Marleen Gründel

Der Donnerstag im Überblick Ein großer Zinsschritt und eine kleine Erholung

Jeden Abend fassen wir die wichtigsten Wirtschaftsnews des Tages zusammen. Heute mit einer schwierigen Zinsentscheidung, einem holprigen Deutschland-Start und einem ehrgeizigen Comeback-Versuch.

Liebe Leserin, lieber Leser,

es war heute sicherlich eine der schwierigsten Entscheidungen ihrer Karriere für EZB-Präsidentin Christine Lagarde. Sollte sie, wie bereits angekündigt, an ihrem großen Zinsschritt festhalten, trotz der jüngsten Turbulenzen an den Aktienmärkten? Und damit womöglich die Panik im Bankensektor, die nach der Pleite des kalifornischen Techfinanzierers Silicon Valley Bank auch die Schweizer Großbank Credit Suisse erreichte, weiter anfeuern? Oder doch lieber einen kleineren Zinsschritt verkünden, damit aber ihre Glaubwürdigkeit im Kampf gegen die hohe Inflation aufs Spiel setzen?

Lagarde und ihr Team entschieden sich für Variante Nummer eins. Sie setzten den Leitzins um 0,5 Prozentpunkte auf nunmehr 3,5 Prozent hoch, es war die sechste Zinsanhebung der Europäischen Zentralbank (EZB) in Folge seit der Zinswende im Juli 2022. Der deutsche Leitindex Dax reagierte zunächst mit Verlusten auf die Entscheidung, fing sich dann aber wieder und legte zuletzt sogar deutlich zu. Offenbar lag die Notenbankchefin mit ihrer Entscheidung und ihren anschließend sorgfältig gewählten Worten richtig: "Der Bankensektor des Euroraums ist widerstandsfähig, Kapital- und Liquiditätspositionen sind solide", hieß es in Frankfurt am Main. Die EZB besitze alle Instrumente, um das Finanzsystem notfalls mit Liquiditätshilfen zu unterstützen.

Mit ihren Aussagen wollen die Währungshüter das Vertrauen in die Märkte wieder herstellen, so wie zuvor die Schweizerische Nationalbank (SNB), die der taumelnden Credit Suisse zu Hilfe geeilt war und dem Institut nun bis zu 50 Milliarden Franken leiht.

Ammar Abdul Wahed Al Khudairy, der Chairman der Saudi National Bank, der den Kurssturz der Schweizer Großbank am Vortag mit seiner Aussage mit ausgelöst hatte, meldete sich heute übrigens noch einmal zu Wort: Er halte die heftigen Reaktionen des Marktes für "völlig ungerechtfertigt", sagte er dem US-Sender CNBC. Und er bleibe dabei: "Selbst wenn wir Kapital nachschießen wollten, gäbe es zu viele Komplikationen aus regulatorischer und Compliance-Sicht." Wenn Sie mehr über die Investoren aus dem Reich von Kronprinz Mohammed bin Salman wissen wollen, mein Kollege Lukas Heiny hat sich die größte Bank Saudi-Arabiens und ihr Engagement bei der Credit Suisse genauer angeschaut.

Schwierige Entscheidung: EZB-Präsidentin Christine Lagarde hat den Leitzins trotz der Börsenturbulenzen um 0,5 Prozentpunkte erhöht

Schwierige Entscheidung: EZB-Präsidentin Christine Lagarde hat den Leitzins trotz der Börsenturbulenzen um 0,5 Prozentpunkte erhöht

Foto: Arne Dedert / dpa

Die Wirtschaftsnews des Tages:

  • Blackrock warnt vor weiteren Risiken: Den Chef des Vermögensverwalters Blackrock beruhigen die warmen Worte der Notenbanker noch nicht. In seinem jährlichen Brief an CEOs und Investoren warnt Larry Fink vor anhaltenden Risiken für den Bankensektor. "Es ist unvermeidbar, dass einige Banken die Kreditvergabe etwas zurückfahren, um ihre Bilanzen zu stabilisieren", schreibt Fink. Demzufolge würden Bankkunden Finanzierungsmöglichkeiten auf den Kapitalmärkten suchen.

  • Immobilienfirmen vor schwachem Jahr: Die steigenden Zinsen belasten auch Deutschlands Immobilienfirmen. So hat die Aroundtown-Tochter Grand City Properties angekündigt, auf die Zahlung einer Dividende zu verzichten. Zuvor hatten dies bereits die Rivalen TAG Immobilien und LEG angekündigt und ihren Ausblick gesenkt. Über die ganze Branche hinweg knickten die Aktien der Unternehmen heute ein.

  • Nord-Stream-Lieferant vor Zerschlagung: Die Stahlkonzerne Salzgitter und Dillinger Hütte wollen sich nach Information meiner Kollegin Kirsten Bialdiga von ihrem Röhrenproduzenten Europipe trennen. Das Unternehmen ist eine Nachfolgefirma des legendären Herstellers Mannesmann und lieferte seine Röhren zuletzt an das umstrittene Pipelineprojekt Nord Stream 2 .

Was uns sonst noch beschäftigt hat:

Noch nicht viel los: Chinesischen E-Auto-Newcomern wie Nio fällt der Start in Deutschland noch schwer

Noch nicht viel los: Chinesischen E-Auto-Newcomern wie Nio fällt der Start in Deutschland noch schwer

Foto: Stefan Zeitz / IMAGO
  • Die Elektroauto-Angreifer aus China: Nio, BYD und Great Wall Motor sind in China, dem wichtigsten Automarkt der Welt, bereits weit an den deutschen Herstellern vorbeigezogen. Selbst der damalige Volkswagen-Chef Herbert Diess gestand im November 2021 ein: "Die sind richtig gut." Nun wollen die Autobauer auch den deutschen Markt erobern. Doch der Start verläuft ziemlich holprig, wie mein Kollege Christoph Seyerlein herausgefunden hat. 

  • Der Braindrain bei Lucid: Wir bleiben beim Thema Elektroautos – und den Absatzschwierigkeiten in Deutschland. Das luxuriöse Elektromodell Air des US-Autobauers Lucid Motors wurde von der Fachpresse in den höchsten Tönen gelobt. Doch in Deutschland brachte das Unternehmen in den ersten beiden Monaten des neuen Jahres gerade einmal fünf Fahrzeuge auf die Straße. Die Produktion schwächelt, die Finanzkennzahlen enttäuschen und nun verlassen auch noch drei Branchenexperten den Aufsichtsrat. Lesen Sie hier alles über die Hintergründe. 

  • Die eigenen Überzeugungen: Die eigenen Werte zu kennen, kann dabei helfen, Entscheidungen zu treffen, die Karriere zu gestalten und ein glücklicheres Leben zu führen. Bei unseren Kollegen vom Harvard Business manager erfahren Sie, wie Sie Ihre Werte erkennen, definieren und am sinnvollsten einsetzen. 

Meine Empfehlung für den Abend:

Zweiter Versuch: Jürgen Wolf (l.) will mit Sohn Julian die Streetwaremarke Homeboy wiederbeleben

Zweiter Versuch: Jürgen Wolf (l.) will mit Sohn Julian die Streetwaremarke Homeboy wiederbeleben

Foto:

Marc Krause für manager magazin

  • Comeback des Homeboy-Gründers: Jürgen Wolf hat mit seinen 62 Jahren mehr erlebt, als manch ein anderer in zehn Leben, wie er selbst von sich sagt. Wenn man seine Geschichte liest, versteht man die Aussage. Der Gründer der Streetware-Marke Homeboy war häufig seiner Zeit voraus und immer in der Nähe des ganz großen Geldes. Doch allzu oft griff er auch vorbei. Mit meinem Kollegen Martin Mehringer hat er über seine wilden Partys mit dem Basketballstar Dennis Rodman gesprochen, seine Abenteuer mit Puma und Eastpak sowie den Neustart seiner Kultmarke Homeboy: "Ich habe erlebt, dass alles möglich ist". 

Herzliche Grüße und einen schönen Feierabend, Ihre Marleen Gründel

Haben Sie Wünsche, Anregungen, Informationen, um die wir uns journalistisch kümmern sollten? Wir freuen uns auf Ihre Post unter chefredaktion@manager-magazin.de .

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