EU-Kommission Fällt die Händlerbindung?
Straßburg Für die Autohändler in Europa könnte sich schon bald einiges gravierend ändern. Denn die Europäische Kommission will die Bindung zwischen den Autoherstellern und ihren Händlern lockern. EU-Wettbewerbskommissar Mario Monti bekräftigte am Dienstag in Straßburg seinen Plan zur Änderung der bisherigen Vertriebsrichtlinien für den Verkauf von Neuwagen.
Danach sollten Autohändler künftig auch Verkaufsbüros in anderen EU-Staaten eröffnen und dort Verträge zu den Preisen ihres Heimatlandes schließen dürfen. Monti will damit den Wettbewerb im Fahrzeughandel und im Kundendienst verbessern. Er schränkt jedoch ein, dass Hersteller entscheiden können sollten, ob sie weiterhin ein Alleinvertriebsnetz oder ein neues Selektivvertriebsnetz unterhalten wollten. Wie zu erwarten stießen Montis Pläne bei Industrie, Arbeitnehmervertretern und Politik stießen die Vorschläge Montis erneut auf Kritik.
Preisunterschiede verdeutlichen
Wenn es nach den Plänen von Monti geht, sollen auch Supermärkte würden künftig Autos anbieten können. Zudem wolle die Kommission den Verbrauchern ermöglichen, mehr von den Preisunterschieden zwischen den einzelnen EU-Staaten zu profitieren. "Ein VW-Händler aus Amsterdam könnte zum Beispiel in Großbritannien ein Verkaufsbüro eröffnen und dort einen VW Golf zu dem 23 Prozent geringeren niederländischen Preis verkaufen", sagte Monti.
Die Kommission erklärte zunächst nicht, unter welchen Umständen Autohersteller auch künftig am Alleinvertriebssystem festhalten können. Eine zunächst geplante und von der Autoindustrie besonders kritisierte Regelung, wonach nur Hersteller mit einem Marktanteil von mehr als zehn Prozent ihren Händlern mehr Freiheit geben müssen, war in einer Erklärung der Kommission nicht enthalten.
Mit dem in seinen Grundzügen zuvor schon bekannt gewordenen und nun detailliert vorgelegten Plan zu den künftigen Regelungen für den Autohandel in Europa will EU-Kommissar Monti die so genannte Gruppenfreistellungsverordnung (GVO) ablösen. Diese genehmigte es den Automobilkonzernen bisher, exklusive Vertriebs- und auch Service-Stationen an vorgeschriebenen Standorten zu unterhalten. Das Konzept war vor allem von der Autoindustrie kritisiert worden, da sie eine Verzerrung des Wettbewerbs und eine Verschlechterung der Qualität bei Autohandel und -reparatur sehen.
Autoindustrie sowie Gewerkschaften lehnten Montis GVO-Nachfolgeregelung erneut ab, und auch Bundeskanzler Gerhard Schröder reagierte mit deutlicher Kritik. Der Entwurf der EU-Kommission sei eine "vollkommen unakzeptable Lösung", hieß es beim Verband der Autoindustrie (VDA). "Denn er richtet sich gegen die Interessen der Verbraucher und führt zum Verlust tausender von Arbeitsplätzen im mittelständisch strukturierten Automobilhandel", sagte VDA-Präsident Bernd Gottschalk.
Der harte Wettbewerb in der Branche habe die Preise für Neuwagen bereits sinken lassen und die Gewinnmargen kräftig gedrückt, hieß es. An Stelle der Öffnung der Händlernetze wäre für eine Angleichung der Autopreise in Europa nach Ansicht des VDA vielmehr eine Harmonisierung der Verkaufssteuern notwendig.
Wettbewerbsnachteile in Deutschland
Bundeskanzler Schröder hatte noch am Nachmittag die Pläne der EU zur Neuregelung des Autohandels in Europa angegriffen. "Die Zerstörung der Gruppenfreistellungsverordnung würde enorme Wettbewerbsnachteile für die deutsche Automobilindustrie mit sich bringen", sagte er bei der Eröffnung des neuen Opel-Werkes in Rüsselsheim.
"Gelegentlich haben wir den Tatbestand, dass in Brüssel zu wenig an industrielle Produktionen gedacht wird und geglaubt wird, man könne nur von Dienstleistung leben", setzte Schröder seine Kritik in ungewöhnlich scharfer Form fort. Deutschland könne es sich nicht leisten, durch solche Maßnahmen auf dem
Arbeitsmarkt noch stärker in Schwierigkeiten zu geraten. Die EU solle die Auswirkungen der Reform noch einmal überdenken.
Abbau von Arbeitsplätzen droht
Auch die IG Metall bekräftigte ihre ablehnende Haltung zu den Plänen Montis. Bis zu 100.000 Arbeitsplätze bei mittelständischen Händlern gerieten durch das EU-Konzept in Gefahr, hieß es. IG-Metall-Vorstandsmitglied Achim Rhode sagte in Frankfurt, je mehr das bisherige Regelwerk seinen Schutzcharakter für kleinere Händler verliere, desto mehr bauten die großen Autohersteller ihren Direktvertrieb aus. "Viele mittelständische Unternehmen werden vernichtet, weil jetzt erst recht die Großen die Kleinen fressen werden."