
Der Mittwoch im Überblick Fehlende Kabelbäume und Stollen für Putin
Liebe Leserin, lieber Leser,
jeden Abend fassen wir die wichtigsten Wirtschaftsnews des Tages zusammen. Heute mit drohenden Engpässen, wirksamen Sanktionen und einem nachdenklichen Gebäckkönig.
Der Angriffskrieg Russlands bringt Tod und Verderben in die Ukraine und für einen Moment gilt: Deutschland, einig Vaterland gegen den Aggressor Wladimir Putin. Doch das wird ein schnell vorübergehender Zustand sein, analysiert unser Chefredakteur Martin Noé in seinem aktuellen Kommentar zur Lage. Sein Plädoyer: Wir müssen uns den veränderten Realitäten stellen, politisch wie wirtschaftlich mit der Macht Russlands umgehen, die sich aus Panzern und Atomraketen speist. Denn Russland dauerhaft wirtschaftlich zu isolieren ist nicht möglich, und Putin wird vermutlich auch künftig noch da sein. Für Unternehmen heißt das, schreibt Noé, einen Kompass zu finden, der einigermaßen souverän zwischen purem moralischem Anspruch und kaltem Geschäftsinteresse navigiert.
Welche deutschen Unternehmen gerade konkret in diesem Dilemma stecken, haben wir hier zusammengestellt. Darüber hinaus haben wir uns heute damit beschäftigt, wie der Krieg sich auf die internationalen Warenströme auswirkt, wo jetzt Engpässe drohen – und wie die Sanktionen bereits wirken.
Wo es jetzt schon knapp wird
Die Ukraine-Krise trifft die Wirtschaft mitten in der Erholung von der Corona-Pandemie. Nun drohen neben Problemen in der Energieversorgung auch steigende Preise für Rohstoffe und Produkte – verbunden mit einer weitreichenden Störung der Lieferketten. Der Krieg legt nicht nur den Handel mit zahlreichen Produkten lahm, auch die Transportwege verlängern sich teilweise massiv. Erste Lieferengpässe zeichnen sich nur wenige Tage nach Kriegsbeginn bereits beim Import von Rohmetallen und metallhaltigen Vorstoffen ab, warnte Industriepräsident Siegfried Russwurm.
Besonders betroffen vom Teilemangel ist die Autoindustrie. Nach dem Volkswagen-Konzern kündigten jetzt auch Porsche und BMW an, ihre Werke herunterzufahren und die Bänder zu stoppen. Den Herstellern fehlen vor allem Kabelsätze und Bordnetze des Zulieferers Leoni, der bislang mit 7000 Mitarbeitern in der Westukraine produzierte. Einen Überblick über die Lage in der Autoindustrie lesen Sie hier. Wo darüber hinaus jetzt Engpässe drohen, haben wir hier zusammengestellt.

Stopp am Band: Porsche setzt die Fertigung in Leipzig aus, in Zuffenhausen wird geprüft
Foto: Marijan Murat/ picture alliance/dpaWie die Sanktionen bereits wirken
Am späten Dienstagabend haben sich die 27 EU-Staaten in Brüssel auf weitere Wirtschaftssanktionen gegen Russland geeinigt. Zunehmend zeigen die Strafmaßnahmen dabei Wirkung – direkt und indirekt.
Wegen der Sanktionen muss die russische Sberbank seine Europa-Tochter abwickeln. Betroffen davon sind etwa 35.000 Kundinnen und Kunden, die meisten aus Deutschland. Die gute Nachricht für die Sparer: Von den Einlagen in Höhe von einer Milliarde Euro seien 913 Millionen Euro durch die Einlagensicherung gesichert, teilte der Bundesverband deutscher Banken mit.
Auch für die russischen Oligarchen wird es zunehmend ungemütlich. Gestern hatten bereits einige moniert, sich zu Unrecht an den Pranger gestellt zu fühlen. Nun reagieren offenbar viele kremltreue Milliardäre auf die Ankündigung der USA, möglicherweise bald das Eigentum der mit Sanktionen belegten Russen zu beschlagnahmen. Sie verlegen ihre Luxusjachten kurzum auf die Malediven.
Der russische Unternehmer und Putin-Freund Roman Abramowitsch will unterdessen angeblich den englischen Fußball-Clubs FC Chelsea verkaufen. Als Käufer kommt der Schweizer Milliardär Hansjörg Wyss in Frage.
Welche reichern Putin-Freunde von den Sanktionen betroffen sind, haben wir hier zusammengefasst. Einen Überblick über die Sanktionen lesen Sie hier.
Die Wirtschaftsnews des Tages:
Sixt feiert höchsten Gewinn der Geschichte: Eine starke Nachfrage und höhere Preise haben dem Autovermieter Sixt im vergangenen Jahr einen Rekordgewinn beschert. Im Vergleich zum Vor-Corona-Jahr 2019 stieg das operative Ergebnis vor Steuern um gut 43 Prozent. Im ersten Corona-Jahr 2020 war das Unternehmen in die roten Zahlen gerutscht.
Übernahme von Europcar verzögert sich: Ein Konsortium um den Autobauer Volkswagen will den Sixt-Rivalen Europcar für knapp drei Milliarden übernehmen. VW-Chef Herbert Diess will damit ein umfassendes Mobilitätsangebot aufbauen. Doch nun verzögert sich das Geschäft.
Ford spaltet sich in zwei Unternehmen auf: Konzernchef Jim Farley baut den US-Konzern radikal um. Künftig sollen die Elektroautos und das Verbrennergeschäft in zwei eigenständigen Einheiten agieren, mit eigenen Geschäftszahlen – aber unter dem Ford-Dach.
Was uns sonst noch beschäftigt hat:
Warum Beratungen die falschen Leute einstellen: Fürs Recruiting haben Consultingfirmen ein Lieblingsinstrument – das Case-Interview. Die Kandidaten erhalten ein Szenario aus dem Geschäftsalltag (also einen Case oder eine Fallstudie) und sollen erklären, wie das Problem zu lösen wäre. Das ist jedoch kolossale Zeitverschwendung, schreiben unsere Kollegen vom Harvard Business manager. Studien zeigen: Die Methode versagt. Sie fördert Willkür und Vorurteile.
Meine Empfehlung für den Abend:

Lambertz-Chef Hermann Bühlbecker im November 2019 mit Wladimir Putin
Foto:Lambertz
Hermann Bühlbecker ist der König des Herbst- und Weihnachtsgebäcks – und eng vernetzt mit Promis weltweit. Der Inhaber der Lambertz-Gruppe kennt seit vielen Jahren Vitali Klitschko, den Box-Champion und Bürgermeister von Kiew. Ende 2019 traf er zudem Russlands Präsidenten Wladimir Putin im russischen Sotschi – das Gesprächsthema war schnell klar: Putin ist seit seiner Stationierung als KGB-Agent in Dresden bekennender Fan von Dresdner Stollen, die auch die Lambertz-Gruppe im Angebot hat. Ein Erinnerungsfoto zeigt Bühlbecker mit Putin und Stollen. Unser Kollege Lutz Reiche hat den Unternehmer gefragt, wie er heute über die Begegnung denkt und was die Ukraine-Krise für seinen Konzern bedeutet.
Ich wünsche Ihnen einen schönen Abend!
Ihr Oliver Hollenstein