
Der Freitag im Überblick Poker mit Verboten
Stellen Sie sich vor, Sie befragen eine künstliche Intelligenz (KI), und deren Antwort lautet: "Pardon, ich bin in der EU verboten." Mit diesem Szenario pokern gerade die KI-Pioniere aus den USA und die europäischen Regulierer. Wenn die EU-Regeln für KI zu streng ausfielen, werde man sich aus Europa zurückziehen, drohen die Amerikaner. Es gehe um die Sicherheit und das Wohl der Europäer, kontert EU-Industriekommissar Thierry Breton: "Das ist unverhandelbar."
Sam Altman, der Chef des ChatGPT-Erfinders OpenAI, hat bei seinem Deutschland-Besuch nun sanftere Töne angeschlagen. Eine Regulierung von KI sei ohne Zweifel notwendig, sagte er auf einer Deutschland-Tour, die ihn auch ins Kanzleramt führte. Es sei auch gut, für Diskussionen einmal aus der kalifornischen "Echo-Kammer" herauszukommen. Google-Chef Sundar Pichai hat Anfang der Woche mit Breton über mögliche freiwillige Regeln gesprochen. Die Drohung mit dem Rückzug schwebt allerdings weiter im Hintergrund. Und das Kernproblem der Europäer bleibt: Die Technologie entwickelt sich in Übersee und zudem so schnell, dass die Regulierer kaum nachkommen.
Die Potenziale und Gefahren hat meine Kollegin Franziska Martin in einem besonderen Anwendungsfeld näher untersucht: Tools mit "emotionaler KI" sollen helfen, die Gefühlszustände von Menschen zu erkennen. So könnten etwa Pflegeroboter verbessert, aber auch Bewerbungsverfahren optimiert werden. "Pseudowissenschaft" nennt das hingegen die Oxford-Juristin Sandra Wachter.
Die Märkte setzen auf den Boom: Nvidia, der Chiphersteller, dessen Produkte für KI-Anwendungen besonders gefragt sind, präsentierte gestern einen äußerst positiven Ausblick, die Aktie schoss um fast 25 Prozent hoch. Nvidia könnte schon in Kürze der erste Halbleiterhersteller mit einem Börsenwert von über einer Billion Dollar sein – nur noch knapp 7 Prozent Kursplus fehlen.

Analysiert die Emotionen seines Gegenübers: Der Roboter Luna Pepper
Foto: DPADie Wirtschaftsnews des Tages:
Ladefehler: Die Idee war gut, aber das Ergebnis sind riesige Verluste. Der Autozulieferer Webasto, erfolgreich bei Dach- und Heizungssystemen, wollte mit Wallboxen den E-Autoboom nutzen. Der Plan ist gescheitert, hat mein Kollege Christoph Seyerlein recherchiert. Vorstandschef Holger Engelmann will den Stecker ziehen und die Sparte bis Jahresende loswerden. Nur ist auch das gar nicht so einfach. Womöglich muss er dem Abnehmer sogar noch etwas draufzahlen.
Best in Class: Die Unternehmensberater werden teilweise scharf und prominent kritisiert. Aber ihre Fähigkeiten sind heute gefragter denn je. Wer ist der beste Berater für welche Aufgabe? Eine Exklusivstudie über McKinsey, BCG, Bain und Co. für das manager magazin gibt die Antworten. Und soviel schon mal als Spoiler: Den alten Marktführern von McKinsey scheinen das Skandalimage weniger zu schaden, als viele dachten.
Stabwechsel: Der "Spiegel" hat seit heute einen neuen Chefredakteur. Dirk Kurbjuweit folgt auf Steffen Klusmann, der die Redaktion seit Anfang 2019 geführt hatte. Zugegeben: Für viele bei uns war das die eigentliche Topnachricht dieses Tages. Steffen Klusmann war zuvor fast fünf Jahre lang unser Chefredakteur, mit dem "Spiegel" sind wir eng verbunden, wir teilen uns in Hamburg ein Haus und der Spiegel-Verlag ist zu 75,1 Prozent Eigentümer des manager magazins. Wir wünschen dem alten und dem neuen Chef alles Gute!
Welche Recherche uns besonders wichtig ist:

Do it yourself: Die Investorinnen Gesa Miczaika (l.) und Bettine Schmitz investieren mit ihrem eigenen Fonds – und vernetzen Gründerinnen in der Start-up-Szene
Foto:Marzena Skubatz für manager magazin
Aus dem Schatten: Die Start-up-Szene ist für ihre Machokultur berüchtigt. Frauen fühlen sich oft diskriminiert und ausgegrenzt (was die Zahlen belegen). Meine Kollegin Christina Kyriasoglou hat über Monate mit vielen Insiderinnen gesprochen. Sie haben ihr von Machtmissbrauch, Diskriminierung und auch Belästigungen berichtet, die sie persönlich erfahren haben. Das offen zu thematisieren ist schwierig, die Szene ist klein – oft hängt die eigene Karriere daran. Cliquenartigen Männerzirkeln gelingt es oft, Skandale und Probleme zu vertuschen. Neben den dominierenden Boybands entstehen allerdings inzwischen auch neue Netzwerke: Gründerinnen und vor allem Investorinnen schließen sich zusammen und bauen weibliche Gegenmacht auf. Zu lesen ist das Ergebnis der Recherche hier . Und wenn Sie der Autorin lieber zuhören – im Podcast berichtet sie von ihrer Recherche.
Was Ihnen in Ihrer Karriere helfen könnte:
Daddeln? Ja, richtig: Daddeln. Oder besser gesagt: "Gamification". Zähe Schulungsprogramme können deutlich populärer und wirksamer werden, wenn sie als Computerspiel aufgebaut werden. Eine Studie der Harvard Business School hat das nachgewiesen und gibt zusätzliche Tipps für die Praxis.
Meine Empfehlungen für das lange Wochenende:

Nun ganz cool: Die Milliardäre Martin und Max Viessmann wollen ein Klimakühltechnik-Imperium aufbauen
Foto: Jann Höfer für manager magazinKapital und Klima: Es war bislang so etwas wie der Deal des Jahres. Martin und Max Viessmann, die Eigentümer des traditionsreichen Familienunternehmens, haben ihr Wärmepumpengeschäft für 12 Milliarden Euro in die USA verkauft. Warum sie dabei sogar noch auf viel Geld verzichteten und was sie mit ihren Milliarden jetzt planen, haben sie meinem Kollegen Martin Noé in einem ausführlichen Doppelinterview erklärt . Vorab: Vater und Sohn wollen eine industrielle Gruppe rund um das Klimathema aufbauen.
Pflüge zu Schwertern: Das Ende des Kalten Krieges brachte das wohl schönste Sparprogramm der Weltgeschichte. Militärausgaben sanken, die große "Friedensdividende" floss. Jetzt geht es leider in die Gegenrichtung: Weltweit sind schon zusätzliche Rüstungsausgaben von über 200 Milliarden Dollar angekündigt, haben die Kollegen des "Economist" für ihr Dossier über das neue Wettrüsten ermittelt. Während die Waffenindustrie vor einem Boom steht, muss die Politik klären, woher die Ressourcen dafür kommen sollen. Keine angenehme, aber eine wichtige Lektüre: Die neue Ära der "Kriegssteuer" könnte auch makroökonomisch hässlich werden.
Ich wünsche Ihnen ein frohes Pfingstfest, Ihr Christian Schütte
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