Bundesanstalt für Arbeit Die Chronik einer Polit-Affäre
Oktober 2001:
Der Bundesrechnungshof überprüft in den Arbeitsämtern Bremerhaven, Dortmund, Halle, Frankfurt/Oder und Neuwied die Vermittlungspraxis. Dabei vergleichen die Prüfer die in den Behördencomputern festgehaltenen Vermittlungen mit den tatsächlichen Vermittlungen.
16. Januar 2002: Der Bundesrechnungshof informiert die Bundesanstalt für Arbeit (BA) schriftlich über das Ergebnis seiner Überprüfungen. Ergebnis: Bis zu 70 Prozent der angeblichen Vermittlungen seien fehlerhaft gebucht.
22. Januar 2002: In einem Gespräch mit Vertretern der betroffenen Arbeitsämter und den Präsidenten der zuständigen Landesarbeitsämter dringt BA-Präsident Bernhard Jagoda darauf, jeden beanstandeten Fall zu überprüfen.
28. Januar 2002: In Bonn findet ein Treffen von BA und Bundesrechnungshof statt.
30. Januar 2002: Bernhard Jagoda informiert Bundesarbeitsminister Walter Riester (SPD) über die Unregelmäßigkeiten.
31. Januar 2002: Die BA-Führung übersendet die Antworten auf einen von Riester vorgelegten Fragenkatalog zu den Unstimmigkeiten.
4. Februar 2002: Die BA informiert die Presse über die "Fehlbuchungen".
6. Februar 2002: Erste Rücktrittsforderungen werden laut. Bernhard Jagoda betont jedoch während der monatlichen Arbeitsmarkt-Pressekonferenz in Nürnberg: "Ein Kapitän verlässt nicht bei Sturm die Brücke - und jetzt ist Sturm." Am Abend desselben Tages beschließt der Vorstand der Nürnberger Behörde eine stärkere Kontrolle von Bundesanstalt und Arbeitsämtern. Die Innenrevision wird dem Vorstand unterstellt.
Ein Selbstmord und Jagodas Rücktritt
7. Februar 2002: Riester setzt dem BA-Vorstand zur Aufklärung der Affäre eine Frist bis zum 15. Februar.
8. Februar 2002: Der Personalchef des Landesarbeitsamts Rheinland-Pfalz/Saarland und ehemalige Direktor des Arbeitsamts Neuwied begeht Selbstmord. Das Arbeitsamt Neuwied gehörte zu den fünf Dienststellen, die zuvor vom Bundesrechnungshof wegen fehlerhafter Vermittlungs-Angaben gerügt worden waren.
Am gleichen Tag dementiert Bernhard Jagoda erneut Zeitungsberichte über seinen angeblich bevorstehenden Rücktritt. Zum Vorwurf der Statistik-Manipulation sagt der BA-Präsident: "Ich schließe aus, dass wir absichtlich in dieser Größenordnung gefälscht haben, um besser dazustehen."
Auch Regierungssprecher Uwe-Karsten Heye äußert sich zum Thema. Er sagt: "Ich denke, Herr Jagoda hat hier sicher eine gewisse Mitverantwortung für den Vorgang selbst und die Art und Weise wie sein Haus arbeitet."
13. Februar 2002: Die Arbeitgeber legen einen Forderungskatalog für eine Reform der Arbeitsverwaltung an "Haupt und Gliedern" vor. Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) greift Jagoda an.
14. Februar 2002: Der Vorstand der BA stellt sich hinter Jagoda, räumt Defizite ein und kündigt Konzentration auf die Arbeitsvermittlung an.
15. Februar 2002: Der BA-Vorstand legt Riester einen umfangreichen Maßnahmenkatalog vor. Nach dem vierstündigen Gespräch bleibt Riester auf Distanz zu Jagoda und fordert die Gewährleistung von Effizienz und Überprüfbarkeit der Arbeitsvermittlung.
16. Februar 2002: In der Regierungskoalition werden Forderungen nach dem Rücktritt Jagodas vor allem auf Seiten der Grünen lauter.
20. Februar 2002: Jagoda ist zum Rückzug bereit. Er verspricht, einer Reform und einem personellen Neuanfang "nicht im Wege stehen" zu wollen.
22. Februar 2002: Bundeskanzler Gerhard Schröder und Riester legen ein Konzept zur Umstrukturierung der Bundesanstalt vor. Vorsitzender eines dreiköpfigen Vorstandes der BA soll der rheinland-pfälzische Sozialminister Florian Gerster (SPD) werden. Jagoda wird Ende März in den einstweiligen Ruhestand versetzt, ebenso wie der für die Bundesregierung im bisherigen Aufsichtsrat sitzende Arbeits-Staatssekretär Werner Tegtmeier.