Siemens "Wir waren nie auf die BA angewiesen"
Berlin/Halle/Saarbrücken/Erlangen - Auf einem Diskussionsforum der Industrie- und Handelskammer Mittelfranken in Erlangen sagte von Pierer am Dienstagabend: "100.000 Leute in dieser Behörde zu beschäftigen, das ist das Einzige, was die Bundesanstalt an Arbeitsplätzen geschaffen hat." Seinem Konzern könne die Bundesanstalt nicht helfen, qualifizierte Arbeitskräfte zu finden. "Wir haben uns immer selbst geholfen, waren nie auf die BA angewiesen", sagte Pierer.
DIHK-Präsident Ludwig Georg Braun stimmte ihm darin zu, dass der Markt der Arbeitsvermittlung flexibler werden müsse. "Wir könnten uns vorstellen, dass Unternehmen ab 2000 Mitarbeitern diese Dienstleistung übernehmen", sagte Braun in Erlangen. Dabei sollten frei gesetzte Arbeitskräfte durch die Personalabteilungen wieder vermittelt werden. Er sprach allerdings auch von "einer Zwangslage auf Grund von Wahlterminen", die die Umsetzung von Reformen verhindere.
Der Präsident des Verfassungsgerichtshofes Berlin, Helge Sodan, knüpft an einem anderen Punkt an. Er hält die Eigenkontrolle der Bundesanstalt für Arbeit über ihre Ausgaben in der jetzigen Form grundsätzlich für bedenklich. Der zuständige Arbeitsminister könne für die 22 Milliarden Euro, die für Qualifizierungs- und Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen ausgegeben werden, keine volle Verantwortung übernehmen, weil er der Selbstverwaltung keine Weisungen erteilen und sie auch nicht personell kontrollieren könne, sagte Sodan dem Magazin "Stern".
Das Bundesverfassungsgericht habe bei anderen Selbstverwaltungen entschieden, dass ein solcher ministerialfreier Raum nur zulässig sei, wenn es um Einrichtungen ohne politische Tragweite gehe. "Bei der Dimension von 22 Milliarden Euro haben wir ein totales Problem mit dem Demokratieprinzip", sagte der Berliner Verfassungsrichter.
Kritik von allen Seiten
Unterdessen wiederholten andere ihre Kritik an den bisherigen Reformvorschlägen von Florian Gerster. So bezeichnete der Präsident des Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH), Rüdiger Pohl, die angestrebten Reformen bei der Arbeitsvermittlung als unzureichend. Es reiche nicht, die Bundesanstalt für Arbeit umzukrempeln, so Pohl in einem Beitrag für die in Halle erscheinende "Mitteldeutsche Zeitung", die gesamte Arbeitsmarktpolitik müsse reformiert werden.
Pohl sagte, das eigentliche Übel sei der Wildwuchs in der Arbeitsmarktpolitik - eine fast unüberschaubare Zahl von Maßnahmen. Mehr als 30 verschiedene Programme gebe es, ohne dass das Einzelne tatsächlich auf seinen Erfolg kontrolliert werden. Sie verschlängen jedoch 20 Milliarden Euro jährlich.
Wenn sich daran nichts ändere, so Pohl, werde auch die reformierte BA überlastet bleiben. Bei einer Reform der Arbeitsmarktpolitik dürfe es jedoch nicht um bloße Leistungskürzung gehen, denn Arbeitslosengeld ist unverzichtbar, um Menschen in unverschuldeter Arbeitslosigkeit vor Not zu bewahren. Es gehe vielmehr um eine bessere Wirksamkeit der Arbeitsmarktpolitik.
Auch der Bundesvorsitzende der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft Deutschlands (CDA), Hermann-Josef Arentz, ließ kaum ein gutes Haar an den Reformvorschlägen Florian Gersters. Der künftige Chef der BA unterstelle, dass ältere Arbeitslose sich nur deshalb keine Beschäftigung suchten, weil sie sich auf Kosten der Allgemeinheit ausruhen wollten, kritisierte Arentz gegenüber der "Saarbrücker Zeitung". Gersters Forderung, Arbeitslosen ungeachtet ihres Alters nur für die Dauer von zwölf Monaten Arbeitslosengeld zu gewähren, sei zynisch.