Börsenprofi Robert Halver zeigt Warum US-Aktien europäische Papiere derzeit deklassieren

Die USA sind von den aktuellen geopolitischen Krisenfaktoren schon geographisch weniger betroffen. Zusätzlich sorgen ausbleibende Lösungen in puncto Terrorbekämpfung oder Flüchtlingskrise für politische Zerfallserscheinungen Europas, die in einem Austritt Großbritanniens aus der EU ihren vorläufigen Höhepunkt finden könnten.
Selbst die üppigste Geldpolitik der EZB hat sich mittlerweile als unfähig erwiesen, die hartnäckige Konjunkturkrise der Eurozone zu mildern. In Europa fehlt das passende Gegenstück, das in den USA längst einen fruchtbaren Nährboden für Investitionen bereitet hat, nämlich Wettbewerbs- bzw. Reformfähigkeit.
Somit können die USA mit einer Renaissance als Industrie- und Exportnation ihren Wirtschaftsmakel als reine Konsumnation zunehmend bereinigen.
Vor diesem Hintergrund ist die relative Outperformance der USA gegenüber der Eurozone, die sich nicht zuletzt fundamental in einer relativen Gewinnstärke zeigt, begründet.
Kursaufschwung in Brasilien - ein One-Hit-Wonder

Trotz einer schweren Rezession befinden sich brasilianische Aktien seit ihrem 7-Jahres-Tief im Januar mit Kursgewinnen von über 40 Prozent eindeutig im Bullenmarkt.
Der rohstofflastige Bovespa-Aktienindex, in dem zu rund 40 Prozent Öl-, Stahl- und Industriemetall-Titel vertreten sind, profitiert vor allem von der Preisstabilisierung bei Rohstoffen. Leider ist diese Entwicklung ein One-Hit-Wonder.

Robert Halver ist Leiter der Kapitalmarkt-analyse der Baader Bank AG und bekannt durch regelmäßige Medienauftritte und als Kolumnist. Mit Wertpapieranalyse beschäftigt er sich seit über 20 Jahren.
Denn Brasilien hat es grob fahrlässig verpasst, die früher satten Einnahmen aus der Zeit hoher Rohstoffpreise zur Modernisierung der Infrastruktur und zum Aufbau einer breiter aufgestellten Volkswirtschaft zu verwenden. Das Land braucht eine marktwirtschaftliche Revolution und ein Bekenntnis zur Wettbewerbsfähigkeit, um nachhaltig wachsen zu können.
Ansonsten bleiben das Land und sein Aktienmarkt ein Spielball der Rohstoffmärkte. Immerhin bieten sich hierzu im Zusammenhang mit der Amtsenthebung von Präsidentin Rousseff interessante wirtschaftspolitische Chancen.
Ölpreis - Tiefpunkt erreicht?

Der ruinöse Preiskampf um Marktanteile beim Rohölverkauf zwischen den Erzfeinden Saudi-Arabien und Iran verhindert eine dem Allgemeinwohl der OPEC dienende Einfrierung der Ölförderung. Damit schadet die OPEC ihrer Glaubwürdigkeit und ihrer zukünftigen Preissetzungsmacht. Sie ist kein Tiger mehr. Man kann ihn zwar noch tanken, aber beißen kann er nicht mehr.
Nach der letzten Öl-Rallye sind daher erneut nachgebende Notierungen möglich. Eine markante Preisschwäche droht jedoch nicht. Außerhalb der OPEC hat man verstanden, dass es sich nicht mehr lohnt, zu jedem Preis jedes Bohrloch sprudeln zu lassen. Zudem geben die abebbende Zinserhöhungsrhetorik der Fed und damit verbunden die Schwächung des US-Dollars dem Ölpreis wegen traditionellem Gegenlauf Auftrieb.
Umgekehrt ist ebenso kein massiver Preisanstieg zu befürchten. Eine weltkonjunkturelle Erholung lässt zwar die Rohstoffnachfrage anziehen. Doch ab einem Ölpreis von 60 Dollar pro Barrel wird Fracking als Alternative zu konventionellem Öl wieder hoch attraktiv. Zum Jahresende ist bei Öl der Sorte Brent ein Preis von etwa 50 Dollar zu erwarten.
Deutsche Aktien - Gewinnperspektiven werden besser

Die Risikofaktoren für deutsche Aktien aus dem ersten Quartal haben deutlich an Brisanz verloren. Höhere Rohstoffpreise stärken die Kaufkraft der Schwellenländer zugunsten der deutschen Exportindustrie. Für eine Beruhigung der deutschen Anlegerpsychologie sorgt vor allem die Entspannung der Krisenängste um die chinesische Wirtschaft.
Im besonderen Fokus steht dabei das Ende des Kursverfalls des Shanghai Composite Aktienindex, der von ausländischen Investoren in Ermangelung aussagekräftiger, weil staatlich geschönter chinesischer Konjunkturdaten als Näherungslösung eines Konjunkturbarometers herangezogen wird.
Selbst den erstarkten Euro können deutsche Aktien gut parieren, der abseits des mentalen Kopfkinos der Anleger in der Realität ohnehin ein weniger starker Belastungsfaktor ist. Insgesamt werden sich damit auch die zuletzt verhaltenen Gewinnperspektiven der deutschen Industrie aufhellen.
Japanische Aktien - Bank of Japan hilft nicht mehr

Die Aufwertung des Yen belastet Japans Exportwirtschaft dramatisch. Durch weltweit überall fallende Zinsen hat das Land seinen Niedrigzinsvorteil gegenüber anderen Währungsräumen verloren. Dadurch hat sich der klassische japanischen Carry Trade - zinsgünstige Geldaufnahme in Yen und -anlage in höherverzinslichen ausländischen Währungen - mittlerweile sogar umgekehrt: Kapitalzuflüsse nach Japan trotz unattraktiven, da negativen - aber im Vergleich zur ausländischen Konkurrenz "höheren" - Renditen japanischer Staatspapiere führen über Kursgewinne zu einer Befestigung des Yens.
Angesichts eines globalen Währungsabwertungswettlaufs hat die japanische Notenbank ihr Pulver verschossen: Nationale geldpolitische Lockerungen bewirken keine nachhaltige Yen-Abschwächung mehr. Damit ist der japanische Aktienindex Nikkei 225 im Vergleich zu anderen exportorientierten Leitindizes weniger attraktiv. Das fundamentale Wohl und Wehe japanischer Aktien hängt stärker denn je von einer konsequenten Förderung der darbenden Binnenkonjunktur ab.