

Newsletter "Der Tag" Der Tag des unterirdischen Duells mit Elon Musk

Liebe Leserin, lieber Leser,
jeden Abend fassen wir die wichtigsten Wirtschaftsnews des Tages zusammen. Heute mit dabei: Die Finanzstunts des MDax-Konzerns Ströer, der Renault-Boss im Interview, die Sorgen der Allianz vor einem Börsen-Crash und Martin Herrenknecht, der wahre Herr der Unterwelt.
Die mittelständische Werbefirma Ströer, zu deren Reich auch das Internetportal T-Online gehört, ist ein Börsenstar. Der Kurs ist seit 2012 um rund 1000 Prozent gestiegen, die beiden Haupteigner – Dirk Ströer und Vorstandschef Udo Müller – präsentieren den Laden im MDax als Techcompany mit scheinbar gut funktionierender Digitalstory. Bei genauerer Analyse jedoch scheint die Bewertung von rund vier Milliarden Euro, nun ja, recht luftig.
Meine Kollegen Christoph Neßhöver und Jonas Rest haben sich durch Bilanz und Beteiligungsgeflecht gegraben, haben die seltsamen Verquickungen des Unternehmens mit den lukrativen Privatgeschäften der beiden Eigner recherchiert (die es beide unter die 200 reichsten Deutschen gebracht haben), haben allerlei Finanzstunts analysiert und sind dabei auf eine Fülle von Merkwürdigkeiten gestoßen. Nachzulesen hier: Die fiesen Tricks der Werbefirma Ströer.
Die amüsanteste Irritation begegnete den beiden übrigens bei einer im Jahresabschluss ausgewiesenen Tochterfirma. Wie sich herausstellte, gehört das französische Unternehmen für Temperaturmessgeräte gar nicht zu Ströer – gemeint war vielmehr ein Callcenter-Business mit ähnlichem Namen, rund 500 Kilometer entfernt.
Seit dem Wirecard-Skandal reagieren Investoren sensibel auf undurchsichtige Businesspraktiken, insofern könnte es auch hier ein böses Erwachen geben. Aber, hey, testiert wurde die Ströer-Bilanz ja von EY.
Die wichtigsten Wirtschaftsthemen des Tages:

"Es wäre uns eine Ehre, stärker mit Daimler zusammenzuarbeiten": Renault-Chef Luca de Meo.
Foto:Julien Faure / Leextra / Leemage / laif
Seit dem Sommer führt der frühere Seat-Manager Luca de Meo den angeschlagenen französischen Autobauer Renault. In einem ausführlichen Gespräch mit meinen Kollegen Margret Hucko und Martin Noé hat er erklärt, wie er die Ikone wieder in Fahrt bringen will (elektrisch natürlich, Stichwort: "Renaulution"). Deutlich setzt de Meo sich dabei von seinem schillernden Vorgänger Carlos Ghosn ab ("Die Volumenstrategie der Vergangenheit ist gescheitert") – doch es bleibt ein Risikounternehmen: "Die Situation ist nach wie vor kritisch für Renault."
Dass das nicht untertrieben ist, offenbaren die Zahlen von diesem Freitag: Renault verbucht für 2020 einen historischen Verlust von acht Milliarden Euro.
Die Bundesregierung richtet einen Sonderstab für mehr Investitionen in die Impfstoffproduktion ein. Dieser soll dafür sorgen, dass künftig mehr Firmen in die hiesige Produktion von Impfstoffen investieren. Deutschland bekommt also einen Impfstoffzar – sein Name: Christoph Krupp.
Der Allianz, selbst Kapitalmarktriese, wird der Boom an den Börsen langsam unheimlich. Wenn "irgendeine Celebrity irgendein Bitcoin" kaufe und die Preise explodieren, sei mit Rückschlägen zu rechnen, sagte Konzernchef Oliver Bäte bei Vorstellung der Bilanz. Er habe "große Sorge" vor einer Finanzblase. Selbst kam die Allianz übrigens mit Blessuren, aber besser als erwartet durchs Corona-Jahr.
Wenn in Texas Schnee fällt, führt das in Essen zu Sorgenfalten. Sie sehen: Alles hängt mit allem zusammen. In diesem Fall führte der drastische Wintereinbruch im US-Bundesstaat zu eingefrorenen Windrädern, was die Betreiber zu teuren Stromkäufen zwang, was deren Gewinnerwartungen drückt. Ergebnis der Kette: RWE warnt vor einem Gewinnrückgang von 100 bis 500 Millionen Euro.
Das Beste aus dem Economist:
Jede Woche suchen wir für unsere Abonnentinnen und Abonnenten ein paar Originaltexte aus dem aktuellen "Economist" zur Lektüre aus. Diese Woche sind darunter diese beiden:
Das bevölkerungsreichste Land der Erde bietet aktuell auch den größten Markt für Mobilitätsdienste. Wo Uber Milliarden verbrannt hat, gewinnt der heimische Titan Didi. Doch der Ride-Hailing-Boom lockt weitere Konkurrenten. Was sich in China über den Mobilitätsmarkt der Zukunft lernen lässt.
Nach Jahrzehnten der Dominanz hat der US-Konzern Intel seine Spitzenposition in der Chipherstellung verloren. Nun muss der neue Chef Pat Gelsinger die Produktionsprobleme beheben und die Firma wieder zum Technologie-Champion machen. Kein leichter Job.
Meine Empfehlung für den Abend:

Herren im Untergrund: Maschinenmonster von Firmengründer Martin Herrenknecht und Sohn Martin-Devid geben den Takt im Bohrgeschäft vor
Tunnelbohrunternehmer Martin Herrenknecht (78) ist der Prototyp des deutschen Mittelständlers, fest verankert in der Heimat (hier: das Badener Land) und doch führend auf der Welt (sagenhafte 98,2 Prozent des Auftragsvolumens kamen 2020 aus dem Ausland). Seit Neuestem hat es der Patriarch mit einem Bohr-Novizen aus den USA zu tun, der mit seiner Boring Company auch die Branche der Tunnelbohrer untergraben will: Elon Musk. Was Herrenknecht davon hält? "Elon Musk ist vor allem ein geschickter Schaumschläger." Die Komplexität unter der Erde sei nämlich viel höher als bei Tesla oder SpaceX. Das komplette Interview, das mein Kollege Thomas Werres geführt hat, lesen Sie hier.
Führen in Krisenzeiten – darum geht es in unserem wöchentlichen Podcast "Das Thema". Welche Leadership-Fehler sind vermeidbar? Warum erlebt Deutschland ein Impfdebakel? Warum kommen technologische Durchbrüche selten von etablierten Konzernen und häufig von Außenseitern wie Tesla oder Biontech? Wo versagt Führung, und wie können wir uns verbessern? Unser Chefredakteur Martin Noé spricht in dieser Woche darüber ausführlich mit zwei Praktikern der Macht: Mit dem früheren CDU-Kanzleramts-, Innen- und Verteidigungsminister Thomas de Maizière sowie mit dem Multiaufsichtsrat Karl-Ludwig Kley (Lufthansa, BMW, Eon). Aber hören Sie selbst.
Genießen Sie Ihr Wochenende und bleiben Sie gesund. Herzlich, Ihr Lukas Heiny