

Newsletter "Der Tag" Der Tag mit dem Comeback eines Altmeisters

Liebe Leserin, lieber Leser,
jeden Abend fassen wir die wichtigsten Wirtschaftsnews des Tages zusammen. Heute mit dabei: Gerhard Cromme und Auto1, die erstarkende Konkurrenz für Whatsapp, der Chefwechsel bei Intel und verschärfte Warnungen vorm Bitcoin.
Beginnen wollen wir heute mit einem angekündigten Börsengang. Och, denken Sie jetzt vielleicht, noch einer? Und in der Tat: Gerade drängen alle möglichen Buden an die Börse, die gerade mal ein paar wohlklingende Powerpoint-Folien zu einer guten Story zusammentackern können. Warum wir dann damit starten?
Weil Auto1 eines der wertvollsten Start-ups des Landes ist, das sich extra für diesen Moment fit gemacht hat.
Weil – anders als bei den gerade sonst so üblichen Tech-IPOs, die gemeinhin als Kapitalerhöhung konzipiert sind – hier die bestehenden Investoren Kasse machen wollen. Zur Erinnerung: Neben den beiden Gründern Christian Bertermann und Hakan Koç ist das vor allem die japanische Holding Softbank.
Weil hier ein Altmeister zurück aufs Parkett kehrt: Gerhard Cromme. Was ja fast schon romantisch ist: Vor genau 50 Jahren begann seine Karriere, die über Rheinhausen an die Aufsichtsratsspitze von Thyssenkrupp und Siemens führte und dann statt auf den Golfplatz eben ins Start-up.
Weil der Börsenboom ohnehin weitergehen wird, wie wir neulich mit diesem Stück aus dem "Economist" erklärt haben.

Good Old Deutschland AG: Auch schon wieder knapp acht Jahre alt ist dieses Foto aus der Villa Hügel, auf dem Gerhard Cromme sogar noch Krawatte trägt
Foto: dpa Picture-Alliance / Rolf Vennenbernd/ picture alliance / dpaDie wichtigsten Wirtschaftsthemen des Tages:
Wenn sich ein transatlantischer Megadeal anbahnt, sollen Sie es wissen. Also: Alimentation Couche-Tard aus Kanada hat dem französischen Handelsriesen Carrefour eine Übernahme vorgeschlagen. "In freundlicher Absicht", klar. Stimmen die Zahlen, die Insider berichten, hätte der Deal ein Volumen von gut 16 Milliarden Euro. Die Aktienkurse stiegen schon mal zweistellig. Passend dazu bieten wir Ihnen gern ein wenig Hintergrund zu wiedererstarkten Konzernwelt in Frankreich: Die neue France SA.
Ebenfalls ein interessanter Zusammenschluss, allerdings innerchinesisch: Chinas Autoriese Geely, hierzulande vor allem als Volvo-Eigner und Daimler-Großaktionär bekannt, schließt nach seinem Elektroauto-Deal mit Baidu die nächste Partnerschaft. Gemeinsam mit Foxconn, hierzulande vor allem als iPhone-Fertiger bekannt, will Geely auch Auftragsfertiger für Autohersteller werden. Das passt einerseits perfekt zur Industriepolitik der chinesischen Regierung – und andererseits in die Gerüchtelage rund um ein mögliches Apple-Auto.
Nach dem Bitcoin-Hype der vergangenen Wochen schlagen nun die Aufseher Alarm. EZB-Chefin Christine Lagarde plädierte für eine weltweite Regulierung. Der Bitcoin sei ein hochspekulatives Anlageobjekt, bei dem es "einige komische Geschäfte und einige interessante und total verwerfliche Geldwäscheaktivitäten" gegeben habe. Und die Bafin (auf Englisch: the German watchdog) warnte die Anleger, sich "nicht blenden zu lassen". Man könne in der Kryptowelt auch alles verlieren.
Telefónica verkauft seine Funkmasten. 7,7 Milliarden Euro kann der spanische Telekomriese verbuchen, die Masten – auch für das deutsche O2-Netz – gehören nun dem US-Riesen American Tower Corporation.
In den Markt der Messengerdienste kommt Bewegung. Konkurrenten des Marktführers Whatsapp legen seit der Änderung der Datenschutzrichtlinie der Facebook-Tochter überdurchschnittlich zu. Threema hat die 500-Millionen-aktive-Nutzer-im-Monat-Grenze überschritten und führt gerade in Deutschland, Schweiz und Österreich die Charts der Bezahlapps auf Platz eins an. Konkurrent Signal profitiert derweil von einer Empfehlung durch Elon Musk. Hier die Details.
Dass die Corona-Krise den Flugzeugbauern zusetzt – wenig überraschend. Dass es bei Boeing aber so viel schlechter als bei Airbus lief – bemerkenswert. Die folgende Zahl – krass: Der US-Riese fiel auf das Niveau von 1977 zurück.
Und noch eine US-Ikone mit Problemen: Beim Chiphersteller Intel lief es zuletzt (unabhängig von Corona) auch nicht so rund, Konkurrent AMD holte unaufhaltsam auf, Apple und Microsoft wandten sich ab. Nun soll Konzernchef Bob Swan von Intel-Urgestein Pat Gelsinger ersetzt werden.
Was uns sonst noch beschäftigt hat:

Hidden Champion: Pilz-Chefin Susanne Kunschert liefert unter anderem ihre berühmten roten Notausknöpfe in alle Welt
Foto: PRResilienz ist so ein Wort dieser Wochen. Wir alle müssen angesichts der Corona-Lage resilient sein, Lieferketten und Geschäftsmodelle müssen resilient sein. Frei übersetzt bedeutet das ja so viel wie: Stress aushalten. Ein Profi in dieser Frage ist die Unternehmerin Susanne Kunschert. Die Chefin des Automatisierungsspezialisten Pilz musste eine Hackerattacke samt Erpressung überstehen und kämpft nun mit Corona und sowieso der Zuliefererkrise. Verzagtheit ist ihre Sache jedoch nicht, wie meine Kollegin Mirjam Hecking erleben konnte. Kunschert ist für uns jedenfalls eine der 100 einflussreichsten Frauen der deutschen Wirtschaft: Die Stressexpertin.
Zugegeben: Die zum Teil aufgeregt geführte Sinn-Diskussion ("Purpose") der vergangenen Jahre hat wenig gebracht. Die meisten Unternehmen haben Purpose als Marketingexperiment missverstanden, mit dem sich beispielsweise Toptalente binden lassen. Doch Sinn ist nicht auf einen Marketing-Claim reduzierbar. Denn er muss individuell erfasst werden und lässt sich nicht vorgeben. Was das für Führungskräfte bedeutet und wie vielschichtig das Modell ist, erklärt ein Autorenteam um Professor Wolfgang Jenewein von der Uni St. Gallen ausführlich für den Harvard Business manager: Raum für Sinn.
Resilienz? Purpose? Meine Kolleginnen und Kollegen von manage>forward, unserem neuen Weiterbildungsportal, haben vor Kurzem ihren ersten großen Videokurs veröffentlicht. Gemeinsam mit den Coaches Linda Wulff und Michael Obert wollen sie Ihnen dabei helfen, gelassen und erfolgreich durch das Jahr 2021 zu kommen – mit klaren und motivierenden Zielen. Hier können Sie sich noch bis kommenden Montag anmelden.
Meine Empfehlung für den Abend:

Großkaliber: Das berühmteste Uhrwerk Großbritanniens läuft im Big Ben
Foto: TOBY MELVILLE/ REUTERSIn Großbritannien wurden die Standards der Zeitmessung gesetzt, auch die weltweit wertvollste Marke hat ihren Ursprung auf der Insel: Rolex. Nun plant die britische Uhrmacherbranche mitten im Brexit-Wirrwarr ihr Comeback. Unsere Uhren-Expertin Michelle Mussler nimmt Sie mit in die Welt der britischen Armbanduhren. Time to say hello, again.
Und als Service – der meistgelesene Artikel des gestrigen Tages war dieser hier: "Big Tech tut den USA schreckliche Dinge an"
Bleiben Sie gesund. Herzlich, Ihr Lukas Heiny