
Der Tag im Überblick Zwei Konzerne, zwei Manager, zwei Gretchenfragen
Liebe Leserin, lieber Leser,
jeden Abend fassen wir die wichtigsten Wirtschaftsnews des Tages zusammen. Heute mit Erwartungsdruck auf zwei Dax-Managern, Chipnöten bei zwei Autobauern und Besitzängsten von zwei Bankern.
Es sind zwei Schwergewichte im Dax, die beide ihre Investoren nicht sehr glücklich machen: Siemens und Bayer. Der Industriekonzern kämpft, trotz zuletzt exzellenter Zahlen, im Vergleich zu den Wettbewerbern mit einem erheblichen Bewertungsabschlag. Und der Pharma- und Agrochemiekonzern – nun: kein Dax-Unternehmen hat in den zurückliegenden Monaten schlechter performt. Es mangelte also nicht an drängenden Fragen und spannendem Gesprächsstoff, als wir neulich mit Siemens-CEO Roland Busch und kurz darauf auch mit Bayers Aufsichtsratschef Norbert Winkeljohann zu ausführlichen Gesprächen verabredet waren.
Warum also, Herr Busch, ist die Siemens-Aktie im Vergleich zur Konkurrenz an der Börse so schwach bewertet? Der Konzernchef weicht dem Problem keineswegs aus ("Der Kern von Siemens ist massiv unterbewertet" ), er weigert sich aber, dem mit kurzfristigem Aktivismus zu begegnen. Konkret: keine größeren Zukäufe, keine weiteren Abspaltungen, eher konstanter Cashflow. Nicht mal Angst vor einer Übernahme hat er angesichts des Börsenwerts. "Ich kann sehr gut schlafen", sagte Busch meinen Kollegen Angela Maier und Martin Noé beim Treffen in der Münchener Zentrale, denn: "Wer Siemens übernähme, müsste auch wissen, wie er das Unternehmen besser voranbringen kann."
Von einer grundsätzlich neuen Strategie hält auch Bayers Oberaufseher Norbert Winkeljohann nichts. Eine Aufspaltung, wie Investoren und Hedgefonds sie in Folge der Monsanto-Übernahme fordern? "Würde Werte vernichten." Ob Vorstandschef Werner Baumann noch der Richtige ist? "So eine Frage ist mit alleinigem Blick auf den aktuellen Aktienkurs sicherlich naheliegend", so Winkeljohann, aber der Vorstand arbeite ja mit maximaler Intensität an den gesteckten Zielen. Sie machen also mit Werner Baumann weiter? Wir stehen zu der vereinbarten Vertragslaufzeit.

"Siemens ist unterbewertet": Siemens-Chef Roland Busch glaubt an künftige Kursgewinne seiner Aktie, extra fotografiert für unser Interview.
Foto:Julian Baumann für manager magazin
Die Wirtschaftsnews des Tages:
Chipmangel, Teil 1: Weil Halbleiter fehlen, müssen rund 10.000 Beschäftigte bei Audi in Ingolstadt und Neckarsulm ihren Sommerurlaub verlängern und in Kurzarbeit gehen. Mehrere tausend Autos können deshalb nicht gebaut werden. Das Gesamtbild dazu liefert eine Umfrage des Deutschen Industrie- und Handelskammertages, wonach 83 Prozent der Unternehmen in Deutschland inzwischen über Lieferprobleme klagen.
Chipmangel, Teil 2: Auch Toyota steckt in Schwierigkeiten. Bei den Japanern erschwert eine Corona-Infektionswelle in Asien die Lage zusätzlich. Folge: Der Autobauer muss die Produktion drastisch kürzen.
Milliardendeal in den Niederlanden: Die US-Bank Goldman Sachs übernimmt für 1,7 Milliarden Euro die Fondstochter der NN Group. Die Amerikaner haben damit namhafte Mitbieter wie DWS, Allianz oder Generali ausgestochen.
Was heute sonst noch wichtig war:
An der Börse wurden die Investoren heute nervös, nachdem US-Notenbankchef Jerome Powell eine mögliche Wende in der Zinspolitik noch in diesem Jahr angedeutet hat. Für den Dax ging es daraufhin zur Abwechslung mal wieder etwas deutlicher abwärts.
Keine Branche ohne veritable Lobbyarbeit - das dachten sich offenbar auch die Vertreter der Krypto-Szene in den USA. Unter dem Druck drohender Regulierung findet die noch junge Cybergeld-Industrie inzwischen Wege, effektiv politisch Einfluss zu nehmen.
Meine Empfehlung für den Abend:

Eine kleine Diva: Die Privatbank Warburg in Hamburg
Foto:Morris MacMatzen / Getty Images
Eigentlich ist sie ein kleines Licht am Bankenhimmel, die Privatbank M.M. Warburg. Aber wie eine kleine Diva sorgt sie für mehr Gesprächsstoff, als die Deutsche Bank, die Commerzbank und alle Sparkassen zusammen. Denn ein Drama wie das, was sich gerade an der Hamburger Binnenalster vollzieht, hat die deutsche Finanzwelt seit dem Kollaps der Privatbank Sal. Oppenheim nicht mehr gesehen. Im Kern geht es dabei stets um den milliardenschweren Cum-Ex-Steuerskandal, in dem die Warburg-Bank - auch wenn die Verantwortlichen sich eher als Sündenbock sehen - mutmaßlich eine unrühmliche Rolle spielte. Meine Kollegin Katharina Slodczyk, Expertin in allen Bankenfragen, beobachtet das Hamburger Institut in diesem Zusammenhang bereits seit geraumer Zeit. Sie liefert heute ein neues Kapitel im Warburg-Drama: Die einstigen deutschen Vorzeigebanker Christian Olearius und Max Warburg, beide Haupteigner der Bank, kämpfen inzwischen gegen ihre Enteignung. Die Aufseher holen nämlich zum nächsten Schlag aus.
Beste Grüße, Ihr Christoph Rottwilm