Spielt der Finanzmarkt verrückt? Aktuellen Bewertungen von Autofirmen lassen diese Vermutung aufkommen. Volkswagen: Das größte deutsche Unternehmen verkauft rund zehn Millionen Autos, fährt trotz Krise dicke Gewinne ein, wird an der Börse mit 100 Milliarden Euro bewertet. Sein chinesischer Elektrowettbewerber Nio verkauft bloß 44.000 Autos, stand vor zwei Jahren sogar kurz vor dem finanziellen Scheitern – aber soll 64 Milliarden Euro wert sein. Etwa so viel wie Daimler. Und dann Chargepoint: Der US-Elektro-Ladenetzspezialist ist jüngst per "Spac" an die Börse marschiert und hat seinen Wert in wenigen Tagen auf das 70-fache seines Umsatzes hochgeschraubt.

Sind die einen unter- oder die anderen überbewertet? Wird die Innovationskraft der alteingesessenen Konzerne unterschätzt? Michael Freitag hat den Investmentbanker Christian Kames gefragt, was da los ist. Der Experte sieht in der Gier des Kapitalmarktes nach allem, "was nach disruptiver Technologie aussieht" - wie auch im Börsenhype um die Spacs - Chancen für die traditionellen Autohersteller. Er empfiehlt ihnen, auf Partnersuche zu gehen.

Mit dem CEO von Chargepoint haben wir außerdem gesprochen: Pasquale Romano über die gigantische Bewertung und seine Wachstumspläne.

Die Wirtschaftsnews des Tages:

• Durchgriff: Die Bafin hat die Bremer Greensill Bank für den Kundenverkehr geschlossen. Wegen drohender Überschuldung hat die Finanzaufsicht ein Moratorium verhängt und der Bank untersagt, Zahlungen zu tätigen oder Geld entgegenzunehmen, das nicht zur Tilgung von Schulden gegenüber der Bank bestimmt ist. Zudem hat sie Greensill offenbar auch wegen des Verdachts auf Bilanzmanipulation angezeigt.

• Auch bei EY hat die Bafin noch zu tun. Nach dem milliardenschweren Wirecard-Bilanzskandal bezweifeln - und untersuchen - die Aufseher offenbar die Eignung des Abschlussprüfers zum Testieren. Sollten sie EY als Bilanzprüfer ablehnen, wäre das ein Novum.

• Finanzminister Scholz muss neu planen. Die Geldmaschine Bundesbank wird erstmals seit 1979 keinen Gewinn abführen. Zentraler Grund: Die Bank stockt in der Corona-Krise die Risikovorsorge auf enorme 18,8 Milliarden Euro auf.
  

Die Personalien des Tages:

• Die frühere Siemens-Vorständin Janina Kugel soll in den Aufsichtsrat von Tui einziehen. Es ist ein heikles Mandat: Vielen galt der Konzern schon als Sanierungsfall, bevor die Corona-Pandemie den Reisebetrieb weitgehend stilllegte. Nun, nach Beteiligung des Wirtschaftsstabilisierungsfonds an der Rettung, wird Kugel zusammen mit Jutta Dönges, Co-Chefin der deutschen Finanzagentur, vom Bund in das Gremium entsandt.