

Newsletter "Der Tag" Der Tag mit dem Speed-King

Liebe Leserin, lieber Leser,
jeden Abend fassen wir die wichtigsten Wirtschaftsnews des Tages zusammen. Mit dabei: Ein Inside-Report über Elon Musks Führungsstil, UBS-Patron Axel Weber, das Daimler-Aus in Brasilien und die Hintergründe des Hensoldt-Deals.
Elon Musk ist der weltweit wohl meistbewunderte Unternehmer dieses Wahnsinnsjahres. Am kommenden Montag wird der Elektroautobauer Tesla endlich in den ehrwürdigen S&P 500-Index aufgenommen. Allein in diesem Jahr hat sich der Börsenwert fast verachtfacht, auf sagenhafte 620 Milliarden Dollar – Tesla ist damit mehr wert als die Konkurrenten BMW, Daimler, General Motors, Toyota und Volkswagen zusammen. Die Faszination liegt aber jenseits der Zahlen in der Figur Musk selbst.

Chef zum Fürchten: Gegenüber Mitarbeitern ist Elon Musk unerbittlich, feuert selbst langjährige Vertraute blitzschnell. Sie fürchten ihn. Und verehren ihn trotzdem.
Foto: Christian Monterrosa / EPA-EFE / ShutterstockDazu eine Episode: Montags um zehn versammelte Musk den inneren Führungszirkel seines Raumfahrtunternehmens SpaceX in der Fabrik in Los Angeles. Er selbst musste sich oft telefonisch zuschalten, weil er mit seinem Tesla noch im Stau steckte. Irgendwann reichte es ihm: „Jetzt bauen wir einen Tunnel durch Los Angeles.“ Ein Team analysierte daraufhin Tunnelbautechniken – und entdeckte tatsächlich Potenzial: Die Fortschritte in der Baugeschwindigkeit waren seit 120 Jahren nur gering; der Chef triumphierte: „Seht ihr, das machen wir jetzt selbst.“ Inzwischen laufen erste Arbeiten in L.A.. So tickt Musk. Er nennt es „First Principle Thinking“. Alles, was physikalisch möglich ist, kann versucht werden. Mit dieser Grundidee und manchmal verstörender Konsequenz hat er praktisch im Alleingang die Straße elektrisiert (Tesla) und die Low-Cost-Raumfahrt mit wiederverwendbaren Raketen ermöglicht (SpaceX).
Um die Methode Musk zu entschlüsseln, haben meine Kollegen Michael Freitag und Jonas Rest mit Dutzenden Personen gesprochen. Ehemalige und aktuelle Mitarbeiter sind darunter, genauso wie Konkurrenten und Geschäftspartner. Und natürlich haben sie in Grünheide verfolgt, wie Elon Musk sehr persönlich den Bau der vielleicht bald größten Autofabrik Europas durchpeitscht (trotz des erneuten Baustopps an diesem Freitag). Ihr Inside-Report macht klar, wie und wie radikal Musk Innovationen erzwingt, mit höchstem Tempo und höchstem Risiko und entgegen der gängigen Lehren der Business Schools. Aber lesen Sie selbst: Führen wie der Speed-King – die Musk-Methode.
Die wichtigsten Wirtschaftsthemen des Tages:

Patron: Axel Weber während des Fotoshootings für unser Interview mit ihm.
Foto:Maurice Haas für manager magazin
Axel Weber ist der starke Mann der Schweizer Großbank UBS. Meine Kollegen Katharina Slodzcyk und Sven Clausen haben mit dem Verwaltungsratspräsidenten ein ausführliches Interview geführt. Weber sieht die Banken gerade "an einer ähnlichen Weggabelung" wie nach der Finanzkrise: "Das Bankgeschäft wird erneut nie mehr so sein, wie es einmal war." Er erklärt, wann er mit einer echten Konsolidierung des europäischen Bankenmarktes rechnet ("Die Not muss noch etwas größer werden"). Und sagt, was sein neuer Vorstandschef Ralph Hamers zu tun hat ("Er hat hier keinerlei Restriktionen, er hat die volle Autorität, die Bank agiler zu machen."). Das ganze Gespräch lesen Sie hier.
Daimler beendet die Autoproduktion in Brasilien. Schon zum zweiten Mal innerhalb weniger Jahre. Das neue Mercedes-Werk kam zur Unzeit, als der vermeintliche Wachstumsmarkt gerade einbrach. Damit bestätigten sich Pläne, über die wir bereits im Juli berichtet hatten. "Da läuft aktuell nichts mehr; und das nicht nur wegen der Corona-Krise", hatte uns damals ein Finanzer über Brasilien gesagt. Die Entscheidung solle aufs Jahresende verschoben werden, um "den Widerstand nicht zu früh zu schüren". So ist es nun gekommen.
In der Handelswelt (und nicht nur da) ist der Name Stephan Fanderl eng mit Galeria Karstadt Kaufhof verbunden. Erst im Sommer wurde er vom Chefposten des damals taumelnden Warenhauskonzerns abberufen. Nun wechselt er zur nächsten Sorgenadresse der Handelswelt: Ab Januar soll er Peek&Cloppenburg sanieren, perspektivisch womöglich als neuer Chef.
Manchmal ist es ganz einfach: Trend 1 + Trend 2 = Geldregen. Beweis? Bitte: Der Bitcoin erlebt dieser Tage einen absoluten Höhenflug, gleichzeitig ist das Börsenklima nach den den Mega-IPOs der vergangenen Woche (Doordash, Airbnb, Abcellera) reizvoll. Warum also nicht auch die größte Bitcoin-Börse an die Börse bringen? Logisch, irgendwie. Bei der letzten Bewertung war Coinbase rund acht Milliarden Dollar wert. Dürfte jetzt – siehe Trend 2 – deutlich mehr werden.
Der frühere Wirecard-Chef Markus Braun zieht seine Haftbeschwerde zurück. Er bleibt also auch über Weihnachten und Silvester im Gefängnis.
Was uns sonst noch beschäftigt hat:
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn hat an diesem Freitag seine neue Impfverordnung vorgestellt und damit die Reihenfolge, nach der das Mittel gespritzt werden soll. Gleichzeitig haben Recherchen des SPIEGEL ergeben, dass die EU offenbar mehr Impfstoff von Biontech und Pfizer hätte bekommen können, als sie jetzt hat. Statt der bestellten 300 Millionen Dosen hätte Europa 500 Millionen bekommen können; und auch Moderna hätte mehr als die vereinbarten 160 Millionen Dosen liefern können. Jetzt droht ein Engpass – und eine unangenehme Verteilungsdebatte.
Novum in der Gamer-Szene: Sony zieht das Spiel "Cyberpunk 2077" vom Markt zurück, die Zahl der Programmierfehler war offenbar zu hoch. Damit ist das Debakel um eines der teuersten Computerspiele aller Zeiten, das eine neue Ära einläuten sollte, perfekt. Die Aktie des polnischen Herstellers stürzte ab.
Meine Empfehlungen für den Abend:

Architektur: Wie sieht ein Firmengebäude einer Rüstungsfirma wohl aus? Genauso wie bei Hensoldt stellt man es sich vor.
Foto: PRDer Einstieg des deutschen Staates beim Rüstungshersteller Hensoldt war zweifellos eine der Wirtschafts-Nachrichten dieser Woche. 450 Millionen Euro gibt der Bund für eine Sperrminorität aus, um bei der bayrischen Firma künftig mitreden zu können (die, by the way, bis vor wenigen Jahren als Airbus-Tochter ja noch teilstaatlich war). Das freut vor allem den amerikanischen Finanzinvestor KKR. Warum die Bundesregierung so viel Geld zahlt, geht aus vertraulichen Papieren hervor, die uns vorliegen. Die Hintergründe des Deals lesen Sie hier.
Und aus dem aktuellen "Economist" empfehle ich ihnen ein Stück, das sich mit dem Boom und der wachsenden Risikofreude am Aktienmarkt beschäftigt. Wir haben schließlich "Jahrhundertkrise", weltweit gehen ganze Volkswirtschaften in einen unfreiwilligen Winter-Lockdown – und doch ist an den Börsen Partytime. Merken wir nicht, dass es eine Blase ist? Oder ist es keine? Warum Anleger Risikoinvestments so sehr lieben.
Bleiben Sie gesund. Herzlich, Ihr Lukas Heiny