jeden Abend fassen wir die wichtigsten Wirtschaftsnews des Tages zusammen. Heute mit dem Börsenrückzug von Rocket Internet, Teslas Aktiensplit und der merkwürdigen Insolvenz von Escada.
von einer "bodenlosen Frechheit" spricht Aktionärsschützer Michael Kunert angesichts des heute angekündigten Börsenrückzugs von Rocket Internet. Das sei ein "schwerer Schlag gegen die Aktienkultur in Deutschland".
Als Oliver Samwer die Aktien der wichtigsten deutschen Aufzuchtstation für Start-ups (darunter waren Zalando, Delivery Hero oder Hellofresh) vor sechs Jahren zum Mondpreis von 42,50 Euro an die Börse brachte, katapultierte dies ihn und seine beteiligten Brüder raketenartig in die Liste der reichsten Deutschen. Jetzt plant der Konzern den Rückzug zum gesetzlichen Mindestpreis, Rocket-Anleger der ersten Stunde verlieren mehr als die Hälfte ihres Geldes.
"Im Grunde ist das ein Skandal: Die angesammelten Rocket-Milliarden werden nicht ausgeschüttet und die Rocket-Aktionäre so ein letztes Mal über den Tisch gezogen", schreibt ein anderer Branchenexperte. Das Delisting hatte Samwer bereits seit Längerem geplant, aber noch bei der Hauptversammlung im Mai bestritten. Nun will er also doch die Freiheiten des Investorenlebens ohne Berichtspflichten genießen.
"Hinterlässt in Deutschland verbrannte Erde": Oliver Samwer
Foto: Boris Roessler/ dpa
Die weiteren Wirtschaftsthemen des Tages:
Der zu Montag vollzogene Aktiensplit hat der Kursrallye der Tesla-Aktie keinen Abbruch getan. Das Papier des Elektroautobauers legte um mehr als 12 Prozent auf knapp 500 Dollar zu, nachdem die Aktien im Verhältnis 5:1 aufgeteilt worden waren, um sie für Kleinaktionäre attraktiver zu machen. Binnen sechs Monaten hat Tesla seine Börsenbewertung an der Nasdaq nun mehr als verfünffacht, auf inzwischen mehr als 450 Milliarden Dollar (zum Vergleich: das ist fünfmal so viel wie Volkswagen). Dass der Chef Elon Musk selbst die Aktie vor einigen Wochen als "zu teuer" bezeichnete? Who cares!
Der Wirecard-Skandal hat ausgehend von der Zentrale in 85609 Aschheim längst die Hauptstadt Berlin erreicht. Nach der zweitägigen Sondersitzung des Finanzauschusses des Bundestags steht nun fest: Wirecard wird Wahlkampfthema. Die Oppositionsparteien nämlich wollen nun einen Untersuchungsausschuss, um weitere Akten einzusehen, Zeugen zu vernehmen - und politische Konkurrenz bis weit ins Wahljahr hinein vorzuführen.
Nur wenige Hausnummern vom Wirecard-Firmensitz entfernt, bahnt sich in 85609 Aschheim ein weiterer Wirtschaftskrimi an. Escada muss erneut Insolvenzantrag stellen. Doch dieses Mal steckt hinter der Pleite mehr als bloßes Managementversagen. Die Insolvenz wirkt bewusst herbeigeführt – von einem dubiosen Investor aus den USA. Michael Reinstein ließ sich noch vor wenigen Monaten als Heilsbringer feiern, plünderte die Modefirma dann allerdings wohl mit dubiosen Deals. Was über das Drama bisher bekannt ist, lesen Sie hier.
Amazon will seine Vorherrschaft im Onlinehandel durch den Einsatz von Roboterdrohnen ausbauen. In den USA will der Konzern jetzt die Zustellung von kleineren Käufen durch die Fluggeräte testen. Ziel ist es, mit der "Prime-Air"-Flotte Einkäufe binnen 30 Minuten zu liefern.
Die chinesische Industrie ist im August auch dank steigender Exportaufträge so kräftig gewachsen wie seit fast einem Jahrzehnt nicht mehr. Die Wirtschaftsdaten erwecken den Eindruck, als würde China die Corona-Krisen-bedingten Einbrüche im Eiltempo wegstecken. Sicher ist der Aufschwung aber noch nicht, warnen Großbanken.
Meine Empfehlung für den Abend:
"Responsabilisation": Michelin hat seine hierarchische Organisation infrage gestellt
Foto: Regis Duvignau / Reuters
Die Fabriken des französischen Reifenherstellers Michelin sind eher für militante Proteste als für einen konstruktiven Dialog mit dem Management bekannt. Dennoch: Seit 2012 hat Michelin die Selbstbestimmung und Verantwortung seiner Beschäftigten radikal gestärkt - mit Erfolg. Das neue "Empowerment" brachte enorme geldwerte Verbesserungen in der Produktion und schenkte dem Management neue Freiheiten. Warum Michelin seinen Mitarbeitern mehr Macht überlässt - und was sich daraus lernen lässt, erklärt dieser Text des Harvard Business manager.