
Der Dienstag im Überblick Bankenprobleme, hohe Bauzinsen und ein mahnender Eon-Chef

Liebe Leserin, lieber Leser,
Sie erinnern sich: Jahrelang klagten Banken darüber, dass ihnen die Nullzinspolitik der Notenbanken das Geschäft erschwere. Wie soll ein Geldhaus Geld verdienen, wenn es keine Zinsen gibt. Doch jetzt lernen wir: Auch eine Welt, in der Zinsen rasch steigen, bereitet vielen Banken Probleme. Keine Zinsen: Schlecht. Schnell steigende Zinsen: Noch schlechter.
Auslöser für den ausgeprägten Banken-Blues war die Pleite der Silicon Valley Bank aus den USA. Da massenhaft Unternehmenskunden zugleich an ihr Geld wollten, musste die SVP einen Teil ihrer festverzinslichen Anleihebestände verkaufen. Und diese verlieren in Zeiten steigender Zinsen an Wert – schlecht für die SVP, die nun in einem zweiten Versuch zum Verkauf gestellt wird. Offenbar arbeitet eine Gruppe Interessenten daran, einige Geschäftsbereiche des insolventen Techfinanzierers zu übernehmen. Dazu gehören die Investmentbank Apollo sowie die Risikokapitalgeber Andreessen Horowitz und Khosla Venture.
Während um das Kreditgeschäft der SVP gepokert wird, sind bereits weitere kleinere Regionalbanken in den USA stark unter Druck geraten. Viele von ihnen hatten in Zeiten des billigen Geldes massenhaft Kredite vergeben – auch, weil die Regierung unter Donald Trump Sicherheitsmechanismen wie den Dodd-Frank-Act wieder zurückgefahren hatte. Nun steigen die Zinsen, und mit ihnen steigt die Nervosität der Anleger.
Apropos Nervosität: Kunden der Schweizer Großbank Credit Suisse haben binnen eines Quartals rund 110 Milliarden Schweizer Franken Anlagegelder abgezogen. Der Aktienkurs ist binnen einem Jahr um 60 Prozent eingebrochen. Das liegt allerdings nicht an steigenden Zinsen, sondern an hausgemachten Problemen der Credit Suisse: Der eigene Wirtschaftsprüfer PWC sieht schwere Mängel bei den internen Kontrollen der Bank, und Beobachter vergleichen das einst stolze Geldhaus am Zürcher Paradeplatz mit einer Großbaustelle.
Verglichen mit der Credit Suisse ist die Lage der rund 360 Sparkassen in Deutschland geradezu behaglich. Die Sparkassen müssen zwar knapp acht Milliarden Euro auf ihre festverzinslichen Wertpapiere vorübergehend abschreiben (Sie ahnen es: wegen der steigenden Zinsen). Doch da sie ihre Anleihen bis zur Endfälligkeit halten wollen und (hoffentlich) kein zwischenzeitlicher Bank-Run wie bei der SVP diese Pläne stört, ist das Geld nicht wirklich weg. Verbandssprecher Helmut Schleweis erlaubte sich sogar ein bisschen Optimismus und sprach lediglich von "herausfordernden Zeiten". Dies sahen am Dienstag auch die Anleger am Aktienmarkt so: Nach dem Kurssturz der vergangenen Tage legte der Dax wieder deutlich zu.

Börse in New York: Dow Jones und Dax erholen sich ein wenig, doch bei den Banken liegen die Nerven weiterhin blank
Foto: Craig Ruttle / dpaDie Wirtschaftsnews des Tages:
Bauzinsen steigen auf mehr als 4 Prozent: Auch Häuslebauer haben Grund, sich über die Zinserhöhungen von Fed und EZB zu grämen. Nach Berechnungen der Finanzberatung FMH sind die Zinsen für zehnjährige Finanzierungen nun über die Marke von 4 Prozent geklettert. Experten erwarten 5 Prozent bis Jahresende.
VW investiert im großen Stil: Der Autobauer Volkswagen will bis 2027 insgesamt 180 Milliarden Euro investieren, vor allem in die Elektrifizierung seiner Fahrzeugflotte sowie neue Batteriewerke. Auch in die Vermögensbildung seiner leitenden Angestellten investiert VW kräftig: VW-Chef Oliver Blume (54) verdiente im vergangenen Jahr rund 7,4 Millionen Euro.
Meta will weitere 10.000 Mitarbeitern kündigen: Die Facebook-Mutter Meta beschleunigt ihren Jobabbau. Meta-Chef Mark Zuckerberg will in einer zweiten großen Entlassungswelle rund 10.000 weitere Jobs streichen. Bereits Ende 2022 hatte Meta rund 11.000 Mitarbeiter entlassen. Damit setzt Meta rund jeden vierten Mitarbeiter der zuvor rund 85.000 Beschäftigten vor die Tür, bei Twitter muss sogar jeder zweite Mitarbeiter gehen. Hier finden Sie die Hire-and-Fire-Könige im Überblick.
Was uns sonst noch beschäftigt hat:
Bodyguards und Panikrutschen: Meta-Chef Mark Zuckerberg spart zwar an Mitarbeitern, aber nicht an seiner persönlichen Sicherheit: Dafür gibt er rund 14 Millionen Dollar pro Jahr aus. Von deutschen Konzernen gibt es zwar kaum konkrete Zahlen, doch Branchenexpertin Branka Bernges weiß: Das Sicherheitsdenken und die Ausgaben dafür haben sich auch in Deutschland "definitiv erhöht".
Sicherheit im Cyberspace: Der Krieg um die Ukraine tobt seit einem Jahr auch im Cyberspace. Doch bislang kam es zu weniger schlimmen Attacken als befürchtet – auch dank der Unterstützung westlicher Techfirmen. Worauf Unternehmen achten müssen und auf welche "Hacktivisten" sie sich einstellen müssen, hat meine Kollegin Franziska Martin für Sie recherchiert.
Die reichsten Inder: Um die Gunst Indiens buhlen sowohl die EU und die USA als auch Russland und China: Die indische Wirtschaft wächst rasant und profitiert derzeit besonders von billiger russischer Energie. Unter den 100 reichsten Menschen der Welt befinden sich inzwischen sechs Inder, darunter Namen wie Lakshmi Mittal und Gautam Adani, dessen 57-Milliarden-Dollar-Vermögen zuletzt gewissen Schwankungen unterlag. Mein Kollege Helmut Reich stellt Ihnen die reichsten Inder vor und erklärt, warum viele von ihnen die Selbstinszenierung mit Prunkhochzeiten, Prachtbauten und Privathäfen so lieben.
Meine Empfehlung für den Abend:

Widerspricht Einschätzungen vieler Wissenschaftler: Eon-Chef Leonhard Birnbaum (l.) beim Interview mit manager magazin in der Essener Konzernzentrale
Foto:Jana Mai für manager magazin
Eon-Chef Birnbaum warnt vor Deindustrialisierung in Deutschland: Leonhard Birnbaum, Chef des Energieversorgers Eon, bewahrt in seinem Vorstandsbüro in der Essener Zentrale eine Sammlung wetterfester Schutzjacken der verschiedenen Eon-Landesgesellschaften auf. Bei Besuchen des Chefs im weit verzweigten Eon-Reich sind die Jacken ein guter Eisbrecher. Doch wenn Birnbaum an die Perspektiven der deutschen Industrie denkt, wird ihm eher frostig zumute: Die hohen Energiepreise würden die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie "gewaltig verschlechtern", so Birnbaum. Die Deindustrialisierung habe in Deutschland bereits begonnen: "Es handelt sich um einen schleichenden Prozess. Schon jetzt fallen die Entscheidungen für die nächste Großinvestition oft nicht mehr für Deutschland", sagt der Eon-Chef. Wie wetterfest der Eon-Konzern selbst ist und was noch passieren muss, damit die deutsche Energiewende gelingt, darüber hat Birnbaum mit meinen Kollegen Sven Clausen und Kirsten Bialdiga gesprochen.
Herzlich, Ihr Kai Lange