Wechselfälle
Willem "Wim" Duisenberg (68) hatte ein großes persönliches Ziel: Er wollte als der Mann in die Geschichte eingehen, der den Bürgern den Euro brachte. Das hat er 2002 geschafft, reibungslos. So trat der Europäischen Zentralbank (EZB) erster Präsident denn voriges Jahr beruhigt in den Ruhestand und erholte sich erst einmal. Inzwischen hat sich "Mr. Euro" allerdings ein paar kleine Nebenbeschäftigungen besorgt: Bei der holländischen Rabobank sitzt er im Aufsichtsrat. Und beim Münchener Gelddruckkonzern Giesecke & Devrient ist er seit kurzem Mitglied im Beirat, um "strategische Entscheidungen" des Unternehmens "mit seiner Sachkenntnis" zu befruchten. Im Euro steckt noch ein Milliardengeschäft: Wenn weitere Länder der Währungsunion beitreten, winken viele tolle Gelddruckaufträge. Da kann es nicht schaden, wenn man Mr. Euro an Bord hat.
Jürgen Heraeus (67), Miteigen-tümer der Hanauer Edelmetall- und Technologiegruppe Heraeus, geht mit angestellten Managern bisweilen hart ins Gericht. Bei etlichen Topleuten börsennotierter Großunternehmen vermisst er die "moralischen Werte des ehrbaren Kaufmanns". Vor allem die Vergütungsexzesse in den Führungsetagen der Wirtschaft rügt er.
Trotz oder vielleicht auch wegen dieser kritischen Haltung genießt Heraeus bei den Spitzenadressen der deutschen Wirtschaft hohes Ansehen. Als Aufsichtsrat ist er begehrt; beim Dax-Konzern Epcos etwa oder bei der Frankfurter MG Technologies.
Bei der Heidelberger Druckmaschinen AG will ihn der Aufsichtsrat am 21. Juli vom einfachen Mitglied zum Vorsitzenden befördern. Amtsinhaber Klaus Sturany (57) räumt seinen Posten. Der Grund: Im Mai hat der RWE-Konzern sein 50-Prozent-Paket an dem Druckmaschinenhersteller verkauft. Für RWE-Finanzvorstand Sturany gibt es folglich keinen Grund mehr, sein Amt in Heidelberg auszuüben.
Rainer Behne (51) galt für den Spitzenposten bei der Agiv als nicht mehr tragbar. Am 10. Juni musste der studierte Mediziner auf Drängen des Aufsichtsrats den Vorstandsvorsitz der Agiv Real Estate abgeben. Dem Quasi-Hinauswurf vorausgegangen war ein Streit mit zwei Großaktionären des kriselnden Hamburger Immobilienkonzerns, der ING BHF-Bank (Anteil: 13,2 Prozent) und dem Energiekonzern EnBW (14,2 Prozent). Beide Unternehmen hatten noch vor der Fusion der Industrieholding Agiv mit Behnes Immobilienfirma HBAG im Jahr 2002 eine Verkaufsoption für ihre Pakete vereinbart. Der festgeschriebene Preis von 4,17 Euro je Aktie liegt jedoch weit über dem aktuellen Kurs von etwa einem Euro.
Behne weigerte sich nach dem Zusammenschluss, die Pakete zu übernehmen; die BHF reichte Klage ein. Der Rechtsstreit verschreckte potenzielle Investoren. Ohne frisches Kapital aber ist die defizitäre Agiv (Verlust 2002: 134 Millionen Euro) kaum überlebensfähig.
Nach dem erzwungenen Abtritt Behnes ist nun der Weg frei für eine außergerichtliche Lösung des Konflikts und damit für den Einstieg neuer Geldgeber. Behne verliert neben dem Job wohl auch seine 12,1 Prozent Agiv-Aktien. Das Paket fällt voraussichtlich an seine Gläubigerbanken, an die es verpfändet ist.
Brigitte Mohn (39) soll in das Präsidium der Bertelsmann Stiftung einrücken und dort in absehbarer Zeit ihre Mutter Liz (63) ablösen. Die Tochter des Stifters und Firmenpatriarchen Reinhard Mohn (83) ist bereits seit mehreren Jahren stiftungsaktiv, sie leitet sowohl die Deutsche Schlaganfall-Hilfe als auch den Bereich Gesundheit in der Bertelsmann Stiftung.
Ihr Einzug in das vom Ex-Marketingprofessor Heribert Meffert (66) geleitete Führungsgremium ist Teil eines feineren, größeren Plans: Reinhard Mohn will seine westfälische Forschungs- und Landesverbesserungsanstalt auch strukturell von Hoch- auf Höchstniveau trimmen; vor allem soll es keine Doppelmitgliedschaften in Geschäftsführung und Aufsichtsrat mehr geben.
Zurzeit gehören die fünf Präsiden auch dem 15-köpfigen Kuratorium der größten deutschen Unternehmensstiftung (304 Mitarbeiter, Finanzetat: 70 Millionen Euro) an, kontrollieren sich also selbst. "Das soll künftig wie in einer Firma sauber getrennt werden", heißt es im Haus.
Für Liz Mohn ist nach ihrem Ausscheiden aus dem Präsidium der Kuratoriumsvorsitz vorgesehen. Quälend ungeregelt bleibt vorerst, ob Meffert seinen Ende September 2005 auslaufenden Vertrag um zwei Jahre verlängert. Denn Ersatz steht erst 2007 parat: Gunter Thielen (61), Vorstandschef der Bertelsmann AG. Es sei denn, die junge Mohn selbst, auch darüber wird geredet, setzt sich an die Stiftungsspitze.