George Turner "Den Fehler würde Ackermann heute nicht mehr machen"
mm.de:
Es gibt Stimmen, die die Zustimmung von Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann zu den Abfindungsmillionen bei Mannesmann als Rücktrittsgrund nennen. Wie ist ihr Urteil?
Turner: Die "Stimmen", von denen sie sprechen, sind recht dünn gesät. Die Frage ist nämlich, ob das Vergehen von Ackermann und anderen Mitgliedern von Aufsichtsrat und Vorstand tatsächlich strafrechtlich relevant ist. Weil Vergleichbares in der Vergangenheit kaum thematisiert war, halten sich die Experten mit Urteilen zurück. Fest steht für mich, dass die Vorgänge in jedem Fall moralisch verwerflich waren.
mm.de: Ex-Mannesmannchef Klaus Esser rechtfertigt seine Abfindungsmillionen mit den immensen Kurssteigerungen, die er Vodafone im Laufe der Übernahmeverhandlungen abtrotzte.
Turner: Tja, das gehörte aber doch zu seinem Job, für den er ja ohnehin nicht gerade schlecht bezahlt wurde. Mag schon sein, dass Esser mit seinem Einsatz für das Wohl der Shareholder gesorgt hat - aber rechtfertigt das eine Abfindungssumme, wie es sie in dieser Höhe in Deutschland noch nie zuvor gegeben hatte?
Das Unternehmen, übrigens eine juristische Person, hat unter dem Griff in die Konzernkasse für die Abfindungen gelitten. Die Übernahme von Mannesmann durch Vodafone ging auch zu Lasten vieler Mitarbeiter, die entlassen wurden. Es ist also zumindest strittig, ob Esser wirklich zum Wohl des Unternehmens wirkte - und eine Extra-Belohnung verdiente.
mm.de: Der Abgang wurde Esser mit 60 Millionen Mark vergoldet. Warum stimmte der heutige Deutsche-Bank-Chef Ackermann zu?
Turner: Ackermann und allen anderen Verantwortlichen ist ein Fehler unterlaufen - sie würden heute wohl anders entscheiden, da bin ich sicher. Wahrscheinlich überblickte Ackermann die Brisanz des Falles damals nicht.
Einem Banker seines Kalibers, mit internationalen Erfahrungen, mag die Abfindungshöhe vielleicht gar nicht einmal überhöht erschienen sein. Möglich auch, dass er sich auf den Fall nicht genügend konzentrieren konnte - schließlich dürfte Ackermann schon damals in zumindest zehn Aufsichtsräten Mitglied gewesen sein. Da ist es schon schwer, überall Up-to-date zu sein.
mm.de: Während der Übernahmeschlacht wurden Entscheidungen und Aktionen im Tages- und Stundentakt getroffen. Könnte der zeitliche Druck eine Rolle für das Ja zur Abfindung gespielt haben?
Turner: Durchaus. Es wurde zu schnell entschieden, es gab keine ausreichenden Abstimmungsprozesse auf der Entscheider-Ebene. Aber das sind mögliche Gründe - keine Entschuldigungen. Schlichter, menschlicher Anstand hätte die Aktion verhindern müssen. Der allgemein hingenommene Verfall der Sitten, was Managerentgelte angeht, hat leider erfolgreich dagegen gewirkt.
mm.de: Angesichts der bisher bekannten Faktenlage - wird Ackermann verurteilt werden?
Turner: Aus meiner Sicht war die Verfehlung dafür nicht schwerwiegend genug. Gravierender dagegen, was Ackermanns Vorgänger Rolf Breuer einige Monate später anstellte: Wer als Spitzenkraft öffentlich über mangelnde Kreditwürdigkeit eines Kunden - es handelte sich um Leo Kirch - spricht, macht als Banker keine vertrauenswürdige Figur.
Aber Breuers Posten wankte nicht, obwohl er mit Sicherheit vorsätzlich handelte. Ackermann dagegen wird den möglichen Untreue-Vorwurf nicht erwartet haben - ich denke, die Sache ist ihm sozusagen "durchgerutscht", ein Fauxpas.
mm.de: Ebenso wie IG-Metall-Chef Klaus Zwickel?
Turner: Zwickel hatte offenbar erhebliches Bauchgrimmen - schließlich wurden tausend Mitarbeiter freigesetzt. Aber wie die anderen Verantwortlichen hatte er sich offenbar nicht ausreichend für das Thema sensibilisiert.
mm.de: Heute fordert Zwickel die Absetzung der ermittelnden Staatsanwälte, weil er sie für interessengeleitet hält...
Turner: Reine Taktik. Ich kenne zwar die Aktenlage nicht Es läßt sich aber folgendes sagen: erstens gab es offenbar bereits vor den Veröffentlichungen in den Medien ein Treffen zwischen Staatsanwälten und Verteidigern zu dem Thema. Die Gegenseite wurde insofern fair behandelt. Zweitens wird ein Staatsanwalt nach zweijährigen Ermittlungen in einem solch brisanten Fall schon aus Karrieregründen vermeiden, sich von Interessen Dritter beeinflussen zu lassen. Ließe sich so etwas nachweisen, bedeutete das einen erheblichen Knick für die Laufbahn der Betreffenden.
mm.de: Kurz nach dem Abgang von Ron Sommer und dem Desaster bei Babcock Borsig hagelt es abermals Negativ-Schlagzeilen für einen Dax-Vorstand. Woher sollen Investoren eigentlich noch Vertrauen in ihre Wirtschaftslenker schöpfen?
Turner: Das Ansehen leidet in der Tat immens. Aber es gibt Lösungen. Beispielsweise, indem Aufsichtsräte ihre Kontrollfunktion ernster nehmen. Ich bin dagegen, dass sich das Gremium ins laufende Tagesgeschäft des Vorstands einschaltet. Bei gewichtigen grundsätzlichen Entscheidungen und personellen Fragen sollte sich ein Aufsichtsrat allerdings nicht aufs Abnicken beschränken. Das geschieht noch viel zu oft. Ein Aufsichtsrat muss Handlungsbedarf erkennen, sich einmischen und, wenn nötig, konsequent Einhalt gebieten.
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