Arbeitsämter Zankapfel Statistik
Berlin - Der künftige Vorstandschef der Bundesanstalt für Arbeit, Florian Gerster (SPD), hat ein schwieriges Stück Arbeit vor sich. Der Nachfolger von Behördenchef Bernhard Jogoda will die Arbeitsverwaltung als Konsequenz aus der Vermittlungsaffäre umfassend reformieren.
Gerster schloss dafür eine Abschaffung der Landesarbeitsämter nicht aus. Er kündigte an, die Zahl der Arbeitsvermittler deutlich zu erhöhen. Gleichzeitig strebt Arbeitsminister Walter Riester (SPD) eine Bereinigung der Arbeitslosenstatistik an. Dies sei notwendig, weil aktuell 1,2 Millionen Menschen erfasst würden, die kein Interesse an einer Vermittlung hätten, sagte der Minister. Riester gießt damit weiter Öl in die offene Flamme im Streit um die Arbeitslosenstatistik.
Merkel: Es fehlt an Taten
Die Pläne der Bundesregierung zur Modernisierung der Arbeitsverwaltung und ihrer Umwandlung in ein kundenorientiertes Dienstleistungsunternehmen bleiben Zankapfel der Kritik. CDU-Chefin Angela Merkel bezweifelte, dass der Regierung die Umsetzung gelingt. Der künftige Vorstandschef der Bundesanstalt für Arbeit, zeigte sich dagegen zu einer umfassenden Reform entschlossen.
Erstmals nach der Affäre um geschönte Vermittlungsstatistiken trifft der Minister an diesem Montag mit den Direktoren der 181 Arbeitsämter zum Krisengespräch zusammen. Die Ämter stehen nach Bekanntwerden der Rechnungshof-Kritik stark unter Beschuss. Riester will den Behördenschefs die von der Regierung eingeleiteten Reformschritte erläutern. Für den Minister dürfte das Treffen in Nürnberg ein "schwieriger Gang" werden, hieß es Sonntag in Berlin.
Der derzeitige Sozialminister von Rheinland-Pfalz sagte zum Streit um die Abschaffung der Landesarbeitsämter im ZDF, es sei zu prüfen, "ob es Zwischenebenen geben muss zwischen dem örtlichen Arbeitsamt und der Zentrale in Nürnberg". Wegen der Affäre muss der bisherige BA-Präsident Bernhard Jagoda spätestens Ende März gehen.
Es hagelt Kritik - was die Opposition denkt
Riester wurde von der Opposition für seinen Vorstoß attackiert, die Arbeitslosenstatistik neu zu fassen. Während der Minister den Vorstoß mit mehr Transparenz und Klarheit begründete, warf die Union ihm ein Täuschungsmanöver vor. "Hier wird offenbar ein dreister Betrugsversuch geplant, um das Versagen der rot-grünen Arbeitsmarktpolitik zu kaschieren", sagte der CDU-Sozialpolitiker Andreas Storm der dpa. Riesters Staatssekretär Gerd Andres betonte dagegen, die bisherige Statistik werde lediglich ergänzt: So sollen jene Menschen nur gesondert erfasst werden, die sich arbeitslos melden, um Renten- oder Kindergeldansprüche zu sichern.
Merkel kündigte an, dass die Unionsparteien im Falle eines Wahlsieges "die Arbeitslosigkeit erheblich senken werden". Auf eine genaue Zahl wolle sie sich aber nicht "kaprizieren", sagte sie am Sonntag im Deutschlandfunk. Ihre Zweifel an der Umsetzung der Reformpläne begründete sie mit dem Hinweis, die Regierung habe so viele Ankündigungen gemacht, an Taten aber habe es gemangelt.
Zumutbarkeitskriterien überdenken
VW-Vorstand Peter Hartz, von der Regierung mit Vorschlägen zur Reform der Arbeitsverwaltung beauftragt, plädierte dafür, dass Arbeitsvermittler in dringenden Fällen auch abends oder samstags aktiv werden. In der "Welt am Sonntag" regte er auch an, die Zumutbarkeitskriterien für Arbeitslose zu überdenken. Auch ein promovierter Chemiker, der keinen Job hat, könne als Sachbearbeiter im Labor tätig sein.
Der stellvertretende Vorsitzende der Unions-Bundestagfraktion, Günter Nooke, verlangte die Abschaffung der Umzugsbeihilfen für Arbeitssuchende. Es sei "unerträglich", dass auf diese Weise die Abwanderung vor allem junger Menschen aus den neuen Bundesländern durch die Arbeitsämter gefördert werde, sagte er dem "Focus". Dies habe für den Osten dramatische Folgen.
Für den haushaltspolitischen Sprecher der Bundestags-Grünen, Oswald Metzger, muss die Reform der BA zu deutlicher Kostensenkung genutzt werden. "Als Ziel sind 20 Prozent Einsparungen bei den direkten und indirekten Mitteln für den Arbeitsmarkt ganz sicher zu erreichen", sagte Metzger der "Leipziger Volkszeitung". Die Gelder sollten zur Senkung der Lohnzusatzkosten verwendet werden.
Die CDU-Sozialausschüsse (CDA) forderten unterdessen den Rücktritt von Arbeitsminister Riester. Sie begründeten ihre Forderung mit dem Hinweis auf dessen politische Verantwortung für das Versagen der BA.