Marleen Gründel

Der Donnerstag im Überblick Das jähe Ende eines Zweirad-Hypes

Jeden Abend fassen wir die wichtigsten Wirtschaftsnews des Tages zusammen. Heute mit dem Apple der Fahrradbranche, dem Moloch der Eisenbahner und dem Sparzwang eines Autobauers.

Liebe Leserin, lieber Leser,

die Geschichte des E-Bike-Herstellers Vanmoof ist eine der größten Wachstumsstorys, die die Branche seit Langem gesehen hat. Die Brüder Ties und Taco Carlier inszenierten ihr 2009 gegründetes Elektro-Start-up gern als "Apple der Fahrradbranche". "Wir erfinden, gestalten und überarbeiten jede Komponente des Fahrrads neu. Das hat es noch nie gegeben", prahlte Gründer Taco Carlier nach der letzten großen Finanzierungsrunde.

Bei Kundinnen und Investoren sorgten die beiden mit dem minimalistischen Design und den digitalen Features lange Zeit für einen regelrechten Hype. Mehr als 170 Millionen Euro sammelten sie bei Kapitalgebern ein, sogar die "New York Times" schrieb von "einer der heißesten Fahrrad-Brands weltweit".

Umso überraschter waren auch unsere Kollegen Anna Driftschröer und Lutz Reiche, als sie Anfang des Jahres von der Beinahepleite des Shootingstars hörten. Sie haben recherchiert, mit Insidern und Experten gesprochen und interne Finanzberichte ausgewertet. Herausgekommen ist eine Geschichte über einen Fahrradhersteller, der mit seinem Anfangstempo nicht Schritt halten konnte, sich mit seiner Strategie selbst ausbremste und die Kundschaft mit miesem Service enttäuschte. Profitabel war die Firma sowieso noch nie, im Gegenteil. Aber lesen Sie selbst: "Der Schlingerkurs des Fahrrad-Start-ups Vanmoof." 

Hip und minimalistisch: Wegen des prägnanten Designs und der digitalen Features wurden die Räder der Vanmoof-Gründer Taco (l.) und Ties Carlier über Jahre gehypt – doch dann kam der Absturz

Hip und minimalistisch: Wegen des prägnanten Designs und der digitalen Features wurden die Räder der Vanmoof-Gründer Taco (l.) und Ties Carlier über Jahre gehypt – doch dann kam der Absturz

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Die Wirtschaftsnews des Tages:

  • Ola Källenius schickt Brandbrief: Eigentlich könnte der Mercedes-Benz-Chef mehr als zufrieden mit sich und seiner Performance sein. Der Autobauer verbuchte für 2022 einen Rekordgewinn von rund 20 Milliarden Euro, und das trotz Energiekrise, Chipmangel und gestiegener Rohstoffpreise. Doch das liegt offenbar nicht in seiner Mentalität. Stattdessen fordert Ola Källenius alle Führungskräfte in einer Art Brandbrief, der meinen Kollegen Margret Hucko und Michael Freitag vorliegt, zum eisernen Sparen auf.  Zitat: "Jetzt nicht nachlassen." Schließlich will der CEO seine Zielmarke von rund 200 Milliarden Euro Börsenwert auch erreichen, wie Sie auch in unserer aktuellen Titelgeschichte gern noch einmal nachlesen können. 

  • Deutsche Bahn verharrt im Minus: Die Deutsche Bahn ist auch im vergangenen Jahr nicht aus den roten Zahlen heraus gekommen. Unter dem Strich stand ein Minus von 230 Millionen Euro, nach 900 Millionen Euro im Vorjahr. Ohne die Speditionstochter Schenker wäre der Verlust wohl noch größer ausgefallen. Vorstandschef Richard Lutz verspricht Besserung – auch dank der gerade beschlossenen frischen Staatsmilliarden für den Infrastrukturausbau. Doch ohne eine radikale Reform des Staatsunternehmens wird das nichts, wie mein Kollege Michael Machatschke in seinem aktuellen Kommentar schreibt.

  • Inflation verliert an Tempo: Die Inflationsrate ist im März von 8,7 Prozent im Vormonat auf 7,4 Prozent gesunken. Das lag vor allem an niedrigeren Benzin- und Heizölpreisen. Allerdings spielt hier auch der Basiseffekt eine Rolle: Mit dem Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine schossen die Energiepreise in die Höhe, nun werden sie erstmals mit den erhöhten Preisen verglichen. Die Kerninflation, bei der die stark schwankenden Energie- und Nahrungsmittelpreise herausgerechnet sind, ist dagegen im vergangenen Monat weiter gestiegen.

Die Personalien des Tages:

  • Rivian wildert bei Mercedes: Eigentlich wollte das US-Start-up gemeinsam mit Mercedes-Benz elektrische Vans bauen. Doch das geplante Joint Venture platzte kurzfristig, Rivian sagte die Partnerschaft angesichts der prekären finanziellen Situation ab. Nun holt sich das Unternehmen zumindest personell Hilfe aus Stuttgart: Der langjährige Mercedes-Manager Martin Hülder soll ab April das Europa-Geschäft aufbauen, wie meine Kollegen Margret Hucko und Christoph Seyerlein erfuhren. 

  • Bosch trennt sich von Pionierin: In der 134-jährigen Geschichte des Bosch-Konzerns war Filiz Albrecht die erste Frau, die es bis in die Geschäftsführung brachte. Jetzt verlässt sie das Unternehmen aus persönlichen Gründen.

Was uns sonst noch beschäftigt hat:

  • Die Gleichstellung in Familienunternehmen: In keinem anderen Land Europas gibt es so viele erfolgreiche Familienunternehmen wie in Deutschland. Insgesamt 78 deutsche Firmen sind im Global Family Business Index vertreten, dem Ranking der 500 umsatzstärksten Familienunternehmen der Welt, das jährlich von der Universität St. Gallen und der Unternehmensberatung EY herausgegeben wird. Allerdings haben diese Firmen erheblichen Nachholbedarf bei der Besetzung von Boardsitzen mit weiblichem Führungspersonal und drohen hier, den Anschluss zu verlieren, wie unsere Kollegen vom Harvard Business manager schreiben.  

Meine Empfehlung für den Abend:

Manchmal analytisch und überzeugend, oft despotisch und cholerisch: der langjährige Cewe-Dompteur Rolf Hollander

Manchmal analytisch und überzeugend, oft despotisch und cholerisch: der langjährige Cewe-Dompteur Rolf Hollander

Foto: PR
  • Chaostage bei Cewe: Erinnern Sie sich noch an die Zeit, als Sie nach einem Urlaub tagelang auf die Fotoabzüge aus dem Labor warten mussten und dafür dann mal eben 100 Mark berappen mussten? Und dann das Zittern beim Durchschauen, ob wirklich alle der verschossenen Fotos auch wirklich was geworden sind? Für mich ist diese Zeit auch untrennbar mit Unternehmen wie Kodak, Polaroid und Cewe verbunden. Doch während erstere den Sprung ins digitale Zeitalter verpasst haben und inzwischen pleite sind, ist Cewe größer und profitabler als je zuvor. Das ist vor allem auch ein Verdienst von Rolf Hollander, der mehr als zwei Dekaden lang an der Spitze des Oldenburger Unternehmens stand. Der einstige Vorstandschef kann allerdings nicht loslassen und stürzte Cewe damit in eine bizarre Führungskrise. Mein Kollege Dietmar Palan berichtet über einen erfolgreichen Mittelständler, der mit nachlässig aufgesetzten Nachfolgestrukturen seine Hochglanz-Zukunft gefährdet. 

Herzliche Grüße und einen schönen Feierabend, Ihre Marleen Gründel

Haben Sie Wünsche, Anregungen, Informationen, um die wir uns journalistisch kümmern sollten? Wir freuen uns auf Ihre Post unter chefredaktion@manager-magazin.de .

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