
Der Donnerstag im Überblick Zwischen Börsencrash und Aktienkaufrausch
Liebe Leserin, lieber Leser,
jeden Abend fassen wir die wichtigsten Wirtschaftsnews des Tages zusammen. Heute mit dem Rekordbörsengang von Porsche, einer Notrettung in London und der Dauerkrise der Autozulieferer.
Es ist schwer, die derzeitige Lage der Welt nicht als deprimierend zu empfinden. Die Inflation auf Rekordhöhe, die deutsche Wirtschaft vor der Rezession, die Börsen in miesester Stimmung. Wie schlimm wird es noch? lautet die bange Frage – auf die leider niemand eine Antwort hat.
Beunruhigende Nachrichten gibt es genug, etwa aus London. Dort verhinderte die Bank of England gestern offenbar im letzten Moment eine Kernschmelze am Anleihemarkt. Der Absturz des britischen Pfunds und Rekordrenditen für britische Staatsanleihen hatten zahlreiche Pensionsfonds und damit das ganze Rentensystem auf der Insel ins Wanken gebracht. Die Notenbank sah ein "erhebliches Risiko für die britische Finanzstabilität" – und griff mit einer spektakulären Notoperation ein.
Als robustes gallisches Dorf erweist sich derzeit nur Zuffenhausen bei Stuttgart. Mitten im Marktchaos schaffte der dort beheimatete Sportwagenbauer Porsche einen der weltweit größten Börsengänge aller Zeiten. Warum der Börsengang gegen fast jede Regel doch ein Erfolg geworden ist und wieso sich Investoren um die Porsche-Aktien reißen, darüber sprechen unser Chefredakteur Sven Clausen und sein Stellvertreter und Auto-Experte Michael Freitag in unserem wöchentlichen Podcast "Das Thema".

Porsche fährt an der Börse vor: Porsche- und VW-Chef Oliver Blume in Frankfurt
Foto: Michael Probst / APDie Wirtschaftsnews des Tages:
Bundesregierung beschließt Gaspreisbremse: Die Ampel-Koalition will die steigenden Gaspreise in Deutschland mit einer Preisbremse dämpfen. Daher hat sie sich auf ein Entlastungspaket von bis zu 200 Milliarden Euro geeinigt. Die ursprünglich geplante Gasumlage wird gestrichen.
Inflation auf höchstem Stand seit 70 Jahren: Nach dem Wegfall des Tankrabatts und des Neun-Euro-Tickets sind die Verbraucherpreise im September noch einmal deutlich angestiegen. Die Teuerungsrate erreichte erstmals seit Jahrzehnten die Marke von 10 Prozent. Besonders stark stiegen die Preise für Energie und Lebensmittel.
Wirtschaftsforscher erwarten Rezession: Die führenden Wirtschaftsforschungsinstitute prognostizieren für 2023 einen Rückgang der deutschen Wirtschaftsleistung. Das Bruttoinlandsprodukt werde 2023 voraussichtlich um 0,4 Prozent zurückgehen, schreiben sie in ihrem Herbstgutachten. Sollte der Winter kalt und das Gas knapp werden, könnte die Wirtschaft sogar um knapp 8 Prozent einbrechen.
Viertes Leck in Nord-Stream-Pipelines: An den Nord-Stream-Gaspipelines zwischen Russland und Deutschland ist in der Ostsee ein weiteres Leck entdeckt worden. Noch ist unklar, wer dafür verantwortlich ist. Sicherheitsexperten verdächtigen allerdings Russland.
Was uns sonst noch beschäftigt hat:

Was ist los im Immobiliengeschäft? Skyline von Berlin
Foto: Dirk Sattler / IMAGODer ominöse Crash der Baufinanzierungen: In Zeiten niedriger Zinsen erlebte der Immobilienmarkt einen Dauerboom. Einer der Profiteure: Der Finanzdienstleister Hypoport, der sein Geld unter anderem mit Baufinanzierungen verdient. Gründer und CEO Ronald Slabke schaffte es dank des Erfolgs in die Riege der deutschen Milliardäre. Bis er vergangene Woche die deutsche Finanzwelt mit einer Gewinnwarnung schockierte. Die Aktie von Hypoport stürzte ab. Seit dem Crash herrscht Unruhe: Was braut sich dort auf dem Immobilienmarkt zusammen? Unsere Kollegin Maren Jensen ist der Frage nachgegangen.
So verhindern Sie nach einer Kündigungswelle den Totalausfall: Für Führungskräfte sind Kündigungen – vor allem von mehreren Teammitgliedern – eine große Herausforderung. Wenn Abteilungen von 50 Köpfen auf 35 schrumpfen oder ein Team aus zehn Mitgliedern auf einmal nur noch aus sieben besteht, reicht es nicht aus, Aufgaben umzuverteilen. Unsere Kollegen vom Harvard Business manager haben drei Maßnahmen zusammengestellt, die Chefs und Chefinnen helfen können, ausgedünnte Teams vor Erschöpfung bewahren.
Unsere Empfehlung für den Abend:

(Bald) brotlose Kunst: V8-Motor, PS- und renditestark, aber auf dem Weg in die Rente
Foto: da-kuk / Getty ImagesWarum so viele Automobilzulieferer in die Dauerkrise rutschen: Die Autowelt ist geteilt wie wahrscheinlich nie zuvor. Den Herstellern geht es noch blendend, trotz Krieg und Teileknappheit. Sie können die wenigen verfügbaren Chips in teure Modelle stecken und die höheren Preise an die Kunden weiterreichen. Die Zulieferer dagegen müssen mehr für die Chips bezahlen als gewohnt, die Rohstoffe werden teurer – und sie bekommen keinen oder zu wenig Ausgleich. Unser Kollege Christoph Seyerlein hat sich in der Branche umgehört und kommt zu einer erschreckenden Diagnose: Obwohl sich das Ende des Verbrenners lange angekündigt hat, überfordert die Technologiewende viele Vorstände. Oder wie es der Chef eines Mittelständlers ausdrückt: "Aktuell kippelt jeder zweite Zulieferer."
Ich wünsche Ihnen trotz allem einen schönen Abend!
Ihr Oliver Hollenstein