
Der Tag im Überblick Wenn Reiche weniger reich sein wollen

Liebe Leserin, lieber Leser,
jeden Abend fassen wir die wichtigsten Wirtschaftsnews des Tages zusammen. Heute mit Steuerplänen von Vermögenden, Börsenplänen bei Chronext und Deutschlands Sprungstoffexperten
Antonis Schwarz hat Geld, und das ist ein Problem für ihn. Den jungen Multimillionär aus der Schwarz Pharma-Dynastie plagt wie viele reiche Erben der jüngeren Generation das schlechte Gewissen, Privilegien anstrengungslos in die Wiege gelegt bekommen zu haben. Schwarz betätigt sich daher großzügig philanthropisch und spendet stattliche Summen, im Februar diesen Jahres zum Beispiel eine halbe Million an die Grünen. Heute gingen er und sein Netzwerk noch einen Schritt weiter: Gemeinsam mit 49 weiteren hochvermögenden Unterzeichnern aus Deutschland und Österreich hat er eine Unterschriftenaktion gestartet, die "Steuerprivilegien kippen" und eine "faire Besteuerung" erwirken soll.
"#taxmenow" heißt die Initiative. Ihr Vorbild sind US-Milliardäre wie George Soros oder die Erben von Walt Disney, die ebenfalls das Steuersystem öffentlich kritisieren. Ihren deutschen Gefolgsleuten geht es nicht um Kleinigkeiten: Auf 80 Milliarden Euro summieren sich ihren Berechnungen nach die Steuerausfälle des Staates durch die Privilegien der Vermögendsten.
Wie Schwarz und seine Freunde ticken, hat meine Kollegin Gisela Maria Freisinger im Sommer aufgeschrieben, als sie einige von ihnen persönlich traf. Ihren Report finden Sie zum Nachlesen noch einmal hier: "Wie Milliardärserben die Welt verbessern wollen."

Aufruf für Reiche: Pharma-Erbe Antonis Schwarz will seinesgleichen zu höheren Steuerzahlungen bringen
Foto: Nils SchwarzDie Wirtschaftsnews des Tages:
Anlässlich der Automesse IAA Mobility gab es in München bereits einige Aktionen von Umweltaktivisten, die die Autoindustrie kritisieren. Jetzt traf es Volkswagen-Chef Herbert Diess persönlich: Unbekannte beschmierten sein Privathaus in der bayerischen Hauptstadt. Diess hatte sich mehrfach Diskussionen mit Umweltschützern gestellt und auf die Anstrengungen der Autoindustrie für einen verringerten CO2-Ausstoß hingewiesen.
Der Schweizer Luxusuhren-Händler Chronext hat seinen Börsengang angekündigt. Der Schritt an die Schweizer Börse SIX ist fürs vierte Quartal geplant. Das Jungunternehmen verkauft über eine Online-Plattform gebrauchte und neue Uhren von Marken wie Rolex, Omega oder Patek Philippe und plant ein Emissionsvolumen von rund 250 Millionen Franken (230 Millionen Euro).
Der Mangel an Halbleitern und die Corona-Krise zwingt nun auch Toyota, seine Produktionsziele für das bis März laufende Geschäftsjahr zu senken, um 300.000 auf nun 9,3 Millionen Fahrzeuge. In Vietnam und Malaysia kommt es virusbedingt zu Produktionsausfällen in den Werken. Der Engpass hat vor Toyota bereits große Autohersteller wie Ford, Honda, General Motors und Volkswagen dazu genötigt, die Produktion herunterzuschrauben oder gar einzustellen.
Was uns sonst noch beschäftigt hat:
Die USA haben die Darpa, Deutschland hat die SprinD - hinter beiden Behörden steckt der gleiche Anspruch: Sie sollen ausgestattet mit üppigen Fördermitteln Hightechprojekte auf den Weg bringen. Was der Darpa seit dem Kalten Krieg eindrucksvoll gelang (aus von ihr finanzierter Forschung entstand das Internet), muss die deutsche "Bundesagentur für Sprunginnovationen" erst noch unter Beweis stellen. Mein Kollege Christian Schütte stellt Ihnen den Mann vor, der im Auftrag des Bundes aus Start-ups und Laboren das Revolutionärste herauskitzeln soll und sich stattdessen oft an Bürokratismen aufreibt: Rafael Laguna ist "staatlich bestellter Sprungstoffexperte".
Die Auswirkungen etlicher Weltprobleme werden uns derzeit auf dem Frühstückstisch serviert: in Gestalt des ansteigenden Kaffeepreises. Mit dem geht es schon seit zwei Jahren stetig nach oben (im laufenden Jahr plus 50 Prozent) und das Ende der Preisspirale dürfte noch nicht erreicht sein. In Brasilien macht extremes Wetter den Produzenten zu schaffen, in Vietnam ist es die Corona-Krise, in Kolumbien sind es politische Unruhen. Und an Containerschiffen fehlt es auch. Mein Kollege Christoph Rottwilm hat einem sehr lesenswerten Report zusammengetragen, was im Kaffeegeschäft gerade los ist.
Unsere heutigen Managementlektionen für Sie:
Gewerbetreibende, die sich mit den großen Internet-Plattformen einlassen, begeben sich in eine gefährliche Abhängigkeit: Über erhöhte Gebühren, die Nachahmung der Produkte oder den Zwang zu bezahlter Werbung können Amazon, Apple oder Alibaba ihren kommerziellen Nutzern schnell das Licht ausblasen. Wie sich daraus befreien? Zwei renommierte Managementprofessoren präsentieren hier eine ganze Fülle von Mitteln. Eine der Lektionen: Nicht nur streng betriebswirtschaftliche Schritte führen zum Ziel - wo gar nichts mehr geht, geht immer noch eine PR-Kampagne.
Und, weil nach der Krise immer vor der Krise ist, noch eine Empfehlung mit Blick auf den bevorstehenden Regierungswechsel: Unsere Gastautoren Andreas Dombret, ehemals Bundesbankvorstand, und Kai Bender, Deutschlandchef von Oliver Wyman, schlagen Strategien vor, mit denen sich das Land besser gegen neue Störfälle vom Ausmaß der Corona-Pandemie wappnen kann. Projektmanagement, Wettbewerbsregeln, Frühwarnsystem - die Experten finden vieles verbesserungswürdig: "Vier Aufgaben für die neue Bundesregierung."
Die besten Originaltexte aus dem aktuellen "Economist":
Noch ein Text aus der Rubrik Politik: Der überstürzte Rückzug aus Afghanistan hat auch die Debatte über die Auslandseinsätze der Bundeswehr neu entfacht. Am Hindukusch glaubte Deutschland in seinem ersten, heftig umstrittenen Militäreinsatz außerhalb Europas seit 1945, im Dienst einer guten Sache tätig zu werden. Die Realität hat dies als bittere Selbsttäuschung entlarvt. Die neue Bundesregierung wird ihre Strategie überdenken müssen, meinen die Kollegen, und das bedeutet auch eine Umkehr in der gesellschaftlichen Diskussion. Doch ist Deutschland bereit dafür?
China macht heimischen Tech-Firmen einen Börsengang im Ausland schwer, plant aber zum Ausgleich einen dritten Finanzplatz, angesiedelt in Peking. Dieser soll den Geldbedarf junger Techfirmen in heimischer Währung stillen. Was ist von der neuen Börse zu erwarten , solange das Börsensystem in China an sich weiter gravierende Mängel aufweist?
Meine Empfehlung für den Abend und das Wochenende:
Viele unserer spannendsten Recherchen und Gesprächspartner stellen wir Ihnen immer freitags in unserem mm-Podcast vor. Heute möchte ich Ihre Aufmerksamkeit auf eine besondere Staffel lenken. Meine Kollegin Christina Kyriasoglou spricht in fünf Folgen mit "Deutschlands digitalen Hoffnungsträgern" - heute in Teil drei mit Julian Teicke, dem Gründer des Versicherungs-Start-ups Wefox. Teicke berichtet, wie er seine schwindelerregenden Ziele erreichen und bis 2030 100 Milliarden Dollar umsetzen will. Auch über Fehler in der Vergangenheit plaudert der Gründer recht offen.

Spielzeug für Reiche: Die "Pink Gin VI" des Otto Bock-Eigners Hans Georg Näder steht zum Verkauf
Foto: Otto Bock Holding GmbH & Co. KG / AP / dpa / picture allianceNicht nur für die Wassersportler unter Ihnen zuletzt noch ein Tipp zum Schwelgen. Der Markt für Luxus-Segler boomt, die 200 größten stellt die Fachzeitschrift "Boote Exklusiv" alle zwei Jahre in einem Ranking vor. Hier können Sie einen Blick auf einige der spektakulärsten Traumschiffe werfen. Das größte Boot eines deutschen Eigners (auf Platz 54 im Ranking) ist die "Pink Gin VI" des Unternehmers Hans Georg Näder (Otto Bock). Für 38 Millionen Euro können Sie sie kaufen.
Herzliche Grüße, Ihre Eva Buchhorn