Werhahn Fluch des Erfolgs
In den seltenen Momenten, wenn die Zufriedenheit über den guten Gang der Geschäfte einer skeptischen Analyse des Portfolios wich, pflegten sich die drei Familienmitglieder im Vorstand der Firmengruppe Werhahn jene entscheidende Frage zu stellen, die allen Veränderungen vorangeht: Machen wir weiter? Und geben mehr Gas? Oder lassen wir's bleiben und zwar ganz?
Die Überlegungen, die die rheinischen Vettern Anton, Michael und Wilhelm Werhahn gemeinsam mit Vorstandssprecher Joachim Gerhard und Vorstand Günter Jung anstellten, drehten sich ausschließlich um die lukrativste Sparte, den Finanzdienstleister AKB.
Der größte herstellerunabhängige Autofinanzierer der Bundesrepublik (800.000 Kredite im Wert von neun Milliarden Mark) ist der Unternehmerdynastie über den Kopf gewachsen.
Nein, nicht finanziell, auch nicht nach strengster Risikoanalyse. Die AKB verkauft (forfaitiert, wie die Experten sagen) einen Teil ihrer Forderungen gleich wieder an Dritte. So wird aus einem zuweilen gefährlichen Geschäft ein harmloses.
Trotzdem passen die Werhahns und die AKB-Bank nicht zusammen, schon in emotionaler Hinsicht. Ein Institut, das Autos und Motorräder anderer Leute finanziert, ist der konservativen Sippe wesensfremd.
Das Motiv, in diese Branche einzusteigen, entsprang einst keineswegs der Suche nach neuen Ertragsquellen. Familienoberhaupt Heribert Werhahn, inzwischen verstorben, hatte 1988 die Kölner AKB erworben, weil die über einen steuerlichen Verlustvortrag von 90 Millionen Mark verfügte.
Heribert und weitere 180 Werhahn-Gesellschafter ahnten damals nicht, wie schnell sich das Geschäft unter Leitung des ehrgeizigen AKB-Vorstandsvorsitzenden Franz Josef Hentrei entwickeln würde. Der tüchtige Mann war einfach nicht zu bremsen. Die AKB betreibt heute eine Internet-Autobörse, sie vermittelt Versicherungen und bewirbt sich sogar um eine Banklizenz in Polen.
Das weitere Wachstum der Gruppe scheint vorbestimmt. 2002 läuft die so genannte Gruppen-Freistellungsverordnung aus, bisher die rechtliche Grundlage für den herstellerabhängigen Autovertrieb in Europa.
Zu diesem Zeitpunkt wird sich auch die Verbindung zwischen Händlern und den fabrikeigenen Teilzahlungsbanken lockern. Die AKB-Gruppe, die heute vor allem Importautos finanziert, kann nur profitieren.
Kurz, bei der ungeliebten Tochter stehen alle Zeichen auf Expansion - für die eigenwilligen Werhahns Grund genug zum Ausstieg. Sie beauftragten die Investmentbank Lehman Brothers, mit potenziellen Käufern zu verhandeln.
Interessenten soll es mehr als genug geben. Die Wilh. Werhahn KG wird wohl zwei bis drei Milliarden Mark für die AKB bekommen - Geld, das die Gesellschaft aber nicht braucht. Die Firma ist übersolide. Ihre Eigenkapitalquote beträgt 56 Prozent. Drei Milliarden Mark obendrauf zu legen macht keinen Sinn.
So stellt der Rückzug aus der AKB dem fünfköpfigen Werhahn-Vorstand unter seinem künftigen Sprecher Norbert Wiemers , der Anfang 2001 den amtierenden Gerhard ablöst, eine anspruchsvolle Folgeaufgabe. Das Gremium muss den Milliardenerlös sinnvoll investieren.
Aber wo: New Economy, E-Commerce, Biotechnologie? Über diese Frage haben die Werhahns noch nicht entschieden.
Heide Neukirchen