Eva Buchhorn

Der Tag im Überblick Cannabis für alle

Liebe Leserin, lieber Leser,

jeden Abend fassen wir die wichtigsten Wirtschaftsnews des Tages zusammen. Heute mit Attacken aus der Stakeholder Economy, einer Billionenbewertung für Tesla und Medikamenten für die ewige Jugend.

In Hamburg-Pöseldorf arbeitet eine Rechtsanwältin, die sich eigentlich - so sagt sie es selbst - nur ungern streitet. Doch Roda Verheyen, so heißt die promovierte Expertin für Völkerrecht, hat zugleich eine Mission, die strittige Auseinandersetzungen nötig macht: Verheyen will Unternehmen mit juristischen Mitteln zu mehr Klimaschutz zwingen. Aktuell bereitet sie eine Klage gegen den Volkswagen-Konzern vor: CEO Herbert Diess und sein Vorstand sollen nach 2029 keine Diesel- und Benzinautos mehr verkaufen. Als ich sie in ihrer Kanzlei besuchte, hat sie - freundlich, aber bestimmt - keinen Zweifel daran gelassen, dass sie die Klage einreichen wird. Was sie da mache, sei "kein Spiel".

Die in Wirtschaftskreisen ob ihrer Konsequenz inzwischen regelrecht gefürchtete Klimaklägerin ist eine prominente Vertreterin einer breiten Bewegung von Anspruchstellern, die vereint unter dem Schlachtruf ESG (Environment, Social, Governance) Unternehmensführer unter Druck setzen. Mitarbeiter, Kunden, Politik und Nichtregierungsorganisationen bringen ihre Anliegen immer lauter und oft auch konträr zu Gehör, in völlig neuer Allianz mit den mächtigen Investoren. In der "Stakeholder Economy" gehört öffentliches Dauerfeuer zum Alltag, die Managerinnen und Manager müssen damit umgehen lernen. Wie sie sich wappnen und wie sich das Anforderungsprofil insbesondere an den CEO-Job verändert hat, haben mir Topführungskräfte berichtet. Hier habe ich es für Sie aufgeschrieben.  

Sinnbild der Stakeholder Economy: Fridays for Future-Aktivistin Luisa Neubauer setzt auf den Druck der Straße.

Sinnbild der Stakeholder Economy: Fridays for Future-Aktivistin Luisa Neubauer setzt auf den Druck der Straße.

Foto: Frank Hoermann / SVEN SIMON / ddp images

Die Wirtschaftsnews des Tages:

  • Über die Bestellung von 100.000 Teslas durch den US-Autovermieter Hertz hatten wir gestern berichtet und gemutmaßt, dass man sich bei Tesla noch sehr lange an diesen besonderen Montag erinnern werde. Aus heutiger Sicht müssen wir uns da nicht korrigieren, im Gegenteil: Es ging gleich historisch weiter für den Elektroauto-Hersteller aus Palo Alto. Die Ankündigung von Hertz ließ die Börse durchdrehen, Tesla ist jetzt eine Billion Dollar wert, mehr als die neun nächstgrößeren Autohersteller zusammengenommen. Nicht dass CEO Elon Musk diese Bewertung nicht selbst schon einmal prophezeit hatte - doch dass es so schnell ging, findet selbst er "merkwürdig".

  • Mit dem gewissen Quäntchen Verrücktheit bezirzt auch der deutsche Selfmade-Milliardär Christian Angermayer seine Investoren. Sein US-Startup Cambria erforscht Therapien gegen das Altern; man könnte sagen, Angermayer will den Weg zur ewigen Jugend weisen. Hollywood-Star Uma Thurman gefällt das, sie ist als Co-Investorin eingestiegen. In einer Finanzierungsrunde sammelte Cambria heute weitere 100 Millionen Dollar ein. Damit will Angermayer nun in die klinische Erprobung seiner Medikamente gehen.

  • Die hochverschuldete Immobiliengruppe Adler will sich von weiteren Wohnungen trennen. Über den Verkauf von rund 14.000 Wohneinheiten im Wert von einer Milliarde Euro hat sich das Unternehmen mit einen Investmentfonds geeinigt, wie es heute mitteilte. Schon zuvor hatte es angekündigt, mehr als 15.000 Wohnungen an LEG Immobilien zu verkaufen. Die Adler Group war jüngst unter Beschuss des Leerverkäufers und Börsenspekulanten Fraser Perring geraten, der 2016 durch seine Attacken auf Wirecard bekannt geworden war.

  • Die Deutsche Bank streicht das Filialnetz ihrer Marke Postbank schneller zusammen als geplant. Bis Ende 2023 sollen 200 Filialen geschlossen werden, vor allem in Städten. 100 Schließungen werden vorgezogen. Dank des Wechsels vieler Kunden ins Internet müssen 550 Kontaktpunkte künftig reichen, halb so viele wie früher.

Was uns sonst noch beschäftigt hat:

  • Facebook-CEO Mark Zuckerberg, in der Kritik wegen nachgewiesener Gefahren seines Netzwerks für die Psyche von Teenagern, will die Dienste seines Netzwerks künftig noch stärker auf junge Menschen ausrichten. "Ältere Leute", also solche über 29 Jahre, spielen bei den Wachstumsplänen keine Rolle mehr, sagte er heute im Gespräch mit Analysten. Die Jungen will er mit Milliardeninvestitionen in eine virtuelle Welt anlocken. Die Aktie legte zu, hauptsächlich wegen eines ebenfalls angekündigten Aktienrückkaufs.

  • Wenn ein Versicherungsvorstand aus dem Sparkassenlager den Job wechselt, klingt das vielleicht nicht auf Anhieb nach einem Aufreger. Im Fall von Thomas Niemöller, ehemaliger IT-Vorstand der Provinzial-Versicherung, stellt sich das anders dar. Hinter seinem Überlaufen zur Dortmunder Continentale-Gruppe verbirgt sich eine Räuberpistole. Es geht um Scheinselbständigkeit und Schwarzgeld - mein Kollege Dietmar Palan weiß mehr.  

Entspanntes Warten: Mit der Legalisierung von Cannabis könnten Käuferschlangen, wie hier in Kanada, bald auch in deutschen Städten zu sehen sein.

Entspanntes Warten: Mit der Legalisierung von Cannabis könnten Käuferschlangen, wie hier in Kanada, bald auch in deutschen Städten zu sehen sein.

Foto:

Eckhard Stengel / IMAGO

Meine Empfehlung für den Abend:

  • Wenn die Ampel-Koalitionäre sich auf ein Regierungsprogramm einigen, könnten sie unter anderem einen ganz neuen Markt schaffen - für den Cannabis-Anbau. SPD, FDP und Grüne wollen die Produktion des Rauschmittels in Deutschland kontrolliert legalisieren. Entstehen könnte ein Milliardenmarkt, der auch neue Steuern erwirtschaftet. Falls Sie sich jetzt fragen, wo das ganze Gras denn so plötzlich herkommen soll und ob Sie eventuell selbst noch miteinsteigen könnten, lege ich Ihnen die Recherche meines Kollegen Arvid Kaiser ans Herz.

    Er hat sich in der Szene umgeschaut und eine Reihe von professionellen Marihuana-Produzenten gefunden, die schon mit allen Voraussetzungen in den Startlöchern stehen. Man benötigt nämlich eine Lizenz des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte, eine Produktionsstätte (Bunker haben sich bewährt) und im Idealfall eine Probeernte. Doch selbst dann bleibt Cannabis ein unsicheres Geschäft, rote Zahlen sind in der Branche gang und gäbe, wie ich gelernt habe. Vielleicht brauen Sie sich doch lieber Ihr eigenes Bier?

Herzliche Grüße und einen entspannten Abend, Ihre Eva Buchhorn

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