
Der Freitag im Überblick Von Christine Lagarde über Reed Hastings bis Walther von der Vogelweide
Liebe Leserin, lieber Leser,
"Falke oder "Taube" – Notenbanker ordnen sich gewöhnlich einem der beiden Lager zu, je nachdem, wie sehr sie bereit sind, auf steigende Inflationsraten mit strikter Geldpolitik zu reagieren. EZB-Chefin Christine Lagarde will jedoch keins von beidem sein. Sie bezeichnet sich selbst gerne als "Eule", womit sie eine weise, neutrale Position einnehmen will.
Diese Haltung kann man auch als unentschlossen interpretieren. Sie hat Lagarde lange Zeit viel Kritik eingebracht. Der gelernten Juristin fehle die Finanzexpertise, hieß es. Lagarde sei mehr Politikerin und Moderatorin, anders etwa als ihr Vorgänger Mario Draghi, der mit seinem ökonomischen Fachwissen an der Spitze der Europäischen Zentralbank fast schon zu selbstbewusst voranschritt. Lagarde dagegen ließ nach Meinung von Beobachtern den größten Fehler in der Geschichte der wichtigsten Notenbank Europas zu: Die Inflationsraten stiegen und stiegen, aber von der EZB kam bis weit ins Jahr 2022 keine Reaktion.
Doch die Französin hat aus ihren Fehlern und der Kritik Konsequenzen gezogen. Sie definiert ihre Rolle inzwischen anders, hat ihren Führungsanspruch, ihren Arbeitsstil und auch die Prozesse und Schwerpunkte der EZB geändert. Meine Kollegin Katharina Slodczyk hat die EZB-Chefin bei ihrer Metamorphose begleitet, hat mit ihr gesprochen, mit ihren Beratern, mit anderen Notenbankchefs quer durch Europa und unabhängigen Ökonomen. Irgendwann in der zweiten Jahreshälfte 2021 begann die Veränderung, schreibt Slodczyk in ihrem Stück, das gleichzeitig Titelgeschichte unseres Magazins ist. Lagarde habe sich von einer Getriebenen in eine sanfte Gestalterin verwandelt, die den EZB-Rat dahin steuere, wo es ihr notwendig erscheine.
Die Frage ist nun jedoch: Kann sie damit auch Europas Wirtschaft vor dem Absturz retten? Eine Antwort darauf finden Sie in der Geschichte von Kollegin Slodczyk, jetzt auf manager-magazin.de .

Recherche hinter den Kulissen der EZB: Chefin Christine Lagarde hat aus ihren Fehlern gelernt
Foto: Hollie Adams / BloombergDie Wirtschaftsnews des Tages:
Viele Menschen können sich eine Welt ohne Streaming-Fernsehen kaum noch vorstellen – dieser Mann gehört zu den Erfindern dieser Entertainmentform: Reed Hastings war einer der Gründer von Netflix, dem Pionier der Branche. Mehr als zwei Jahrzehnte stand er an der Spitze des Unternehmens, jetzt ist er abgetreten. Wie Hastings im Firmenblog mitteilte, gibt er sein Amt als Co-CEO von Netflix ab und wird geschäftsführender Verwaltungsratsvorsitzender. Kein leichtes Erbe für seine beiden Nachfolger, angesichts der Geschäftslage.
Grund zur Freude für rund 93.000 Beschäftigte von Mercedes-Benz: Der Autobauer richtet seinen Fokus seit einiger Zeit noch stärker auf das Luxussegment als zuvor und hat damit Erfolg. Deshalb kann Mercedes jedem Mitarbeiter nun eine Erfolgsprämie von bis zu 7300 Euro überweisen.
Facebook, Tesla, Amazon, Salesforce – die Liste der Tech-Konzerne, die im Vorfeld der erwarteten Rezession Mitarbeiter entlassen, ist bereits lang. Nun kommt ein weiterer Name hinzu: Auch die Google-Mutter Alphabet plant einen Jobabbau. 12.000 Beschäftigte will der Suchmaschinenbetreiber entlassen. Das wären etwa 6 Prozent der gesamten Belegschaft. Fehlt nur noch: Apple.
Was heute sonst noch wichtig war:
Die Berliner Neobank N26 – zuletzt eines der am höchsten bewerteten deutschen Start-ups – wollte 2022 eigentlich durchstarten, doch stattdessen ist sie weiter zurückgefallen. Anhaltende Probleme mit der Finanzaufsicht Bafin hemmen das Wachstum, hinzu kommen dauernde Abgänge im Management. All das hat seinen Ursprung in einem Führungsproblem, schreibt Kollegin Katharina Slodzcyk , die sich die Bank genauer angeschaut hat: Die beiden N26-Chefs und Co-Gründer Valentin Stalf und Maximilian Tayenthal gefährden die Zukunft des Unternehmens.
Nach dem Abgang von Kasper Rorsted braucht Adidas einen Neustart. Der Mann, der das leisten soll, heißt Björn Gulden, ist neuer CEO und kam von Puma. Aber was genau läuft eigentlich schief bei Adidas? Was hat der neue Chef vor? Kann er die Weltmarke wieder aufrichten? Diese Fragen beantworten unsere Experten für den Konzern, Sven Clausen und Christoph Neßhöver, in unserem neuen Podcast aus der Reihe "Das Thema".
Im Management des Warenhauskonzerns Galeria Karstadt Kaufhof dominierten nach der Fusion lange ehemalige Karstadt-Leute das Geschehen. Doch zwei Pleiten später ändert sich das allmählich. Wie Kollegin Margret Hucko recherchiert hat, soll Edo Beukema Einkaufschef des Unternehmens werden . Der gebürtige Niederländer war schon einmal für die Gruppe tätig – von 2014 bis 2019 gehörte er dem Board von Kaufhof an.
Das Beste aus dem "Economist":
Sie sind umweltbewusst und zugleich genussorientiert, sie lieben Luxusmarken und sind zugleich mit schmalen Budgets unterwegs, sie leben in einer digitalen Welt, wollen aber auch ein persönliches Kundenerlebnis: Die Konsum-Vorlieben junger Menschen werden den Handel in naher Zukunft neu definieren. Unsere Kollegen vom britischen "Economist" haben sich angeschaut, wofür junge Menschen besonders gerne Geld ausgeben. Das Ergebnis lesen mm-Abonnenten hier.
In eigener Sache:
Wegen der aktuellen Warnstreiks bei der Deutschen Post können wir eine zuverlässige Auslieferung unserer gedruckten Magazin-Ausgabe 02/2023 vom 20.01.2023 an unsere Abonnenten nicht garantieren. Das bedauern wir sehr! Wir gehen davon aus, dass das Heft im Laufe der nächsten Woche zugestellt wird. Um die Wartezeit bis dahin zu verkürzen, bieten wir unseren Heft-Abonnenten jedoch mehrere Möglichkeiten an, die aktuelle Ausgabe noch heute zu lesen. Erfahren Sie hier, welche Möglichkeiten das sind. Die Digitalabos sind natürlich von keinerlei Streik betroffen.
Meine Empfehlung für den Abend:

Nachfolger gesucht: Für Maxingvest- und Beiersdorf-Aufsichtsratschef Reinhard Pöllath ist bald Schluss
Foto: Christian Charisius / dpa / picture allianceReinhard Pöllath ist zweifellos ein eigenwilliger, mitunter skurriler Typ. Zu Weihnachten etwa beglückte er Bekannte mit einem Gruß der besonderen Art, Zitate von Walther von der Vogelweide oder John M. Keynes sowie ein Buch mit Weihnachtsliedern inklusive ("Viel Freude beim gemeinsamen Singen"). Der Grund, aus dem sich die Kollegen Martin Noé und Martin Mehringer mit dem Hamburger Anwalt beschäftigen, ist jedoch ein anderer: Pöllath ist Aufsichtsratschef des Dax-Unternehmens Beiersdorf sowie der Hamburger Holding Maxingvest, in der die Milliardärsfamilie Herz ihre Anteile an Beiersdorf und Tchibo gebündelt hat. Und er hat mit seinen 75 Jahren nun offenbar genug davon – der engste Vertraute der Herz-Sippe leitet seinen Abschied ein. Es ist das Ende einer Ära. Über die Anforderungen an einen Nachfolger und mögliche Kandidaten informieren Noé und Mehringer hier .
Beste Grüße, Ihr Christoph Rottwilm
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