
Der Dienstag im Überblick Eine Dax-Chefin weniger, eine Dax-Chefin mehr
Wenn eine Frau an die Spitze eines Dax-Konzerns rückt, ist das stets ein besonderes Ereignis. Zu sehr wird die Beletage der deutschen Wirtschaft nach wie vor von Männern dominiert. Verlässt indes eine Dame einen Chefposten in der ersten Liga wieder, so wird ihr beinahe noch größere Aufmerksamkeit zuteil. Zumal, wenn der Abgang nach nur zwei Monaten Amtszeit erfolgt, und zwar von gestern auf heute.
Carla Kriwet trat ihren Job als CEO von Fresenius Medical Care (FMC) erst Anfang Oktober an – und legte am späten Montag im gegenseitigen Einvernehmen, wie es anschließend hieß, ihr Amt nieder. Dass es ganz so einvernehmlich dann wohl doch nicht zuging bei FMC, zeigt schon der genannte Grund in der offiziellen Konzernmitteilung: "strategische Differenzen". Die Zeichen, die jetzt aus dem Unternehmen dringen, deuten auf einen handfesten Streit auf der Führungsebene hin. Kriwet lag offenbar über Kreuz mit Michael Sen, dem ebenfalls frisch inthronisierten CEO des Mutterkonzerns Fresenius und Aufsichtsratschef von FMC. Dieser forderte einen stärkeren "Fokus auf den operativen Turnaround".

Plötzlicher Abgang: Carla Kriwet ist nicht mehr FMC-Chefin
Foto: Bernd von Jutrczenka / dpaKlar, Kriwet übernahm von vornherein eine Mammutaufgabe. Der Konzern steckte bereits in Schwierigkeiten, als Covid-19 sich auszubreiten begann, und durch die Pandemie sind die Probleme nur noch größer geworden. Zwei Gewinnwarnungen in Folge verschreckten die Anleger, der Konzernwert halbierte sich fast seit Jahresanfang auf weniger als 9 Milliarden Euro. Klar ist nun aber ebenfalls: Auch die nächste Frau an der Spitze eines Dax-Konzerns übernimmt eine Mammutaufgabe. Nachfolgerin ist Helen Giza, die bisherige Finanzvorständin des Dialyse-Konzerns.
Unser Kollege Dietmar Palan berichtet, wie der Machtkampf bei FMC eskalierte und zum CEO-Wechsel führte.
Die Wirtschaftsnews des Tages:
Starmanager verlässt S.Oliver: Claus-Dietrich Lahrs war früher Chef des Nobel-Modelabels Hugo Boss und ist als Topmanager über die Grenzen der Branche hinaus bekannt. Zu S.Oliver kam er 2019, mit dem klaren Ziel, den Modekonzern in neue Dimensionen zu hieven, die Marke zu modernisieren und zu internationalisieren. Geworden ist daraus bislang nicht viel. So überrascht die Nachricht, die Ihnen Kollege Martin Mehringer heute exklusiv präsentiert , nur bedingt: S.Oliver-Inhaber Bernd Freier verliert die Geduld mit Lahrs – der prominente Unternehmenschef muss gehen.
Impfstoffforscher auf Krawallkurs: Der Mainzer Impfstoffentwickler Biontech und sein US-Partner Pfizer hatten weltweit den ersten mRNA-Impfstoff gegen das Coronavirus auf den Markt gebracht. Dann kam der Nachzügler Moderna aus den USA, der inzwischen auf dem Klageweg versucht, die Konkurrenten auszubremsen. Jetzt folgt der jüngste Hieb in diesem Schlagabtausch: Biontech und Pfizer wehren sich mit einer Gegenklage.
Neues von der Preisfront: Jüngste Inflationsdaten deuten auf eine allmähliche Abmilderung der Preissteigerungen hin. Das bleibt auch der EZB nicht verborgen: Verschiedene führende Köpfe der Europäischen Zentralbank weisen in diesen Tagen darauf hin, dass Zinssteigerungen künftig womöglich mit geringerem Tempo erfolgen können. Heute meldete sich etwa EZB-Chefvolkswirt Philip Lane entsprechend zu Wort: Er sei zuversichtlich, das der Höhepunkt der Inflation bald erreicht sei.
Was heute sonst noch wichtig war:
Jan Beckers ist einer der Stars der Berliner Techszene, aber momentan in Erklärungsnot. Mit seinem Investmenthaus BIT Capital hat sich Beckers unter anderem auf Fonds spezialisiert, die ihr Geld in der Welt der Kryptowährungen anlegen. Wer den Markt in den vergangenen Wochen verfolgt hat, kann sich den Rest denken: Beckers Fonds haben bis zu 80 Prozent ihres Werts verloren. Ideale Voraussetzungen also für ein informatives Interview – Kollege Mark Böschen hat Beckers zu seinem Anlagedebakel befragt .
Kollege Oliver Hollenstein ist Experte für ein Debakel anderer Art: Er hat viel zum Cum-Ex-Skandal recherchiert und ist Co-Autor des Buches "Die Akte Scholz", über die Verstrickung des aktuellen Bundeskanzlers in das Thema. Heute ist er nach Bonn gefahren, wo sich der Prozess gegen Hanno Berger, das Mastermind in Sachen Cum-Ex, dem Ende nähert. Dort hat ein Kronzeuge eine bemerkenswerte Entscheidung getroffen: Er will Millionen Euro, die er mit Cum-Ex-Geschäften verdient hat, zurückzahlen. Zugleich gab es die Schlussplädoyers, die Staatsanwaltschaft forderte neun Jahre Haft für Hanno Berger.
Wir stellen Ihnen ein weiteres neues Mitglied der "Hall of Fame der deutschen Forschung" vor: Angela Schoellig ist international gefeierter Wissenschaftsstar, überschüttet mit Preisen. Die Professorin von der TU München macht Roboter schlauer, lässt Autos selbst fahren und Drohnen allein ihren Weg finden .
Veranstaltungstipp:
Mit welchem Gefühl beenden Sie 2022? Im Webinar unserer Kollegen von manage › forward gibt es heute Abend und am Donnerstagmittag viele wertvolle Impulse, mit denen Sie das trubelige Jahr zu einem aufgeräumten, guten Abschluss bringen können. Wir möchten Sie dazu herzlich einladen! Die Teilnahme ist kostenlos.
Meine Empfehlung für den Abend:

Hoch hinaus: Norqain-Gründer Ben Küffer (l.) mit Kompagnon Mark Streit in den Schweizer Alpen
Foto: Philipp Müller PhotographyLesen Sie gerne spannende Start-up-Geschichten? Bitte sehr: In der Schweiz hat Ben Küffer vor wenigen Jahren die Uhrenmarke Norqain gegründet. Schon kurz nach dem Start erreichte er den Break-even, aber: "Dann kam Jean-Claude", wie Küffer unserer Kollegin Michelle Mussler erzählte. Gemeint ist Jean-Claude Biver, 73 Jahre alt und eine Art Legende der Schweizer Uhrenindustrie. Biver riet zu Investitionen – und brachte das Jungunternehmen im Wettbewerb mit Big Playern wie TAG Heuer oder Longines erst so richtig in Fahrt. Die Besonderheit: Zwischen Gründer und CEO Küffer und seinem prominenten Berater liegen rund 40 Jahre Altersunterschied. So etwas ist anderswo oft ein Problem, doch bei Norqain entpuppt es sich als echter Erfolgsfaktor, wie Kollegin Mussler berichtet .
Beste Grüße, Ihr Christoph Rottwilm
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