„Der Phaeton hat noch viele Jahre vor sich“
mm* Herr Pischetsrieder, Sie haben für VW das Ziel ausgegeben, mit einer Fülle von attraktiven Autos den Jahresabsatz von 5 auf 6,5 Millionen Fahrzeuge zu steigern. Gleichzeitig haben Sie die Investitionen drastisch gekürzt. Welche Modelle bleiben in der Schublade?
Pischetsrieder Es wird keine Abstriche bei der Produktpalette geben. Im Gegenteil, wir müssen zusätz-liche Segmente besetzen, in denen wir heute noch nicht vertreten sind. Wir werden eine größere Anzahl von Modellen mit geringeren Kosten herstellen. Das schaffen wir, indem wir unser Effizienzpotenzial besser ausschöpfen.
mm Effizienzpotenzial klingt immer toll. Was verbirgt sich dahinter?
Pischetsrieder Wir haben heute schon den Vorteil, dass wir konzernübergreifend effektiver als viele Konkurrenten Gleichteile in verschiedenen Autos einsetzen. Dieses System treiben wir jetzt weiter voran, indem wir Komponenten über unsere Marken und Fahrzeugklassen hinweg konsequent vereinheitlichen.
mm Das wird Ihren Entwicklern kaum gefallen.
Pischetsrieder Das ist "nur" eine Erweiterung des Plattformmanagements auf das ganze Fahrzeug. Aber es wird so sein, dass sich einige an die Prozessumstellung erst noch gewöhnen müssen. Schließlich stellen wir die eingespielten Abläufe im Konzern auf den Kopf. Andererseits heben wir damit aber ein gewaltiges Rationalisierungspotenzial.
mm Wie wollen Sie das anstellen? Bei Volkswagen sind die Beharrungskräfte in der Regel sehr ausgeprägt.
Pischetsrieder Wir sind beweglicher, als Sie denken. Um den Prozess zu steuern, haben wir so genannte Modulmanager ernannt. Die sollen den Einsatz für jeweils eine Baugruppe konzernweit koordinieren. Wenn das neue System läuft, haben wir einen deutlichen Wettbewerbsvorsprung. Auf diese Weise machen wir VW für die Zukunft wetterfest.
mm Haben Sie tatsächlich so viel Handlungsspielraum? Sie müssen doch jeden Schritt mit der IG Metall abstimmen. Die ist bei VW so stark wie in keinem zweiten deutschen Konzern.
Pischetsrieder Vom Betriebsrat bekomme ich die nötige Unterstützung. Die bremsen nicht. Wenn Konzernbetriebsratschef Klaus Volkert hier säße, würde auch er Ihnen mit gleicher Vehemenz sagen, wie notwendig es ist, das Unternehmen effizienter zu machen. Die Arbeitnehmervertreter bei Volkswagen brauchen da keine Nachhilfe.
mm Überschätzen Sie die Veränderungsbereitschaft nicht ein bisschen? Eine Werkschließung würde im Aufsichtsrat wohl kaum bei der IG Metall und dem Großaktionär Niedersachsen durchgehen.
Pischetsrieder Wer will denn überhaupt eine Werkschließung?
mm Am Finanzmarkt haben manche den Eindruck, dass in Ihrem Unternehmen betriebswirtschaftliche Notwendigkeiten zugunsten politischer Kompromisse vernachlässigt werden. Wie viel Niedersachsen will sich VW langfristig noch leisten?
Pischetsrieder Ihr Eindruck, woanders werde Gas gegeben, während VW zu viele Bremser habe, ist falsch. Wenn es betriebswirtschaftlich sinnvoll wäre, ein Werk in Niedersachsen zu schließen und andernorts neu anzufangen, müssten wir das tun. Aber es ist eben nicht so. Die Standorte müssen sich im internen Vergabewettbewerb gegen Lieferanten oder ausländische VW-Standorte durchsetzen und ihre Produktivität und Qualität ständig verbessern. Befindlichkeiten von Belegschaftsvertretungen und Großaktionären, die von Ihnen vermutet werden, spielen da keine Rolle.
mm Zuweilen schon, wie man am Beispiel des Microbus sehen kann. Nach Ansicht von Aktienanalysten müsste dieser Wagen aus Währungsgründen in Mexiko gebaut werden. Hauptabsatzmarkt sind die Vereinigten Staaten. Die IG Metall will nun aber, dass er in Hannover gefertigt wird.
Pischetsrieder Zunächst einmal muss der Microbus wie jedes Produkt die Zielkapitalrendite erreichen. Und wenn es dazu wirtschaftlicher wäre, den Microbus nicht in Hannover zu produzieren, dann müssten wir das sicherlich so machen. Das ist aber nicht der Fall. Um auf eine ausreichende Stückzahl zu kommen, muss er zusammen mit dem Transporter T5 gefertigt werden, der sich mit dem Microbus viele Module teilt. Wenn wir das Fahrzeug in Mexiko bauen würden, müssten wir doppelt in Werkzeuge und Karosseriebau investieren.
mm Den Beetle fertigen Sie doch auch in Mexiko, obwohl er die gleichen Module hat wie der Golf.
Pischetsrieder Der New Beetle hat mit dem Golf viel weniger gemeinsam als der Microbus mit dem T5. Außerdem bauen wir die Modulstrategie gerade erst auf! Im Übrigen: Wenn wir eine kostengünstigere Lösung sehen, ergreifen wir sie. Glauben Sie mir, Kostenmanagement steht bei mir jeden Tag ganz oben auf der Agenda.
mm Können Sie uns das belegen?
Pischetsrieder Gern. Nehmen Sie etwa die Fertigung des neuen Transporters LT. Der wird demnächst von Mercedes gebaut. Dort können wir Synergien mit dem Sprinter realisieren und beide Kosten sparen.
mm Wenn Sie VW reformieren wollen, dann müssen Sie sich wohl oder übel auch von den überzogenen Luxusautoplänen Ihres Vorgängers verabschieden. Wann stellen Sie die Produktion des Phaeton, der Ihnen das Ergebnis verhagelt, ein?
Pischetsrieder Das Oberklassesegment wird Volkswagen auf keinen Fall aufgeben. Der Phaeton ist ein erstklassiges Auto. Er hat noch viele Jahre vor sich.
mm Sie wollen von Maserati die Plattform des Modells Quattroporte kaufen. Ist damit nicht bereits eine Vorentscheidung für den Phaeton-Nachfolger gefallen?
Pischetsrieder Keineswegs. Erstens haben wir die Kooperation mit Maserati noch nicht entschieden. Zweitens könnten wir dadurch die Lücke zwischen Passat und Phaeton mit einem heckgetriebenen Modell schließen. Durch die Zusammenarbeit mit Maserati wäre dieses Vorhaben am schnellsten und am preiswertesten zu verwirklichen.
mm Also machen Sie zunächst keinerlei Abstriche im Luxussegment?
Pischetsrieder Korrekturen gibt es. Nehmen Sie unsere Acht-Zylinder-Motoren. Bislang haben wir zwei technisch unterschiedliche Aggregate, bei VW den so genannten W-8- und bei Audi den V-8-Motor. In Zukunft werden wir nur noch einen Acht-Zylinder bauen, nämlich den V-8-Motor.
mm Ihrem Aufsichtsratsvorsitzenden Ferdinand Piëch sagt man nach, dass er gern Ferrari übernehmen würde. Ist das nach den teuren Einkäufen Bentley, Bugatti und Lamborghini noch ein Thema?
Pischetsrieder Soweit ich weiß, ist Ferrari nicht verkäuflich.
mm Die Mutter Fiat steckt in der Krise. Die Italiener könnten zum Verkauf von Ferrari gezwungen werden.
Pischetsrieder Wenn dieses nationale Heiligtum wirklich zum Verkauf stünde, dann gäbe es so viele Interessenten - auch außerhalb des Automobilsektors -, dass der Preis letztlich viel zu hoch läge.
mm Herr Pischetsrieder, der VW-Konzern soll vom Kleinwagen bis zum 40-Tonner die komplette Fahrzeugpalette abdecken. Zurzeit produzieren Sie hier Transporter und in Brasilien Schwerlaster. An dem schwedischen Hersteller Scania halten Sie 34 Prozent. Wie wollen Sie all das zusammenführen?
Pischetsrieder Bei unseren preiswerten Lkw in Brasilien sind wir mit 35 Prozent Anteil Marktführer. Jetzt überlegen wir, ob wir auch in anderen Ländern Montagefabriken aufbauen sollen. Mercedes hat das so gemacht. Wir könnten es genauso tun - oder kooperieren.
mm Ihre Beteiligung Scania fertigt nur Schwerlastwagen. Die großen Flottenbetreiber verlangen aber Lastwagen verschiedener Klassen aus einer Hand. Wo zaubern Sie die her?
Pischetsrieder Die Lösung wäre eine Kooperation mit einem Partner, der mittelschwere Lkw herstellt.
mm MAN ziert sich aber offenbar.
Pischetsrieder Für mich ist klar, dass sich der Markt konsolidieren wird, so oder so. u
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Profil
Bernd Pischetsrieder war sechs Jahre lang Chef von BMW - bis ihn das Rover-Debakel den Job kostete. Kurz darauf holte ihn Ferdinand Piëch nach Wolfsburg, vor fast zwei Jahren rückte der Bayer dort an die Konzernspitze. Bei Gewerkschaftern und Mitarbeitern genießt Pischetsrieder viel Respekt.