
Newsletter "Der Tag" Der Tag mit Bahn-Versagern und dem Traum von der Krebsimpfung
Liebe Leserin, lieber Leser,
jeden Abend fassen wir die wichtigsten Wirtschaftsnews des Tages zusammen. Eine Steuerrazzia, krasse Misswirtschaft und übelstes Krisenmanagement, aber auch Milliardeninvestitionen sowie visionäre Firmenpläne - heute gibt es von allem etwas.
Gewinner der Corona-Krise gibt es einige, aber kein anderes Unternehmen steht so strahlend da wie Biontech. Von allen Pharma- und Biotechfirmen weltweit, die sich am Rennen um einen Impfstoff gegen Covid-19 beteiligten, fanden die Mainzer am schnellsten und überzeugendsten eine Lösung. Der Lohn: Gemeinsam mit Partner Pfizer aus den USA beliefert Biontech jetzt reihenweise Länder mit dem Vakzin, der Aktienkurs der Deutschen hat sich in den vergangenen zwölf Monaten etwa verdreifacht.
Noch ist die Pandemie nicht beendet, es steckt also womöglich noch viel Corona-Fantasie in dem Unternehmen. Doch die Verantwortlichen bei Biontech sind mit ihren Gedanken schon ganz woanders. Erstmals seit Jahrzehnten wollen sie aus dem Start-up einen neuen deutschen Pharmakonzern aufbauen, mit Forschung, Produktion, Vertrieb, Marketing und allem Drum und Dran. In einem ausführlichen Interview haben die Geldgeber Michael Motschmann, Helmut Jeggle sowie Haupteigner Thomas Strüngmann zum ersten Mal ihre Pläne erläutert. "In Europa ist Biontech eines der erfolgreichsten Investments aller Zeiten. Eine völlig neue Art von Techunternehmen, das in der Medizin disruptiv wirken wird", sagt etwa Motschmann im Gespräch mit meinen Kollegen Eva Müller und Martin Noé .
Dank mRNA-Technologie, auf der ja auch der Corona-Impfstoff basiert, sollen ganz neue Medikamente entstehen, eine Impfung gegen Krebs etwa. Es klingt fast wie ein Traum. "Ja, mit dem Traum fing es an", sagt Strüngmann, dem mit seinem Zwillingsbruder gut 50 Prozent der Firma gehören. "Tesla wurde anfänglich auch nur belächelt."

Bio-Trio: Die Biontech-Geldgeber Michael Motschmann, Helmut Jeggle und Haupteigner Thomas Strüngmann während des Fotoshootings für unser Interview
Foto:
Dirk Bruniecki für manager magazin
Die Wirtschaftsnews des Tages:
Seit Anfang dieses Jahres ist Manfred Knof Chef der Commerzbank, und schon etwas länger fragt sich die Fachwelt: Was hat er vor mit dem angeschlagenen Institut, bei dem sich viel ändern muss, damit es künftig wieder Erfolg haben kann. Eine Antwort darauf hat meine Kollegin Katharina Slodczyk erfahren: Knof verfolgt einen Sanierungsplan, der auch vor heiß geliebten Abteilungen wie dem hauseigenen Research nicht haltmacht - und er will die Zahl der Commerzbank-Filialen halbieren .
Bauhaus? Kennt jeder. Steuerrazzia? Interessiert jeden. Kein Wunder also, dass diese Meldung, die wir Ihnen heute exklusiv präsentiert haben, bereits ein breites Publikum gefunden hat: Die Fahnder rückten bei dem Familienunternehmen, das zu den undurchsichtigsten des Landes gehört, nicht zum ersten Mal an, wie mein Kollege Martin Mehringer hier für Sie aufgeschrieben hat .
Start-ups, die sich - ganz nach dem Vorbild Teslas - die Produktion von Elektroautos auf die Fahnen geschrieben haben, gibt es zahlreiche. Kollege Jonas Rest hat erst kürzlich einen guten Überblick über das illustre Feld der teils windigen "Tesla-Jäger" für Sie aufgeschrieben . Ein Unternehmen, das dabei besonders von sich Reden macht, ist Rivian. Das US-Start-up hat starke Investoren wie Amazon, Ford oder Blackrock im Rücken und will in diesem Jahr seine allerersten Modelle – einen Pick-up und einen Geländewagen – auf den Markt bringen. Auf dem Weg dahin haben Geldgeber Rivian jetzt eine neue Milliardenspritze gesetzt - und dabei den Wert des Unternehmens auf 27 Milliarden Dollar gehievt. Bemerkenswert für einen Autohersteller ohne Auto.
Es hatte sich schon abgezeichnet, jetzt kommt die Rechnung aus Brüssel: Weil Volkswagen die CO2-Emissionsgrenzen der EU im vergangenen Jahr nicht einhalten konnte, soll der Konzern ein Bußgeld in immerhin dreistelliger Millionenhöhe zahlen - als einziger Autohersteller Deutschlands.
Was heute sonst noch wichtig war:
Viel peinlicher geht es für einen Banker wohl kaum: Eine persönliche Rüge von der Finanzaufsicht, ganz wie zu Schulzeiten, als es der Tadel im Klassenbuch war. Einstecken mussten diese Zurechtweisung nun Boris Collardi sowie Bernhard Hodler, beide früher Chefs des Schweizer Vermögensverwalters Julius Bär. Die Schweizer Finanzaufsicht wirft den beiden Versäumnisse bei der Bekämpfung der Geldwäsche vor. Will sagen: Die Herren haben ihre Hausaufgaben nicht gemacht.
Der Münchener Online-Luxusmodehändler Mytheresa startet heute an der New Yorker Börse, und das mit gesteigerten Ambitionen: Nach einer kurzfristigen Erhöhung des Ausgabepreises wird das Unternehmen mit mehr als 2,2 Milliarden Dollar bewertet.
IPO-Pläne verfolgt offenbar auch der Online-Autohändler Mobility Holding, der hinter der Neuwagenplattform MeinAuto.de steht. Das Debüt könnte noch im ersten Halbjahr dieses Jahres stattfinden.
Meine Empfehlung für den Abend:

Misswirtschaft, absurdes Krisenmanagement: Bahn-Vorsteher Richard Lutz wird für seine Arbeit mit einer Vertragsverlängerung belohnt
Foto:Angelika Zinzow
Um hier mal den Kreis zum Einstieg in diesen Newsletter zu schließen: Zu behaupten, bei der Deutschen Bahn liefe es derzeit nicht ganz so gut wie bei Biontech, wäre vermutlich die Untertreibung des Jahres. Der Bahn-Konzern stand nie schlechter da als derzeit, mit Milliardenverlusten und explodierenden Schulden. Misswirtschaft, absurdes Krisenmanagement – all das muss sich die Konzernführung mit Richard Lutz an der Spitze vorwerfen lassen. Und die Konsequenzen? Sind jedenfalls nicht die, die man erwarten würde. Lutz und Vorstandskollege Ronald Pofalla können mit neuen 3-Jahres-Verträgen rechnen. Mein Kollege Michael Machatschke beobachtet das Theater im Staatskonzern seit Langem und hat die aktuelle Episode wie immer ebenso kenntnisreich wie pointiert aufgeschrieben: Der Beutezug.
Beste Grüße, Ihr Christoph Rottwilm