

Newsletter "Der Tag" Der Tag mit Peking und der Direktive
Liebe Leserin, lieber Leser,
jeden Abend fassen wir die wichtigsten Wirtschaftsnews des Tages zusammen. Heute mit Hasenfüßen in China, Turteltauben in Korea und Sündenböcken in Brüssel.
Das Rätsel um Jack Ma beschäftigt uns schon seit einigen Tagen. Im Oktober ist der chinesische Multimilliardär und Alibaba-Gründer zuletzt öffentlich aufgetreten, bei einem Vortrag in Shanghai, seitdem ist er von der Bildfläche verschwunden. Und die Vermutung liegt sehr nahe, dass dieses Verschwinden mit dem Vorgehen Chinas gegen Mas Unternehmensgruppe zu tun hat.
Zunächst sorgten Chinas Behörden im November dafür, dass Mas Traum vom weltgrößten Börsengang mit der Alibaba-Tochter Ant Financial im letzten Moment platzte. Dann folgten Monopolermittlungen gegen Alibaba selbst sowie weiterer Druck der Zentralbank auf Ant. Nun wird immer deutlicher, dass dahinter offenbar tatsächlich eine staatlich gesteuerte Kampagne steckt. Wie heute die "Financial Times" berichtete, gibt es inzwischen aus Peking eine klare Direktive an Chinas Medienhäuser, bei der Berichterstattung über das Kartellverfahren gegen Alibaba streng die offizielle Linie der Behörden zu befolgen. Ausführliche Analysen der Vorgänge, der Standpunkt des Unternehmens oder gar die Sichtweise ausländischer Medien auf die Causa - all das ist nicht erwünscht, wie Sie hier ausführlich nachlesen können. Gut möglich also, dass sich die Machthaber der Volksrepublik durch den Online-Giganten Alibaba tatsächlich bedroht fühlen.
Immerhin, eine gute Nachricht gibt es auch: Jack Ma ist nach Angaben des US-Senders CNBC nicht wirklich verschwunden. Der Alibaba-Chef sei angesichts der Entwicklungen vielmehr lieber auf Tauchstation gegangen, so der Sender.

Zu groß für China? Jack Ma und Alibaba befinden sich im Visier Pekings
Foto: Mark Schiefelbein / APDie Wirtschaftsnews des Tages:
Diese Nachricht kann wirklich elektrisieren: Berichten zufolge lotet der südkoreanische Autobauer Hyundai eine Elektroauto-Kooperation mit Apple aus. Ein "iCar", made in Korea? Die Hyundai-Aktionäre frohlocken bereits - dabei klingen die Details bislang noch ziemlich vage.
Der Elektrofaktor ist auch das einzig Positive an dieser Meldung: Um 19 Prozent, also beinahe ein Fünftel, ist der deutsche Automarkt im Corona-Jahr 2020 eingebrochen. Damit bewegte sich das Geschäft wieder auf dem Niveau von vor zehn Jahren. Einziger Lichtblick? Genau: Der Anteil der Elektroautos an den Neuwagen hat sich verdreifacht.
Sorry, aber bei dieser Meldung musste ich unwillkürlich daran denken, wie jemand am Silvesterabend in einem Toprestaurant anruft, um zu fragen, ob er wohl kurzfristig noch einen Tisch haben könne: Die EU-Kommission wurde offenbar durch die Kritik an ihrer Impfstoffstrategie aufgeschreckt und hat nun noch einmal nachgeordert. 300 Millionen Dosen des Vakzins von Biontech und Pfizer wurden zusätzlich bestellt, 75 Millionen davon sollen schon im zweiten Quartal zur Verfügung stehen. Die Anzahl der Impfungen müsse "zügig" angehoben werden, sagte Kommissionschefin Ursula von der Leyen - da dürfte ihr wohl niemand widersprechen.
Was heute sonst noch wichtig war:
Und täglich grüßt der Bitcoin. Heute erstmals von jenseits der 41.000-Dollar-Marke, während gleichzeitig der Goldpreis unter Druck geriet. Bei der Gelegenheit auch gleich der Hinweis auf unsere meistgelesene Geschichte von gestern: Die Ein-Million-Dollar-Bitcoin-Frage, das fachkundige Hintergrundstück zum Krypto-Hype von Ökonom Cyrus de la Rubia. Und wem das an Tiefenrecherche noch nicht genug ist, auch die Kollegen vom "Economist" haben sich in ihrer neuen Ausgabe des Themas angenommen, und wir möchten Ihnen diesen Text ebenfalls ans Herz legen: Rekordjagd - was den neuesten Bitcoin-Boom erklärt.
Wobei "Economist", da haben wir noch zwei weitere Stücke im Angebot. Zum einen das Porträt eines Tech-Riesen, von dem sonst nur selten in Wirtschaftsmedien die Rede ist: Wikipedia wird 20 Jahre alt - und taugt durchaus als Vorbild für andere IT-Unternehmen. Und zum anderen ein echtes Schmankerl für Investoren und solche, die es werden wollen: Der Marktausblick 2021 - warum der irre Börsenboom weitergehen wird.
Indes: Heute zumindest ging der "irre Börsenboom" schon mal ein Stück weiter, zum Beispiel mit einem Dax weiterhin oberhalb von 14.000 Punkten und einem neuen Höchststand an der Nasdaq trotz schwacher Daten vom US-Arbeitsmarkt.
Meine Empfehlung für den Abend:

Weltökonomin: Die indischstämmige Harvard-Professorin und Finanzmarktexpertin Gita Gopinath ist seit Anfang 2019 Chefökonomin des IWF
Foto: T.J. Kirkpatrick/Redux/laifChristina Lagarde leitet die EZB und hat sich mit der Ökonomin Isabel Schnabel bereits eine weitere Frau an ihre Seite geholt, Janet Yellen, früher an der Spitze der US-Notenbank Fed, wird in Kürze US-Finanzministerin, und entweder Ngozi Okonjo-Iweala, Ex-Finanzministerin von Nigeria, oder Südkoreas Handelsministerin Yoo Myung-hee - auch die Führung der Welthandelsorganisation in Genf, so viel steht bereits fest, wird demnächst eine Dame übernehmen. Der Trend ist klar: Wie nie zuvor nehmen Frauen weltweit Einfluss in der einstigen Männerdomäne Makroökonomie. Sie sichern sich Schlüsselpositionen und sind beteiligt, wenn Milliarden öffentlicher Hilfsgelder verteilt werden. Vor allem aber wollen sie einen neuen Kapitalismus - und sie könnten sich damit durchsetzen, schreiben meine Kolleginnen Eva Buchhorn und Eva Müller in ihrem spannenden Stück über "Die weibliche Revolution des globalen Kapitalismus".
Beste Grüße, Ihr Christoph Rottwilm