
Der Dienstag im Überblick Krisen und Cocktails
Liebe Leserin, lieber Leser,
der Zinsanstieg fegt durch die Wirtschaft, in dieser Woche werden US-Fed und EZB voraussichtlich nochmals 25 Basispunkte drauflegen. Der Minirückgang der Euro-Kerninflation im April – an diesem Dienstag vermeldet – reicht jedenfalls nicht für ein "Mission Accomplished" von EZB-Chefin Christine Lagarde.
Die Folgen der gestiegenen Zinsen sind inzwischen schmerzhaft spürbar.
Beispiel Start-ups: Seit das Geld knapp und teuer ist, sichern sich Investoren immer höhere Garantien und Sonderrechte, um ihr Kapital abzusichern. Das führt dazu, dass die Aktienoptionen und Beteiligungsprogramme der obersten Führungskräfte der jeweiligen Start-ups womöglich deutlich weniger wert sind als gedacht. Bei manchen Start-ups bleibt für die Topleute selbst bei einem Riesenerfolg nichts übrig, haben Christina Kyriasoglou und Jonas Rest recherchiert. Besonders bitter: Die Klauseln sind teils geheim, daher ahnen manche noch gar nicht, dass sie bloß Scheinmillionäre sind. "Sorry, du gehst leer aus", heißt der neue Albtraum.
Beispiel Gewerbeimmobilien: Das Transaktionsvolumen ist europaweit eingebrochen, die Bewertungen sind massiv unter Druck. Das zentrale Problem für Investoren und Geldgeber heißt nun: Was wird aus den Krediten? Mein Kollege Christoph Rottwilm hat sich umgehört und den Krisencocktail analysiert. Kleines Detail aus seiner Recherche: Den Abrissunternehmen fehlen Aufträge – und das verheißt leider nichts Gutes.
Die spannende Frage in dieser Woche ist nun, ob die Notenbanker erstmals eine Pause bei den Zinserhöhungen andeuten.
Die Wirtschaftsnews des Tages:

Lieber etwas teurer: Audi-Vertriebschefin Hildegard Wortmann nimmt Empörung der Händler in Kauf
Foto: STAR-MEDIA / IMAGOPremium-Kriegspfad: Mit kräftigen Preissenkungen verkaufte Tesla im ersten Quartal erstmals mehr Autos als Audi. Nun kündigt Ingolstadt intern eine Preiserhöhung an, hat mein Kollege Christoph Seyerlein erfahren. Vertriebsvorständin Hildegard Wortmann nimmt dafür auch den massiven Unmut ihrer Händler in Kauf. Mal wieder, denn Audi und die eigenen Händler sind seit Monaten im Dauerclinch.
And the winner is: Die US-Bank First Republic geht an den Wall-Street-Giganten J.P. Morgan. Die Behörden hatten das schwer angeschlagene Institut erst jüngst unter Konkursverwaltung gestellt und über das Wochenende auktioniert. J.P.-Morgan-Chef Jamie Dimon triumphiert, denn er übernimmt eine Bank, die bis vor Kurzem selbst noch zu den Top 15 der Branche in den USA zählte. Mal wieder, denn Dimon hatte schon in der Finanzkrise 2008 als Retter triumphiert.
Einstellungsstopp: Der IT-Riese IBM setzt auf künstliche Intelligenz (KI) in der eigenen Verwaltung. IBM-Chef Arvind Krishna will in den nächsten fünf Jahren allein im Personalressort rund ein Drittel der Jobs durch KI ersetzen. Durch reduzierte Neueinstellungen würden so rund 7800 Stellen eingespart.
Ärger wegen Kanye: Die finanziell jahrelang höchst erfolgreiche, aber am Ende untragbare Partnerschaft mit US-Rapper Kanye West beschert Adidas neuen Ärger. Dieses Mal pöbelt nicht der Star – sondern die eigenen Investoren klagen. Bleibt die Frage: Wo bleibt der Anstand?
Die Personalie des Tages:
Zurück im Geschäft: Aufstieg und Fall von Asoka Wöhrmann bei der DWS waren spektakulär. Als CEO der Fondsgesellschaft der Deutschen Bank erzeugte er ab 2018 neue Aufbruchstimmung. Wegen des "Greenwashing"-Skandals samt Großrazzia in Frankfurt musste er vor elf Monaten abrupt zurücktreten. Jetzt ist Wöhrmann wieder da: Er wird CEO des Immobilienmanagers Patrizia, den die Zinswende brutal durchschüttelt. Der Patrizia-Gründer und bisherige CEO Wolfgang Egger zieht sich in den Verwaltungsrat zurück. Aufstieg und Fall von Patrizia und die Geschichte des äußerst öffentlichkeitsscheuen Egger hat Christoph Rottwilm erst jüngst ausführlich vorgestellt.
Was Ihnen in Ihrer Karriere helfen könnte:
Ist Karriere eine Typfrage? Die Studienlage ist klar: Wer ein extrovertiertes Naturell hat, gern mit und vor Menschen spricht, kommt beruflich besser voran. Wie Introvertierte dennoch ihren Weg machen können, haben drei belgische Organisationspsychologen systematisch untersucht. Die Methode "einfach mehr raus zu den Extrovertierten" klappe leider nur bedingt, so die Forscher: Sie macht kurzzeitig zwar in der Tat glücklich – zehrt auf Dauer aber an der Energie. Die Autoren empfehlen deshalb eine andere Strategie: Selbstreflexion und Planung, die Geselligkeitsstress mindert und Phasen für die innere Ruhe zulässt. Wie weit das tragen kann, zeigt der Fall Barack Obama: Der über viele Jahre umjubelte Ex-US-Präsident bezeichnet sich selbst als introvertiert. Die nötigen Ruheräume hat er sich immer konsequent geschaffen.
Meine Empfehlung für den Abend:

Auf ein Abschiedslied für den KPMG-Chef: Der einstige Take-That-Vorsänger Robbie Williams
Foto:Gaetano Di Rosa / imageBROKER / Okapia
Bevor Sie gleich extrovertiert ausgehen oder introvertiert durchatmen, hier ein kurzer Einblick in einen ganz besonderen Partyplan: Klaus Becker, der langjährige Deutschland-Chef der Wirtschaftsprüfer und Berater von KPMG nimmt seinen Abschied und lädt zu einer opulenten Farewell-Feier. Location: bei Luzern. Stargast: Robbie Williams. Dabei sei der Gastgeber Becker eigentlich gar keiner, "der für das Bad in der Menge geschaffen ist", meint mein Kollege Dietmar Palan, der weitere Details zum Programm hat.
Herzlich, Ihr Christian Schütte
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