
Newsletter "Der Tag" Der Tag mit der kalten Schulter für Peking
Liebe Leserin, lieber Leser,
jeden Abend fassen wir die wichtigsten Wirtschaftsnews des Tages zusammen. Heute mit Milliardeninvestments in Chinas Tech-Riesen, China als Ursprung einer düsteren Gefahr für deutsche Autobauer und einem dreisten Krypto-Betrüger.
Chinas Tech-Konzerne erhalten in diesen Tagen starke Signale des Vertrauens vom Finanzmarkt. Obwohl aus Peking mitunter erheblicher Druck auf die Unternehmen ausgeübt wird, greifen Investoren dennoch beherzt zu. Jüngstes Beispiel ist die Video-App Kuaishou, ein Tiktok-Konkurrent, den im Westen kaum einer kennt, obwohl er bereits mehr Nutzer hat als Twitter oder Snapchat. Beim Börsengang vergangene Nacht rissen sich Anleger förmlich um die Papiere und trieben den Marktwert gleich am Tag der Erstnotiz auf bis zu 135 Milliarden Euro - so viel ist auch der wertvollste Dax-Konzern SAP wert. Störfeuer von Chinas Behörden, dem sich Kuaishou ausgesetzt sieht, wurde von Investoren dabei offenbar ignoriert.
Ähnlich ist es bei Alibaba. Den Handelskonzern und Amazon-Konkurrenten hat Peking seit Monaten noch viel mehr auf dem Kieker. Erst wurde die Tochter Ant Financial an ihrem Rekordbörsengang gehindert, dann gab es Ermittlungen gegen den Mutterkonzern selbst. Gründer und Multimilliardär Jack Ma lässt sich angesichts dieser Repressalien öffentlich schon kaum noch blicken. Geldanleger jedoch zeigen Peking auch hier die kalte Schulter und bleiben Alibaba wohlgesonnen: Eine Anleihe des Konzerns war in diesen Tagen um mehr als das Siebenfache überzeichnet.
Und die nächste Gelegenheit für Investoren, Geld in Chinas Tech-Riesen zu stecken, steht schon bevor: Berichten zufolge plant der Internetkonzern Tencent - zugleich Großanteilseigner bei Kuaishou - eine Aktienemission für seine Musiksparte über bis zu fünf Milliarden Dollar, wie Sie auch hier in unserem Überblick über das Investoreninteresse an Chinas Tech-Industrie nachlesen können.

Kuaishou-Werbung in Peking: Investoren rissen sich um die Aktien beim Börsengang in Hongkong
Foto: WU HONG/EPA-EFE/ShutterstockDie Wirtschaftsnews des Tages:
Die Mikrochip-Krise der Autobauer begleitet uns seit Wochen. Heute offenbarte auch Ford erhebliche Probleme bei der Produktion seines Flaggschiffs F-150, durch die dem US-Hersteller ein Milliardenschaden droht. Die deutschen Hersteller wollen indes eventuell ihre Lieferketten umstellen, um solche Engpässe künftig zu vermeiden.
Zwei Neuigkeiten von der Impfstoff-Entwicklung: Der deutsche Corona-Impfstoff-Lieferant Nummer eins, Biontech, erhält Rückenwind vom Dax-Konzern Merck, der die Produktion des Vakzin-Bestandteils Lipid erheblich steigern will. Und Deutschlands Impfstoff-Hoffnung Nummer zwei, Curevac, hat einen Deal mit Großbritannien abgeschlossen, um für die Briten Impfstoffe zu entwickeln, zu produzieren und zu liefern.
Der Versorger RWE gibt starke Geschäftszahlen bekannt: Der Dax-Konzern konnte 2020 seine eigene Prognose übertreffen und einen Gewinn von 3,2 Milliarden Euro erzielen. Ausschlaggebend war vor allem ein boomender Energiehandel sowie ein florierendes Geschäft mit Windkraft, so das Unternehmen.
Thyssenkrupp haben die meisten wohl vor allem als alten, grauen Industrieriesen vor Augen. Doch die Zukunft des Unternehmens soll eher grün aussehen: Wie Konzernchefin Martina Merz die Aktionäre auf der Hauptversammlung heute wissen ließ, soll Thyssenkrupp künftig verstärkt Anlagen zur Produktion von Wasserstoff bauen.
Was heute sonst noch wichtig war:
Unser heutiges Highlight aus dem neuen "Economist" beleuchtet den kaum bekannten Hintergrund eines brandheißen Themas. Stichwort Gamestop: Einer der Gründe dafür, dass immer mehr Privatanleger an der Börse aktiv sind, sind extrem kostengünstige Offerten, die Onlinebroker wie Robinhood ihnen machen. Diese wiederum sind nur möglich, weil die Broker eine andere Finanzquelle haben, nämlich Hochfrequenztrader, die Geld dafür zahlen, Orders ausführen zu dürfen. Lesen Sie hier das Hintergrund-Stück aus dem "Economist" über die umstrittene Wall-Street-Praxis namens "PFOF" ("payment for order flow"), über die jetzt mehr denn je diskutiert wird .
2018 durfte Stefan He Qin beim US-Sender CNBC noch kräftig für Investments in Kryptowährungen wie den Bitcoin trommeln. Inzwischen würden die Senderverantwortlichen den US-Hedgefondsgründer wohl kaum wieder einladen: Der erst 24-jährige Finanzakrobat räumte vor Gericht ein, seine Krypto-Investoren um mehr als 90 Millionen Dollar betrogen zu haben.
Meine Empfehlung für den Abend:

CATL-Niederlassung in China: Der Batteriezellriese aus Fernost könnte zur Bedrohung deutscher Autobauer werden
Foto: Jake Spring/ REUTERSDie Engpässe bei Mikrochips, die die Autoproduktion weltweit stocken lassen, brachten die Risiken der globalen Vernetzung der Autobauer schmerzlich zum Vorschein. Eine andere Abhängigkeit könnte jedoch künftig noch fatalere Folgen für die Hersteller haben: Mit CATL ist in China ein Batteriezellenproduzent herangewachsen, auf dessen Kundenliste schon heute von Audi über BMW und Daimler bis zu Toyota und Tesla so ziemlich jeder Konzern steht, der in dem Markt Rang und Namen hat. Geht die Entwicklung weiter wie in den vergangenen Jahren, so drohen schlimmste Befürchtungen von Konzernen und Regierungen im Westen wahr zu werden: Die Autoindustrie wäre erpressbar durch einen Big Player aus China, wie meine Kollegin Margret Hucko in ihrem spannenden Unternehmensporträt schreibt: Der Aufstieg des chinesischen Batteriezellriesen CATL .
Beste Grüße, Ihr Christoph Rottwilm