

Newsletter "Der Tag" Der Tag mit den Freibeutern der Finanzmärkte

Liebe Leserin, lieber Leser,
jeden Abend fassen wir die wichtigsten Wirtschaftsnews des Tages zusammen. Heute mit dabei: Ungemütliche Investoren bei Rocket Internet und Qiagen, Börsenfantasien bei SAP und Auto1, das Scheitern von Merck und die besten Unternehmensberater des Landes.
Als Chef des amerikanischen Hedgefonds Elliott hat sich Paul Singer das Image eines Freibeuters aufgebaut, der gezielt Jagd auf Firmen macht, bei denen er durch gezielte Sticheleien gegen Topmanagement oder Eigentümer eine gute Marge wittert. Singer ist dabei nicht zimperlich, der studierte Jurist und Psychologe nutzt alle juristischen und psychologischen Tricks und geht dabei oft bis an die Grenzen.
In den betroffenen Führungsetagen bedeutet das Auftauchen Singers: Stress. Nicht umsonst hat sich für Hedgefonds die Bezeichnung "Heuschrecke" eingebrannt. Einerseits. Andererseits gelingt es den aggressiven Investoren, Missstände aufzudecken. Singer behauptet denn auch von sich: "Effiziente Märkte brauchen Typen wie mich."
In diesen Wochen hat sich Elliott die Samwer-Brüder vorgenommen. Die haben bekanntlich mit einem wahren Stunt ihre Start-up-Holding Rocket Internet von der Börse genommen und damit den Zorn der wehrlosen Aktionäre geschürt. Ideales Terrain für einen wie Singer.
Auch bei der Biotech-Perle Qiagen treiben bekanntlich Hedgefonds ihr Spiel. Die Freibeuter von Davidson Kempner hatten im vergangenen Jahr die Zehn-Milliarden-Euro-Übernahme des Unternehmens zum Platzen gebracht und den damaligen Aufsichtsratschef zum Gehen gezwungen. Nun fordern die Amerikaner auch dessen Nachfolger Larry Rosen auf, für sich selbst einen Nachfolger zu suchen, sicherheitshalber und damit auch keine Zweifel aufkommen: in Form eines bösen Briefs.

Unter Beschuss: Rocket-Chef Oliver Samwer.
Foto: HANNIBAL HANSCHKE / REUTERSDie wichtigsten Wirtschaftsnews des Tages:
Der US-Pharmakonzern Merck hat die Entwicklung seiner beiden Corona-Impfstoffe gestoppt. Zwar waren die Amerikaner erst verspätet eingestiegen. Gleichwohl zeigt das Scheitern immerhin eines der weltgrößten Pharmakonzerne, dass es so einfach eben doch nicht ist, ein wirksames Vakzin gegen die Pandemie zu finden. Vor diesem Hintergrund strahlen die Erfolge von Biontech/Pfizer, Moderna und Astrazeneca um so mehr (auch wenn sich bei denen in diesen Tagen zeigt, dass die massenhafte Herstellung eines Vakzins gar nicht so einfach ist).
Vor allem diese Probleme mit der Impfstoffversorgung (und damit Sorgen vor einem fortdauernden oder verschärften Lockdown) dämpfen zu Beginn dieses Jahres die Stimmung in der Wirtschaft. Der an diesem Montag vorgestellte Ifo-Geschäftsklima-Index, Deutschlands wichtigster Konjunkturindikator, ist denn auch stärker gefallen als erwartet.
Beim Dax-Konzern Beiersdorf verlassen weitere Führungskräfte die Kommandobrücke. Das hat in diesem Fall nichts mit einem Hedgefonds zu tun, der Nivea-Konzern kann ja auf stabile Familienverhältnisse im Hintergrund zählen, wohl aber mit Vorstandschef Stefan De Loecker. Der baut ordentlich um. Die Finanzchefin wird zum Sommer ausgewechselt, der Marketingvorstand will nicht mehr. Nun geht auch die Forschungschefin May Shana'a. Und bei weiteren Topleuten wird der Abgang erwartet.
Selbstverständlich vergeht in diesem Januar so gut wie kein Tag ohne Jubelmeldungen um neue Börsengänge. Man fühlt sich ja fast an Neue-Markt-Zeiten erinnert. Also: SAP kann den erwarteten Ausgabepreis für Aktien der Tochter Qualtrics nochmals in die Höhe schrauben – nun könnte die für 8 Milliarden Dollar gekaufte Firma bald 15 Milliarden wert sein. Und auch Auto1 treibt mit Bekanntgabe der Preisspanne für den geplanten Börsengang die eigene Bewertung: demnach wäre das Start-up bis zu 8 Milliarden Euro wert.
Was uns sonst noch beschäftigt hat:
Sie erinnern sich vermutlich: Am Freitag hatten wir Ihnen unser Interview mit Waymo-Chef John Krafcik zur Lektüre empfohlen. Krafcik, der für die Google-Ausgründung das Geschäft mit den Roboterautos leitet, ist ein durchaus selbstbewusster Typ. Unter anderem erklärte er, dass er Tesla beim autonomen Fahren nicht mal als Konkurrenten sehe - "wir sind um Größenordnungen besser". Übers Wochenende bekam das der nicht minder selbstbewusste Elon Musk zu Ohren - und wehrte sich: Er sei überrascht über die Äußerungen, Tesla habe doch bessere Soft- und Hardware. Etliche Roboautoprofis schlugen sich derweil auf Krafciks Seite. Hier die Reaktionen auf unser Gespräch.
Vor mehr als zehn Jahren startete das Berliner Start-up Ubitricity mit der Idee, Straßenlaternen zu Ladesäulen umzubauen. Nun will der Ölmulti Shell das Unternehmen schlucken, um sein Geschäft mit der Elektromobilität zu stärken. Für die Gründer dürfte sich das lohnen.
Die russische Sberbank, Putins Hausbank also, versucht sich als Big-Tech-Player neu zu erfinden. Der einstige Monopolist macht nun in Streaming, Roboautos, E-Commerce und eigener Kryptowährung. Ziemlich viele Buzzwords, die modern klingen. Ob die Banker ihre ehrgeizigen Ziele erreichen können? Haben die Kollegen des "Economist" analysiert.
Meine Empfehlung für den Abend:

Frischer Wind in alten Gemäuern: Staatssekretär Jörg Kukies am Wirkungsort.
Foto: Tim McDonagh für manager magazinCorona, Pleiten, Kreditausfälle – die größte Wirtschaftskrise der Nachkriegszeit beschert den Unternehmensberatern gute Geschäfte. Doch wer unter den Firmensanitätern taugt wirklich etwas für welche Probleme? Der Bonner Wirtschaftsprofessor Dietmar Fink (53) hat das in einer umfangreichen Studie mit mehr als 1000 befragten Führungskräften untersucht, deren Ergebnisse wir Ihnen exklusiv präsentieren. In einer Art Reihenuntersuchung hat der Consultingspezialist Qualität und Image der führenden Unternehmensberater, der größten IT-Beratungen und der Consultingsparten der vier großen Wirtschaftsprüfer analysiert und die Geschäftsaussichten der Zunft vorhergesagt. Aufgegliedert finden Sie Rankings zu folgenden Fragen: Wer kennt sich in welchen Branchen besonders gut aus? Wer kann was besonders gut? Wer hat welche Fachgebiete? Kleiner Spoiler: McKinsey schneidet ganz gut ab, EY (Wirecard!) eher nicht. Das sind Deutschlands beste Unternehmensberater.
Aber auch die besten Beraterinnen und Berater helfen erstmal nicht, wenn plötzlich neuartige Großrisiken eintreten, Stichwort: Corona. In einem ausführlichen Beitrag für den Harvard Business manager geben zwei Harvard-Professoren und eine Oxford-Professorin sehr konkrete Hilfestellungen, wie Führungskräfte reagieren können. Spoiler: Achten Sie auf Anomalien, werten Sie Berichte Ihrer Mitarbeiter in den Regionen aus und achten Sie auf ungewöhnliche Ereignisse außerhalb Ihrer Branche. Tritt ein Extremrisiko ein, sollten Sie schnell ein zentrales Krisenreaktionsteam aufstellen oder Ihre Leute vor Ort dazu ermächtigen, sich selbst um die Situation zu kümmern. Hier die Details: Wenn Krisenpläne nicht mehr greifen
Bleiben Sie gesund. Herzlich, Ihr Lukas Heiny