
Der Mittwoch im Überblick Grüne Netze und schmerzhafte Witze
Liebe Leserin, lieber Leser,
wer Politik besser verstehen will, muss sich in der Regel die Netzwerke der Beteiligten anschauen, und zwar sowohl die persönlichen als auch die finanziellen: Wer kennt wen? Wer finanziert was? In Berlin etwa brachten diese Fragen zuletzt bemerkenswerte Verbindungen im Wirtschaftsministerium ans Tageslicht: Patrick Graichen, wichtiger Staatssekretär im Hause Habeck, hat merkwürdig viele Verwandte in seinem beruflichen Umfeld, sein Trauzeuge wäre gerade um ein Haar Chef der bundeseigenen Deutschen Energie-Agentur geworden. Nachdem Minister Robert Habeck den Fehler hatte einräumen müssen, begann heute die parlamentarische Aufarbeitung der Affäre. Habeck und Graichen stellten sich den Fragen der Abgeordneten.
Dabei lohnt ein genauerer Blick auf Graichen und dessen weitere Verbindungen. Der 51-Jährige ist nicht irgendwer im Wirtschaftsministerium. Als Habecks Mann für die Energiewende steuert er den Umbau der deutschen Wirtschaft. Das Netzwerk, auf das er dabei zurückgreift, reicht weit über seine Familiengrenzen hinaus – bis ins ferne Kalifornien. Dort sitzt ein Mann, der über Hunderte Millionen Euro an Stiftungsgeldern herrscht, die er weltweit für den Kampf gegen den Klimawandel einsetzt, auch in Deutschland. Der Mann heißt Hal Harvey, und er hat auch dank seines Verbündeten Graichen mehr Einfluss auf die deutsche Klimapolitik als manche Ministerin oder mancher Minister.
Gemeinsam mit weiteren Alliierten wie etwa dem Metro-Großaktionär Michael Schmidt-Ruthenbeck und unter Einsatz von Millionensummen treiben Graichen und Harvey den deutschen Klimaschutz voran. Sie besetzen Posten, lancieren Ideen, finanzieren Initiativen. Die Details dazu kennt mein Kollege Claas Tatje, der sich die grüne Lobbywelt genau angeschaut hat und einige tiefe Einblicke gibt .

Millionen für den Klimaschutz: Der Amerikaner Hal Harvey hat mehr Einfluss auf die deutsche Klimapolitik als manche Ministerin oder mancher Minister
Foto:Nicholas Albrecht
Die Wirtschaftsnews des Tages:
EU-Gericht kippt Lufthansa-Hilfen – theoretisch: Während der Corona-Pandemie geriet die Lufthansa erheblich in Schieflage, nur durch milliardenschwere Finanzhilfen des Bundes konnte sie am Leben gehalten werden. Heute entschied jedoch das EU-Gericht: Diese Hilfen hätten nicht fließen dürfen, die Genehmigung durch die EU-Kommission war nicht rechtens. Allerdings lässt sich die Zeit nicht zurückdrehen. Die Pandemie ist vorbei, die Rettung war erfolgreich, die Lufthansa hat das Geld längst zurückgezahlt. Für die Fluggesellschaft dürfte der Gerichtsentscheid daher praktisch kaum Folgen haben.
Heftige Proteste auf Volkswagens Hauptversammlung: Während der heutigen Hauptversammlung des Volkswagen-Konzerns in Berlin musste das Management nicht nur über ein turbulentes zurückliegendes Jahr berichten (Chefwechsel, Probleme mit der Softwaretochter Cariad, Probleme in China). Am und um den Versammlungsort im Berliner City Cube ging es ebenfalls lebhaft zu, Zwischenrufe, Oben-ohne-Proteste und ein Tortenwurf auf Aufsichtsrat Wolfgang Porsche inklusive. Der Unmut der Anwesenden richtete sich gegen das VW-Werk in China, gegen die CO2-Emissionen der hergestellten Fahrzeuge – und gegen die schwache Entwicklung des Aktienkurses. Das Sicherheitspersonal hatte alle Hände voll zu tun.
Was heute sonst noch wichtig war:
Warum sich Zentralbanken mit Gold eindecken: Seit Monaten stocken Zentralbanken vor allem aus Schwellenländern ihre Goldbestände massiv auf. Allein im ersten Quartal dieses Jahres kauften sie unter dem Strich 228 Tonnen des Edelmetalls hinzu. John Reade, Chefstratege der Branchenvereinigung World Gold Council, erklärt die Entwicklung mit dem Krieg Russlands gegen die Ukraine und der zunehmenden Unsicherheit. Im Interview sagt er , was von den Notenbanken künftig zu erwarten ist, wie sich deren Verhalten auf den Goldpreis auswirkt – und warum Russland allen Sanktionen zum Trotz auch seine Goldreserven für die Kriegsfinanzierung einsetzen kann.
Nahrungs-Start-up mit Superwachstum: Christian Wolf ist einer der erfolgreichsten Gründer der deutschen Nahrungsmittelszene. Seine Firma namens The Quality Group legt mit dem Verkauf von Süßstoffen, Proteinpulvern und Spezialriegeln enormes Wachstum hin. Wolfs Versprechen, das er regelmäßig auch seinen Hunderttausenden Followern auf Tiktok gibt, lautet: Gesund ernährt sich, wer Produkte der Quality Group konsumiert. Mein Kollege Henning Hinze stellt Ihnen den Guru und sein Start-up vor .
Meine Empfehlung für den Abend:

Eigene Show: Carolin Kebekus findet, Frauen sollten in der Gesellschaft mehr Raum einnehmen
Foto:Boris Breuer
Interview mit Carolin Kebekus: Die Welt ist nach wie vor männlich dominiert – auch die Comedy-Welt. Carolin Kebekus ist zwar deutschlandweit bekannt, aber als weibliche Comedian ist sie immer noch eine von wenigen. Kebekus, die viele Preise gewann und eine eigene Show in der ARD hat, nervt das offenbar. "Frauen wird nach wie vor eingeredet, ihnen stünde weniger Platz zu als Männern – und dass sie um diesen Platz konkurrieren müssten", sagt sie im Interview mit Kollegin Sara Mously vom Harvard Business manager . In dem Gespräch geht es außerdem um Humor mit Haltung, Witze, die wehtun, und das Fehlen weiblicher Vorbilder für den Nachwuchs. Mein Urteil: auch ohne Pointe lesenswert.
Beste Grüße, Ihr Christoph Rottwilm
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