VW Langer Atem
Wolfsburg - Der Seat-Absatz sank in Westeuropa im Vergleich zum Vorjahr (bis Mai) um vier Prozent, meldet die "Financial Times Deutschland" in ihrer Montagsausgabe. In Deutschland brach der Verkauf regelrecht ein. In den ersten vier Monaten seien über 22 Prozent weniger Fahrzeuge abgesetzt worden. Insgesamt wurden im vergangenen Jahr in den Seat-Werken 516.146 Autos hergestellt. Diese Rekordmarke werde 2001 höchstwahrscheinlich nicht übertroffen, hieß es.
Auslöser für den Rückgang ist die umfangreiche Restrukturierung. Seat-Chef und Ex-BMW-Lenker Bernd Pischetsrieder will nach BMW-Vorbild die so genannte Pull-Strategie bei der spanischen VW-Tochter einführen. Die Pull-Strategie bedeutet: Fahrzeuge werden nur noch auf Bestellung und nach den Wünschen der Kunden produziert. Das Vertriebsnetz werde deshalb umgebaut und drastisch verkleinert, schreibt die "Financial Times Deutschland".
Bisher habe Seat Autos hergestellt, die dann vom Händler an den Kunden gebracht wurden. Diese Push-Strategie habe zur Folge gehabt, so die "Financial Times Deutschland", dass die Verkäufer oft Preisnachlässe geben mussten, da sie nicht alle Kundenwünsche erfüllen konnten.
Skoda hängt Seat ab
Innerhalb der VW-Familie wird Seat mehr und mehr zum schwarzen Schaf. Die tschechische Tochter Skoda hat die spanische Schwester längst überholt und gilt mittlerweile als attraktive Einstiegsmarke mit günstigen Produkten. Die Umsatzrendite von Seat liegt laut "Financial Times Deutschland" bei 2,4 Prozent, Skoda schafft 2,7 Prozent.
Der Mutterkonzern habe deshalb Seat nur drei Milliarden Mark für Investitionen bis 2005 zugebilligt, Skoda erhält 3,9 Milliarden Mark.
Pischetsrieder setzt auf Emotionen
Pischetsrieder will Seat in Zukunft ein emotionaleres Image geben und gegen Alfa Romeo positionieren. Für ihn arbeitet bereits der Alfa-Designer Walter da Silva. Doch das Hauptproblem für Seat ist der Bekanntheitsgrad. Lediglich 20 Prozent der Deutschen kennen die Marke.
Zudem hat sich Pischetsrieder mit seinen Händlern in Deutschland auseinander zu setzen. Anfang des Jahres war 650 Seat-Händlern in Deutschland gekündigt worden, 100 von ihnen gehen dagegen vor. Nach VW-Plänen sollen 450 Seat-Händler bleiben, die nicht mehr nur nach Zahl der verkauften Fahrzeuge, sondern auch nach Service bezahlt werden. Dies sei mit ein Grund dafür, dass die Verkaufszahlen auf dem profitablen deutschen Markt einbrachen, schreibt die "Financial Times Deutschland".
Analyst: Langer Atem erforderlich
Weil Pischetsrieder in Spanien offen über die Probleme gesprochen habe, seien sofort Gerüchte über einen Verkauf der Marke aufgekommen. Doch die Spekulationen wurden umgehend zurückgewiesen. Ein Verkauf würde nichts bringen, meint auch ein Autoanalyst. "Aus Seat kann eine Gewinn bringende Marke werden, wenn VW einen langen Atem hat und der Marke noch einmal fünf Jahre Zeit gibt", sagte Peter Schmidt der "Financial Times Deutschland".
Als Beispiel wird Audi angeführt. Die Marke brauchte 20 Jahre, um sich von einer Massenmarke zu einem ernsthaften Konkurrenten für BMW zu entwickeln.
VW übernahm Seat 1986. Nach zehn Jahren fuhr die Marke endlich aus der Verlustzone.