Terror-Gold Die Goldstraße der al-Qaida
Sie wanderten nachts und schliefen tagsüber. Sie hinterließen keine Spuren und benötigten keine Banken. Mit einem ausgeklügelten System von Kurieren und Vertrauensleuten brachten al-Qaida-Anhänger im vergangenen November und Dezember Goldbarren im Wert von vielen Millionen Dollar in Sicherheit und verteilten den Gegenwert an Mittelsmänner in der ganzen Welt. Experten befürchten, dass das Geld schon auf dem Weg zu seinem nächsten Einsatzort ist - um neue Anschläge vorzubereiten.
Den Weg des Geldes zu verfolgen, wächst sich für die Fahnder zu einer Sisyphosarbeit aus. Doch nach Monaten der Kleinarbeit haben sie inzwischen ein Bild von den Finanzierungsmethoden der Terrororganisation zusammengepuzzelt, so berichtet die US-Zeitung "Washington Post". In einem Punkt sind sie sich bereits völlig sicher: Das Finanzrückgrat der al-Qaida besteht aus purem Gold.
Niemand stellt Fragen
In unzähligen Befragungen in Pakistan, den Vereinigten Arabischen Emiraten, in Europa und den USA spürten die Fahnder dem Goldtreck nach. Die Informationen kamen von Geheimdienstmitarbeitern, Polizisten, Goldhändlern und nicht zuletzt von verdeckten Ermittlern, die genaue Kenntnisse über das System der al-Qaida besitzen.
Tatsächlich, so scheint inzwischen festzustehen, spielte Gold in der Terrororganisation schon vor den Anschlägen vom 11. September eine zentrale Rolle. Die Gründe dafür erscheinen einleuchtend: Gold ist eine weltweit gültige Währung, kann eingeschmolzen und zu unauffälligem Schmuggelgut verarbeitet werden - und niemand stellt Fragen, woher es kommt.
Die wertvolle Fracht wurde von den Taliban- und al-Qaida-Kämpfern auf verschiedenen Wegen quer durch Pakistan bis nach Karatschi geschleust. Dann kam das so genannte Hawala-System zum Einsatz, dessen Wege für Ermittler kaum nachzuzeichnen sind. Von Karatschi gelangte der Gegenwert des Goldes bis in die entferntesten Winkel der Erde.
Täglich zwei bis drei Millionen Dollar
Hawala ist so simpel, dass es die Fahnder zur Verzweiflung bringt. Nach diesem System wandert Geld nicht mehr von Hand zu Hand, sondern wird sozusagen bargeldlos transferiert. Anders als bei Banken, wo Formulare Rechtssicherheit geben, basiert das System auf unbedingtem Vertrauen. Verschiedene Händler in Karatschi erhalten Geld und telefonieren mit Freunden in dem Land, wo das Geld ausgezahlt werden soll. Ausgeglichen werden die Schulden erst später oder wenn eine Überweisung in die umgekehrte Richtung erfolgt. Auf diese Weise gelangte das Gold der al-Qaida auch zu Kämpfern in den Vereinigten Staaten.
Die Fahnder schätzen, dass täglich zwei bis drei Millionen Dollar zunächst in die arabische Hafenstadt Dubai verschoben wurden. Allein in der letzten Novemberwoche 2001 seien rund zehn Millionen Dollar aus Afghanistan herausgeschleust worden. Die Kuriere waren beileibe nicht nur einfache Eseltreiber. Zu ihnen gehörte etwa auch der Generalkonsul der Taliban in Karatschi, Kaka Zada. Zwei Zeugen, die ihm bei der wertvollen Fracht halfen, sagten aus, er haben mindestens 600.000 Dollar bei sich gehabt.
"Ein Paradies für Schmuggler und Geldwäscher ist Dubai, weil dort eine besonders willfährige Blindheit herrscht", sagt ein US-Ermittler gegenüber der "Washington Post". In Dubai sei einer der größten und am wenigsten regulierten Goldmärkte angesiedelt. Ermittler hätten da kaum eine Chance, eine Spur direkt zu verfolgen.
"Ich bin ein sehr gläubiger Mensch"
Auch die Bankenszene kann sich in Dubai frei entfalten. Im Vergleich zu den übrigen Scheichtümern in den Vereinigten Arabischen Emiraten gibt es hier fast kein Regeln für die Dokumentierung von Geldbewegungen. So entwickelte sich die Hafenstadt zum zentralen Umschlagplatz für die al-Qaida-Millionen. Ermittler sind überzeugt, dass auch die 500.000 Dollar, die schätzungsweise für die Anschläge auf das World Trade Center benötigt wurden, ihren Weg über Dubai genommen haben. "Alle Wege führen nach Dubai, jeder machte seine Geschäfte hier", sagt Patrik Jost, einer der Finanzfachleute in der Fahndungsabteilung des US-Finanzministeriums.
Zu den größten Geschäftemachern mit der al-Qaida gehört nach Überzeugung der Fahnder die Firma ARY-Gold, einer der größten und geheimnisumwittertsten Gold- und Juwelenhändler in ganz Dubai. Deren Chef Abdul Razzak streitet das natürlich energisch ab: "Ich bin ein sehr gläubiger Mensch, aber mein ganzes Leben habe ich große Angst vor den Gotteskriegern wie den Taliban gehabt." Doch dann ergänzt er: "Wenn Sie hundert Kilo Gold haben wollen, besorge ich Sie Ihnen innerhalb von zwölf Stunden. Was Sie damit machen, ist Ihre Sache."