
manage:mobility Ernüchterung im Elektroauto-Paradies
Liebe Leserin, lieber Leser,
diese Woche steht bei uns im Zeichen der Elektrizität und all den Träumen, die mit ihr verbunden sind. Unsere Themen der Woche:
Wieso drei Top-Aufsichtsräte bei Lucid Motors gehen
Warum sich chinesische E-Auto-Angreifer in Deutschland schwertun
Wie die Gründer des abgestürzten Robauto-Start-ups Argo AI weitermachen
Topthema: Aderlass der Auto-Kenner im Lucid-Aufsichtsrat

Ein Königreich für Luxusautoträume: Ex-Tesla-Ingenieur Peter Rawlinson will Lucid Motors mit Geld aus Saudi-Arabien groß rausbringen
Foto:ANDREW KELLY / REUTERS
Im Selbstverständnis baut Peter Rawlinson mit der US-Firma Lucid Motors das neue Tesla, mindestens. Das "allerbeste Elektroauto der Welt" ist der Anspruch. Nur sind die Zeiten vorbei, in denen Lucid mit nur ein paar Dutzend hergestellten Fahrzeugen 90 Milliarden Dollar Börsenwert erreichte. Hinter den Kulissen läuft es weniger rosig. Die Produktion der Luxuskarossen stottert, die Nachfrage sinkt, der Aktienkurs ebenso. Und jetzt, so haben wir recherchiert, laufen Rawlinson auch noch ausgerechnet die drei Board-Mitglieder weg, die dort Autokompetenz einbringen sollten wie niemand sonst. Parallel dazu dürfte die Macht des Hauptinvestors Saudi-Arabien weiter steigen. Aber lesen Sie selbst.
Köpfe: Anne Hidalgo ++ Walter Mertl ++ Oliver Zipse

Au revoir: Bürgermeisterin Anne Hidalgo macht sich mit ihrer Verkehrspolitik in Paris nicht nur Freunde
Foto: BERTRAND GUAY / AFPAnne Hidalgo (63), Bürgermeisterin von Paris, sperrt immer mehr Innenstadtbereiche für Autos. Kritiker werfen der Politikerin vor, sie trage damit zum Bevölkerungsschwund in Frankreichs Hauptstadt bei. Hidalgos Konter : "Die Kreativität einer Stadt hängt nicht von Autos ab. Das war so im 20. Jahrhundert. Wir leben im 21."
Walter Mertl (49) kann seine bisherige Berufslaufbahn mit genau drei Buchstaben beschreiben: BMW. Nach der Uni im Jahr 1998 eingestiegen, ist Mertl nun ganz oben im Münchner Vierzylinder angekommen. Im Mai löst er Nicolas Peter (60) als Finanzvorstand ab.
Oliver Zipse (59) ist künftig Mertls Chef und derzeit der Topverdiener unter den aktiven deutschen Autobossen. 2022 bekam er 10,2 Millionen Euro. Volkswagen- und Porsche-Chef Oliver Blume (54) mit 7,39 Millionen Euro und Mercedes-Kollege Ola Källenius (53) mit 6,11 Millionen Euro kommen da nicht ran. Mit einem kaltgestellten Carguy kann übrigens selbst Zipse nicht mithalten: Ex-VW-Chef Herbert Diess (64) strich für 2022 11,8 Millionen Euro ein.
Unternehmen: Nio/BYD/Great Wall Motor ++ Volkswagen ++ BMW ++ Deutsche Bahn

Ni(o)ch nicht viel los: Chinesischen E-Auto-Neulingen wie Nio fällt der Start in Deutschland schwer
Foto: Stefan Zeitz / IMAGO14, 12, 57. Die Neuzulassungszahlen der gehypten chinesischen E-Auto-Neulinge Nio, Great Wall Motor und BYD sind in Deutschland bis dato mehr als überschaubar, obwohl in der Branche höchst aggressive Zielwerte kursieren. Fairerweise sei gesagt: Ihr Start fällt in eine zähe Phase am Automarkt. Doch allein darauf können die Chinesen ihren Stotterstart nicht schieben. Analyse eines verpufften Angriffs.
Wie erwartet fuhren Volkswagen, Porsche oder BMW 2022 satte Gewinne ein. Viel hilft viel lautet die Devise bei Volkswagen, der Konzern schraubt seine Investitionen bis 2027 auf 180 Milliarden Euro hoch. Vor allem in die Elektrifizierung soll das Geld fließen.
BMW gilt mit seiner "Power-of-Choice"-Strategie dagegen eher als Elektrozauderer. Doch auch den Münchnern scheint klar: Die Zukunft ist überwiegend elektrisch. Im laufenden Jahr sollen Stromer 15 Prozent des Absatzes ausmachen, 2030 mehr als die Hälfte.
Kaum etwas ist in Deutschland so salonfähig wie Bahn-Bashing. Selbst Behörden machen mittlerweile mit. Kaum hatte die französische Schauspielerin Julie Delpy (53) ihren 109.000 Instagram -Followern empfohlen, lieber zu Fuß zu gehen als die Deutsche Bahn zu nutzen, da watschte Bundesrechnungshof die Bahn als "Sanierungsfall" ab.
Mehr Mobilität: Argo AI ++ Tier Mobility ++ E-Bikes

Arbeiten am Comeback: Peter Rander (li.) und Softwaregenie Bryan Salesky bauen ein neues Start-up auf
Foto: PRVolkswagen und Ford setzten Milliarden auf zwei Roboauto-Pioniere aus den USA, am Ende blieb ein Scherbenhaufen. Jetzt wagen Bryan Salesky und Peter Rander, die Gründer des einst gefeierten Start-ups Argo AI, einen autonomen Neustart und gehen unter die Trucker, wie meine Kollegin Anna Driftschröer berichtet.
Eine Pause will dagegen Matthias Laug einlegen. Der Co-Gründer und CTO verabschiedet sich von Tier Mobility. Neuer Technikchef wird der ehemalige Hello-Fresh-Manager Nuno Simaria – statt um Kochboxen kümmert er sich künftig eben um Roller und Räder.
Apropos: Mit 4,6 Millionen Rädern wurden Hersteller und Handel 2022 in Deutschland etwa 100.000 weniger los als im Jahr zuvor. Teure E-Bikes trieben die Umsätze dennoch nach oben. 2023 dürften erstmals mehr Räder mit E-Motor verkauft werden als ohne.
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Zahl der Woche: 380 Millionen

Schattenauto: Nahezu jedes dritte 2022 neu in Deutschland zugelassene Tesla-Modell taucht nicht im Fahrzeugbestand auf
Foto: APMit den 9000 Euro Umweltbonus für E-Autos ließen sich – nun ja: halbseidene – Geschäfte machen. Man konnte die massiven staatlichen Subventionen einstreichen und das Auto hernach mit Gewinn ins Ausland weiterverkaufen. Offenbar war das 2022 ein echtes Geschäftsmodell. Laut dem Center of Automotive Management "fehlten" satte 16 Prozent der 2022 neu in Deutschland zugelassenen E-Autos am Jahresende im Fahrzeugbestand. Den Staat dürfte das etwa 380 Millionen Euro gekostet haben. Immerhin: Die Politik hat inzwischen gegengesteuert; statt ein halbes muss man für den Bonus ein E-Auto nun ein ganzes Jahr behalten.
Deepdrive der Woche: Angst vor leeren Bussen
Lockdowns hatten zu Beginn der Coronapandemie die Menschen auch aus Bussen verjagt. Restriktionen gibt es heute nicht mehr, dennoch herrscht in der Busbranche Pessimismus. Dem Bundesverband der Omnibusunternehmen zufolge gehen nur 42 Prozent der Unternehmen davon aus, ihr Vorkrisenniveau wieder erreichen zu können.
Zahlenkarussell der Woche

Auslaufmodelle: 2008 war Philipp Lahm noch Fußballer, Thomas Gottschalk noch "Wetten, dass...?"-Moderator – und der Audi A4 ein gefragtes Verbrennerauto
Foto: Patrick Seeger/ picture-alliance/ dpaSeit 1994 gibt es den Audi A4, er gilt als das Klischeemodell für Außendienstler. Damit ist bald Schluss – zumindest als Verbrenner. Mit der nächsten (und letzten) Modellgeneration wird Audi den A4 außerdem in A5 umbenennen , der A6 soll dann A7 heißen. Autoquartettprofis wissen: A5 und A7 gibt es schon. Jene Limousinen will Audi schon jetzt nicht mehr weiterführen. Verschwinden werden die 4 und die 6 bei Audi übrigens nicht: Gerade Zahlen sind dort künftig E-Autos vorbehalten.
Ich wünsche Ihnen eine Woche ohne Verwirrungen.
Herzlichst, Ihr Christoph Seyerlein
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