel der Seeligen.

Nach der Flut die Korruptionswelle?

Deutschland tritt auf der Stelle

An die Politik richtete er den Appell, den Gesetzentwurf für ein Antikorruptionsregister nicht scheitern zu lassen. Nach dem Willen der SPD-Regierung sollten mit seiner Hilfe unzuverlässige Firmen, die wegen illegaler Praktiken von der Vergabe öffentlicher Aufträge ausgeschlossen sind, zentral erfasst werden. Der Entwurf war jedoch von den Unions-Ländern erst im Juli im Bundesrat abgeschmettert worden. Die Bundesrepublik tritt auf der Stelle.

In den nächsten Monaten möchte Transparency Deutschland auch seine Bemühungen für ein Informationsfreiheitsgesetz vorantreiben. Ein solches Gebot, das für die nötige Transparenz der staatlichen Verwaltung sorgen könnte, sei ein vielversprechendes Mittel im Kampf gegen die Korruption, sagte Elshorst.

Genau hierauf seien auch die Erfolge der skandinavischen Länder zurückzuführen, in denen jeder Bürger Einsicht in Behörden-Akten verlangen kann. "Wenn jeder weiß, dass nach der Vergabe öffentlicher Aufträge jedermann nachgucken kann, wie die Sache gelaufen ist, hat das verhindernde Wirkung", erläuterte der Geschäftsführer von Transparency Deutschland.

Nach der Flut die Korruptionswelle?

Gleichzeitig warnte er vor den unabsehbaren Folgen des Hochwassers für die Korruptionsbekämpfung in Deutschland. Eine nationale Katastrophe wie die Flut in Ostdeutschland lege es nahe, unter Eile über die Vergabe von Aufträgen zu entscheiden. "Dann sind problematischen Geschäftsbeziehungen Tür und Tor geöffnet", sagte Elshorst. Auch TI-Chef Eigen riet davon ab, die Ausschreibungsregeln im Hochwassergebiet zu lockern.

Der 69-jährige ehemalige Weltbank-Manager möchte noch auf dem derzeit stattfindenden Uno-Umweltgipfel in Johannesburg darauf hinwirken, Korruption als das größte Hindernis zur Bekämpfung von Armut und zur Verwirklichung gerechter Lebensverhältnisse zu erkennen. Transparency International arbeite daran, die Zivilgesellschaften der im Korruptionssumpf versinkenden Staaten zu mobilisieren. Nur so könne das Bewusstsein für haarsträubende Ungerechtigkeiten geschärft werden.

Werteverfall: Manager ohne Moral Korruption: Wie Bestechung die Wirtschaft abwürgt Korruption: Die gekaufte Republik


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