Streit "Ein paar Gänge hochschalten"
Berlin - Die rot-grüne Bundesregierung hat nach Meinung deutscher Spitzenmanager in den vergangenen vier Jahren zu wenig Reformbereitschaft gezeigt. Klaus-Peter Müller, Chef der Commerzbank, sagte der "Welt am Sonntag", die Regierung habe die von ihr selbst gesetzten Ziele in der Wirtschaftspolitik verfehlt, das zeige sich besonders auf dem Arbeitsmarkt.
Um den Reformstau in Deutschland aufzulösen oder gar im internationalen Bereich überdurchschnittliche Belastungen deutscher Unternehmer nachhaltig zu senken, hat die Regierung im Urteil des Vorstandsvorsitzenden der Bayer AG, Werner Wenning, zu wenig getan.
Keine Alternativen der Opposition
Die CDU/CSU-Opposition habe aber es in den vergangenen vier Jahren nicht vermocht, tragfähige Alternativen aufzuzeigen, sagte Wenning. "Seit Beginn dieses Jahres gewinnen CDU/CSU und die FDP jedoch nach meiner Ansicht an Profil", ergänzte er. Die Pläne der Union zur Abschaffung der Steuerfreiheit von Veräußerungsgewinnen für Kapitalgesellschaften nannte Wenning "beunruhigend".
Auch BASF-Chef Jürgen Strube bemängelt, dass der anfängliche Schwung zu stark gebremst worden sei. Bei der Reform auf dem Arbeitsmarkt und im Gesundheitswesen sollten wir eigentlich schon viel weiter sein. "Deutschland muss bei den Reformen endlich ein paar Gänge hochschalten", sagte Strube der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" (FAS). Strube befürchtet, dass die Deutschen zu hohes Vertrauen in die wirtschafts- und sozialpolitischen Leistungen des Staates haben. Dass der Staat für die Sicherung der Arbeitsplätze zuständig ist, sei "schlichtweg falsch".
Dietmar Kuhnt, Vorstandsvorsitzender bei RWE, sieht in den derzeit äußert geringen Wachstumszahlen den Beweis für eine verfehlte Wirtschaftspolitik: "Es rächt sich nun, dass die Politik es einmal mehr versäumt hat, die Grundlagen für ein dauerhaft höheres Wirtschaftswachstum zu schaffen".
"Initiative für Deutschland"
Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt hat eine Wiederbelebung des Bündnisses für Arbeit gefordert. "Ich halte es für erforderlich, dass die nächste Bundesregierung das Bündnis wieder ins Leben ruft - allerdings mit der klaren Bedingung, dass die Tarifpolitik dort auf der Tagesordnung steht", sagte er der "Stuttgarter Zeitung" (Samstagsausgabe). Die Tarifpolitik sei die wichtigste Stellschraube zur Schaffung von mehr Arbeitsplätzen.
Die "FAS" berichtete, mehrere Chefs führender deutscher Unternehmen wollten in einer "Initiative für Deutschland" für tief greifende Reformen der Sozial-, Bildungs- und Steuersysteme werben. "Jetzt geht es um Weichenstellungen, die tief greifenden Einfluss auf die künftige Entwicklung des Landes haben", heißt es in einem 7-Punkte-Plädoyer, das am Montag in Berlin vorgestellt wird. Zu den Verfassern des Papiers zählen neben BASF-Mann Strube auch der neue Vorstandssprecher der Deutschen Bank, Josef Ackermann und Siemens-Chef Heinrich von Pierer.